Wegen Corona: Regionale Ökokisten boomen
17.4.2020, 05:44 UhrJeden Tag schwärmten die Lieferwagen von Kleinreuth am südlichen Rand des Knoblauchslandes aus und brachten große Kisten mit Tomaten, Gurken, Paprika und Salat zu den Wirtshäusern und Schaustellern in der Region. Doch ab Mitte März standen die Lieferwagen plötzlich still in Kleinreuth. „Durch Corona ist unser Geschäft komplett eingebrochen. Wir liefern nur noch an Heime und Krankenhäuser“, erzählt Ursula Opitz von Gemüse Böcklein.
Schnell musste eine Lösung her, um zumindest einen kleinen Teil des Geschäfts zu retten und die Mitarbeiter weiter beschäftigen zu können. Und so druckte der Gemüsehändler kurzerhand Tausende von Flyern und verteilte sie in Nürnberg, Fürth und Erlangen. „Die Fahrzeuge und Fahrer haben wir ja sowieso. Jetzt beliefern wir eben Privatkunden“, sagt Opitz.
Menschen geben mehr Geld für Lebensmittel aus
Solche Lieferangebote boomen derzeit in der Region. Und obwohl viele Menschen unsicher ihrer Zukunft und der ihres Kontostandes entgegen sehen, sind sie bereit, mehr Geld für Lebensmittel auszugeben. Vielleicht weil die Angst vor einer Infektion im Supermarkt schwerer wiegt, vielleicht weil viele andere Ausgaben wegfallen, vielleicht sogar weil man die regionale Versorgung in Krisenzeiten tatsächlich mehr wertschätzt als zuvor.
Davon profitieren derzeit sehr viele Anbieter. Wie etwa die Hofladenbox, die von Stein aus die Produkte regionaler Erzeuger in die Region liefert – und zwar nicht nur Obst und Gemüse, sondern auch Eier, Fleisch, Käse und Brot. „Die Nachfrage hat sich in den letzten Wochen verdreifacht. Statt 200 liefern wir jetzt 600 Kisten pro Woche aus. Und die Warenkörbe werden deutlich größer. Viele erledigen jetzt ihren gesamten Einkauf bei uns“, sagt Mareike Schalk, eine der beiden Unternehmerinnen, die die Hofladenbox im Jahr 2017 gegründet haben.
Auch die Personalstärke wurde verdreifacht. Viele Beschäftige, die momentan in Kurzarbeit sind, packen nun in Stein mit an. Durch die vielen positiven Rückmeldungen ist Schalk optimistisch, dass mindestens die Hälfte der Neukunden auch in Zukunft bei der Hofladenbox bestellt – auch wenn die Warenkörbe wohl wieder etwas kleiner werden.
Fahrer dürfen nicht mehr helfen
Zusätzliche Schutzmaßnahmen muss es in diesen Zeiten natürlich geben. So arbeiten die Packer nun in getrennten Schichten, die Fahrer dürfen nicht mehr die Wohnungen der Kunden betreten. „Vorher haben sie die Kiste schon mal in die Küche getragen oder sogar beim Ausräumen geholfen“, erzählt Schalk.
Explodiert ist die Nachfrage auch bei „Knoblauchsland Gemüse“, hinter dem vor allem die Vermarktungsorganisation Franken-Gemüse steht. „Den Online-Shop haben wir eigentlich vor ein paar Jahren eher nebenbei hochgezogen – und er ist stetig gewachsen. Letztes Jahr haben wir 200 Kisten im Monat verschickt, jetzt sind es plötzlich 200 in der Woche“, sagt Geschäftsführer Florian Wolz.
Die Kisten werden über einen Paketdienst verschickt und sind am nächsten Tag beim Kunden. „Wir haben festgestellt, dass sich häufig die Liefer- von den Bestelleradressen unterscheiden. Der Sohn bestellt also zum Beispiel für die Mutter, damit die nicht mehr in den Supermarkt gehen muss“, erklärt Wolz.
Neukunden müssen wochenlang warten
Ein echter Liefer-Pionier ist die Abokiste, die vom Landgut Schloss Hemhofen (Kreis Erlangen- Höchstadt) aus schon im Jahr 1992 damit begann, Privatleute und Büros mit 100 Prozent ökologischen Erzeugnissen zu beliefern. Aktuell wird man bei der Abokiste der Nachfrage aber kaum Herr und muss potenzielle Neukunden um mehrere Wochen vertrösten – obwohl zusätzliche Fahrzeuge angeschafft und weitere Mitarbeiter eingestellt wurden.
Ähnlich sieht es beim Baumannshof im Obernzenner Ortsteil Egenhausen (Kreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim) aus, der sich mit seiner Ökokiste seit 20 Jahren einen Namen gemacht hat. Der Umsatz durch die Bestandskunden stieg um etwa 30 Prozent. „Viele, die nur einmal im Monat bestellt hatten, kaufen jetzt wöchentlich ein und nehmen auch noch Brot und Käse dazu“, erzählt Junior-Chef David Baumann.
Mehr Touren und vollere Autos
Die Folge: Neukunden kamen auf eine lange Warteliste. Ab nächster Woche soll das vorbei sein. Dann fährt der Baumannshof 21 statt 18 Liefertouren in der Region, und das mit deutlich volleren Fahrzeugen.
Link Gemüse im Knoblauchsland hat bisher vor allem die Gastronomie beliefert. Privatkunden konnten nur im Hofladen einkaufen. Nun hat das Unternehmen aber sehr schnell einen Online-Shop mit Lieferservice hochgezogen. „ Wir haben oft mehrere Kunden in derselben Straße. Das hat sich total schnell herumgesprochen“, sagt Kathrin Ehret.
50 bis 80 Bestellungen kommen mittlerweile pro Tag herein. Das neue Liefergeschäft soll nach der Corona-Krise erhalten bleiben. So auch bei Gemüse Böcklein in Kleinreuth: „Wir haben in der kurzen Zeit schon sehr gute, treue Privatkunden gewonnen. Und wer mir in dieser schweren Zeit hilft, den kann ich später doch nicht im Stich lassen“, betont Ursula Opitz.
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