Offene Läden in Altmühlfranken: Die Freude ist greifbar

9.3.2021, 10:38 Uhr
Offene Läden in Altmühlfranken: Die Freude ist greifbar

© Patrick Shaw

Mit der Öffnung des Einzelhandels im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen kehrt wieder mehr Leben zurück in die Ortszentren. Die Freude über diesen Schritt in Richtung Normalität ist bei den Kunden und vor allem beim Einzelhandel förmlich mit den Händen zu greifen.

„Ich fühl‘ mich hervorragend, fast wie neu geboren“, sagt gar Thomas Hellmich, der für die acht Steingass-Filialen in Weißenburg zuständig ist. Vor allem für die Modegeschäfte war das vergangene Vierteljahr hart. Auf einen Online-Shop hat die Steingass-Geschäftsführung zwar bewusst verzichtet und setzt trotz Corona weiterhin auf den stationären Handel.

Aber Click & Collect sei bei den Kunden auch gar nicht so gewünscht, hat Hellmich festgestellt. Viele hätten das Angebot nur aus Solidarität genutzt. „Eigentlich wollen die Kunden herkommen, anschauen, anfassen, anprobieren.“

Mit der Nase am Schaufenster

Schon seit Wochen hätten sich die Menschen nach der Öffnung der Bekleidungsgeschäfte gesehnt, hat Hellmich beobachtet. „Wir haben im Lockdown viel umgeräumt und -dekoriert, und die Kunden hingen schon mit den Nasen an den Schaufenstern. Die sind ausgehungert und haben einen enormen Nachholbedarf.“

Als wir Thomas Hellmich am Montagvormittag treffen, haben die Steingass-Filialen gerade einmal zwei Stunden offen, aber schon da bekam der Standortleiter von allen acht Läden die Info: Es ist gut was los, die glücklichen Kunden standen teils schon am Eingang, als die Türen aufgesperrt wurden.

Die unangerührte Winterware allerdings findet man in den Bekleidungsgeschäften nicht mehr, die ist weggeräumt und eingelagert. Das sei insofern bitter, als die schneereichen Monate Januar und Februar einen guten Absatz möglich gemacht hätten, bedauert Hellmich. Und der Umsatzverlust lasse sich auch nicht aufholen.

Doch nun will er gemeinsam mit den Kunden in den Frühling starten. „Die Leute wollen frische Ware“, weiß Hellmich. „Und wir müssen nach vorne schauen.“

„Die Leute wollen was Neues“

Ähnlich sieht das Ivonne Hirschmann, die Filialleiterin bei Schuh Schweizer. Die Winterware ist weggeräumt, im Laden stehen die Zeichen auf Frühling. „Die Leute wollen was Neues“, ist sie sicher.

Und auch sie selbst will nicht zurückschauen und sich grämen, sondern die positive Stimmung der Wiedereröffnung genießen. „Die Leute sind alle glücklich und gut gelaunt“, freut sie sich, und eine Kundin bestätigt direkt: „Wir haben so lange darauf warten müssen.“

Aber Hirschmann weiß auch, dass die Bürger nicht nur das Shoppen vermisst haben, sondern auch den sozialen Austausch in den Innenstadtgeschäften. „Wir kennen uns in der Stadt doch fast alle, und der Wunsch nach Unterhaltungen ist groß. Viele kommen und wollen wissen, wie es uns geht und was es Neues gibt.“

Bei Haack & Beyerlein lief es am Vormittag noch etwas langsamer an. Ab Mittag gaben sich aber auch in dem Taschen- und Lederwarengeschäft in der Treuchtlinger Bahnhofstraße die Kunden die Klinke in die Hand, wie Inhaberin Evelyn Leibig berichtet.

Es gibt Ware, die muss man anprobieren

Offene Läden in Altmühlfranken: Die Freude ist greifbar

© Miriam Zöllich

„Wir freuen uns sehr und hoffen, dass es jetzt so bleibt“, sagt sie, während sie einem Schüler einen Schulranzen zeigt. Mit Click & Collect sei man einigermaßen durchgekommen, blickt Leibig zurück. Aber es gebe eben Waren, „die muss man anprobieren“. Schultaschen zum Beispiel.

Der große Ansturm blieb in Treuchtlingen am Montag allerdings noch aus. Die Leute müssten sich erst wieder daran gewöhnen, ohne Termin und Vorbestellung einfach in die Läden zu gehen, mutmaßten mehrere Geschäftsleute und Kunden.

Als erster Anstoß soll ein von der Stadt finanzierter Flyer dienen, der kostenlos an alle Haushalte geht und vor allem auf die am stärksten vom Lockdown betroffenen Betriebe aufmerksam machen soll.

Ganz aufgeregt

Bei Haushaltswaren Maurer in Weißenburg hat das Team in der Nacht zum Montag vor Aufregung nur wenig Schlaf gefunden, so groß war die Freude über die Wiedereröffnung. „Können wir das überhaupt noch alles? Haben wir in der Zwischenzeit was vergessen?“ Solche Fragen hätten die Mitarbeiter umgetrieben, berichtet Juniorchefin Eva-Maria Viola lachend.

Die Zeit des Lockdowns habe man genutzt, um den vorderen Teil des Ladens umzugestalten und das Sortiment fortlaufend in den Online-Shop einzupflegen. Eine mühsame Arbeit, die sich aber lohnt: Click & Collect sei gut angenommen worden, freut sich Viola. Bei Gebrauchs- und Haushaltsgegenständen sei das eben einfacher als etwa in der Bekleidungsbranche.

Die Spontankäufe im Laden und vor allem den Kundenkontakt könne das dennoch nicht ersetzen, daher ist auch Eva-Maria Viola froh, wieder aufmachen zu dürfen. „Die