Immer mehr Wölfe illegal getötet
Weidevieh schützen: Der Wolf ist in Bayern nicht das größte Problemtier
2.10.2021, 12:15 UhrIn der Debatte um die Ausbreitung von Wölfen in Bayern setzt der Bund Naturschutz (BN) auf stärkeren Herdenschutz bei Weidetieren. Die Bejagung des Wolfes sei keine Lösung, sagte BN-Wolfsexperte Uwe Friedel am Freitag.
Vielmehr gelte es, Weiden besser zu schützen. Wichtig sei, dass Landwirte und Nutztierhalter über Herdenschutz informiert sind und die angebotenen Möglichkeiten wie Herdenschutzhunde oder -zäune sowie Finanzausgleich für gerissene Tiere ausschöpfen.
Bauern demonstrieren
Der Bayerische Bauernverband (BBV) plant für Samstag in München eine Demonstration für den Schutz der Weidetierhaltung.
Die BN-Vertreter äußerten Verständnis dafür, kritisierten aber, dass der Wolf zum Sündenbock gemacht werden soll. "Wir sind uns alle einig, dass wir keine Risse wollen. Aber in der Art und Weise gehen wir auseinander", sagte Friedel.
Die Politik ist uneinig
Ein Nebeneinander von Weidetieren und Wölfen wäre seiner Meinung nach durchaus möglich. Der Wolf ist in Deutschland streng geschützt und darf nicht bejagt werden. Nicht nur zwischen Naturschützern und Landwirten wird darüber gestritten, auch in der Politik herrscht Uneinigkeit beim Thema Wolf.
Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber sprach sich jüngst für Weideschutzgebiete aus, in denen auffällige Wölfe "entnommen" werden dürften. Grüne und SPD dagegen setzen auf ein "Wolfsmanagement" sowie eine bessere Förderung von Schutzmaßnahmen. In Bayern leben zehn standorttreue Rudel beziehungsweise Einzeltiere.
Immer mehr Wölfe illegal getötet
In Deutschland werden nach Angaben des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu) immer mehr Wölfe illegal getötet. Mit dem Fund von drei erschossenen Tieren Ende September in Mecklenburg-Vorpommern sei für das Jahr 2021 bereits jetzt ein Höchststand erreicht, teilte der Umweltschutzverband mit. Insgesamt seien dieses Jahr elf Wölfe gefunden worden, die ohne rechtliche Genehmigung getötet worden seien. 2020 waren es nach Nabu-Angaben acht illegale Tötungen, 2019 und 2018 jeweils neun. Dazu komme eine vermutlich hohe Dunkelziffer.
"Jede dieser Tötungen ist eine Straftat und muss strafrechtlich verfolgt werden", sagte Nabu-Fachbereichsleiter Ralf Schulte. Naturschützer sähen die Politik in Mitverantwortung an Abschüssen ohne Genehmigung. Sie müsse den Fokus auf Unterstützung der Nutztierhalter beim Herdenschutz legen, anstatt die Bejagung von Wölfen zu diskutieren.
Seit Rückkehr der Wölfe nach Deutschland im Jahr 2000 wurden nach Nabu-Angaben insgesamt 64 Tiere illegal getötet. Kaum einer dieser Fälle habe aufgeklärt werden können. Denn den Bundesländern fehle es an Fachstellen für Artenschutzkriminalität. Nicht nur Wölfe seien betroffen, auch Luchse würden immer wieder getötet aufgefunden, ebenso etliche Greifvögel.
128 Wolfsrudel in Deutschland
Nach jüngsten Daten der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf für das Monitoringjahr 2019/20 wurden in Deutschland 128 Rudel, 39 Wolfspaare und 9 territoriale Einzeltiere nachgewiesen. 2020 registrierte die Stelle bundesweit 942 Übergriffe von Wölfen auf Nutztiere, die meisten in Niedersachsen und Brandenburg. Die Höhe der Fördermittel der Bundesländer für Herdenschutzmaßnahmen lag im vergangenen Jahr bei rund 9,5 Millionen Euro, die Höhe der Schadensausgleichzahlungen betrug rund 800 000 Euro.
Der Deutsche Jagdverband fordert eine Statusänderung beim Wolf von "streng geschützt" zu "bedingt geschützt". Das bedeute noch lange nicht, dass jeder Jäger Wölfe jagen dürfe. Der Verband verurteile das illegale Töten von Wölfen aufs Schärfste, teilte ein Sprecher am Samstag mit. "Die Behörden sind aufgefordert, die Fälle möglichst umfassend zu untersuchen." Gleichzeitig müssten Sorgen und Ängste ernstgenommen werden.
Ein Hirte als Lösung?
Darüber hinaus gibt es durchwandernde Tiere. BN-Fachmann Friedel verwies darauf, dass nicht angeleinte Hunde ein größeres Problem seien als der Wolf. Zudem sei es in Bayern möglich, einen Wolf zu jagen, der ein Weidetier gerissen hat. Agraringenieur René Gomringer nannte als Beispiel die Schweiz, wo selbst in alpinen Gebieten Herdenschutzzäune errichtet werden oder wo mehrere Weidetierhalter ihre Herden zusammenlegen, so dass sich die Anstellung eines Hirten lohne.