Corona

Der Winter in Weißenburg-Gunzenhausen wird anstrengend

30.9.2021, 05:49 Uhr
Die Corona-Pandemie wird uns wohl zumindest die nächsten paar Monate noch Beschränkungen bescheren. Die Prognosen sehen nicht sehr optimistisch aus. Hier ein Bild von der 3G-Regelung bei einem Gottesdienst in der Bieswanger Kirche.  

© Uwe Mühling, NN Die Corona-Pandemie wird uns wohl zumindest die nächsten paar Monate noch Beschränkungen bescheren. Die Prognosen sehen nicht sehr optimistisch aus. Hier ein Bild von der 3G-Regelung bei einem Gottesdienst in der Bieswanger Kirche.  

Der Landkreis hat eine deutlich höhere Inzidenz als im Herbst 2020. Die viermal ansteckendere Delta-Variante ist längst die dominierende. Es scheint klarer zu werden, dass die Schutzwirkung der Impfung nach sechs Monaten nachzulassen beginnt. Und an Herdenimmunität glaubt angesichts niedriger Impfbereitschaft kaum mehr einer.

Das sind die unangenehmen Fakten. So wie man sie nun auf einer Pressekonferenz des Weißenburger Landratsamtes erfragen konnte. „Im Moment rettet uns das Wetter“, stellte Dr. Peter Löw dort fest und zuckte entschuldigend die Schultern. Er wollte nicht der Spielverderber sein, aber auch schlechte Nachrichten wollen eben überbracht werden.

„Es ist erwiesen, dass dieser Virus sehr empfindlich auf UV-Licht und auf Trockenheit reagiert. Man kann davon ausgehen, dass das Wetter den R-Wert derzeit um rund 40 Prozent drückt“, erklärte Löw. Das ist beim Reproduktions-Wert eine Welt. Er legt fest, wie viel Menschen ein Infizierter im Schnitt ansteckt.

Es braucht nicht viel für eine Infektionswelle

Liegt der R-Wert über eins, breitet sich die Pandemie aus, liegt er unter eins, geht sie zurück. Es braucht nur ein paar Zehntel R-Wert mehr, um aus einem stabilen Infektionsgeschehen eine Welle zu machen. Genau das könnte passieren, glaubt Dr. Peter Löw und referiert, schnell, kompetent und sachlich, die Expertenmeinungen mit entsprechenden Verweisen auf aktuelle Studien.

Er ist gerade von einem Fachkongress zur weiteren Entwicklung der Corona-Pandemie zurückgekommen. Die beiden medizinisch versierten Kollegen auf der Pressekonferenz, Dr. Johannes Rank, der Leiter des Gesundheitsamtes, und Christoph Schneidewin, Vorstand des Klinikums Altmühlfranken, nicken sacht zu Löws Ausführungen. Die Rückkehr der Pandemie ist ein plausibles Szenario.

Impfmuffel im Landkreis

„Es wird eine Pandemie der Ungeimpften“, sagt Löw. Und von denen gibt es im Landkreis noch eine Menge. Stand gestern waren 59 Prozent der Bürger in Weißenburg-Gunzenhausen doppelt geimpft. Deutlich weniger als im bundesdeutschen (knapp 68 Prozent) und bayerischen Schnitt (knapp 65 Prozent).

„Die Resonanz war gering“, stellt Klinikums-Vorstand Schneidewin bei der Pressekonferenz fest, dessen Team das Impfzentrum betreut hat. Und der große Run werde auch nicht mehr kommen. „Wer geimpft sein will, ist es längst. Zuletzt gab es noch einige, die gekommen sind, weil die Tests jetzt dann was kosten. Aber wer wirklich nicht will, denn schreckt auch das nicht“, so der Klinik-Vorstand.

Immerhin an einer Stelle stehen die Zeichen günstiger als im Herbst vergangenen Jahres. „Der Unterschied ist ganz klar, dass wir die besonders verletzlichen Gruppen jetzt geschützt haben“, erinnerte Gesundheitsamtsleiter Rank. Im Moment seien Teams dabei, die Bewohner von Alten- und Pflegeheimen mit einer dritten Auffrischungsimpfung zu versorgen. Nur macht das nicht alle Gefahren zunichte.

Weniger schwere Verläufe erwartet

„Wenn sich die Ungeimpften in den nächsten Wochen und Monaten schnell gegenseitig anstecken, kann schon noch mal was Größeres auf uns zukommen“, so Schneidewin. Zwar würden die Fälle mit schweren Verläufen prozentual weniger, weil sich mehr junge Menschen anstecken, aber in den kommenden Monaten könnte es dann die Masse machen.

„Wenn sich ausreichend viele junge Menschen anstecken, werden auch da schwere Verläufe dabei sein“, so Löw. „Das ist das, was wir jetzt schon aus Notaufnahmen der großen Häuser hören.“ Wenn also in den kommenden Wochen das Wetter kippt, könnte es losgehen. Nur von sehr viel höherem Niveau als im Herbst 2020.

Damals lag man am 2. Oktober bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von 6,3. Ein aus heutiger Sicht fast niedlicher Wert. Zwei Wochen vor Weihnachten landete man trotzdem beim Allzeit-Hoch von fast 300 im Landkreis. In den Herbst 2021 startet man nun mit einer Inzidenz von knapp 90. Wie es dann kurz vor Weihnachten aussehen könnte? „Es wird spannend“, sagt Löw. „Sie werden genug zu berichten haben“, schiebt er dann noch ahnungsvoll hinterher

Delta-Variante ist anders

Auch weil die neue Corona-Variante ein spezifisches Problem mit sich bringt. „Die Symptomatik ist eine andere“, erklärt Löw. Stand bislang unter anderem der Geschmacksverlust im Mittelpunkt, äußert sich die Delta-Variante mit Schnupfen, Husten und Kopfweh. Löw: „Also so wie jeder Allerwelts-Infekt.“ Ein Umstand, der dazu führen könnte, das Infektionen später bemerkt werden.

Auch wenn die Pandemie allerdings noch mal aufflammen sollte, die Reaktion auf sie wird eine andere werden. „Ich glaube kaum, dass es noch mal einen Lockdown geben wird“, sagt Löw. Auch mit Blick auf die Schulen stellt Gesundheitsamtsleiter Rank klar, dass man vonseiten der Staatsregierung angewiesen sei, „mit Augenmaß“ zu agieren.

Das habe man zwar auch bislang schon, so Rank, bedeute aber konkret, dass die Zeit vorbei sei, wo man ganze Klassen in Quarantäne schicke. Man werde hier eher zurückhaltend mit der Definition von Kontaktpersonen sein, weil sich gezeigt hat, dass das Übertragungsrisiko in der Schule bei Einhaltung der Vorsichtsmaßnahmen vergleichsweise gering sei.

Gros der Infektionen im privaten Umfeld

Ganz anders als in den Familien und im privaten Umfeld, wo weiterhin das Gros der Infektionen stattfinde. Auch Geimpfte werden beim weiteren Pandemie-Geschehen eine Rolle spielen, stellte Rank auf der Pressekonferenz fest.

Er verwies etwa auf Daten der Kalenderwochen 37 und 38 im Landkreis. Unter den 170 Neuinfizierten im Landkreis seien immerhin 45 vollständig Geimpfte gewesen. Im Impfzentrum und bald wohl auch bei Hausärzten sei es möglich, sich eine dritte Impfung geben zu lassen, die die ursprüngliche Schutzwirkung wiederherstellt, so Löw.

Genauso wie Schneidewin befürwortete er auch die Impfung bei Kindern und Jugendlichen zwischen zwölf und 17 Jahren. Die beiden Mediziner betonten, dass der Impfstoff sehr gut verträglich sei. Immerhin könnte es vielleicht der letzte ungemütliche Herbst/Winter werden.

Ein mögliches Szenario

„Es gibt ein Szenario, dass sich jetzt alle Ungeimpften anstecken werden und dann im kommenden Frühjahr als Genesene auch einen Schutz haben“, erklärt Löw. Eine Entwicklung, die auf den ersten Blick wie eine Perspektive klingt, die aber ein entscheidendes Problem birgt.

Wenn das Virus wirklich durch die 38 000 noch Ungeimpften im Landkreis rennt, dann werden die allermeisten dieser 38 000 Menschen mit einer leichten Erkältung durchkommen, einige wird es schwerer treffen, einige wenige wirklich schlimm und ein paar Menschen werden dann nicht mehr da sein.

„Am Ende ist es immer eine Frage, welches Risiko man als Gesellschaft für tolerierbar hält“, sagt Gesundheitsamtsleiter Rank und zuckt mit den Achseln. Nicht seine Entscheidung will er damit sagen, sondern eine der Politik, eine der Gesellschaft, vielleicht auch eine der Moral.

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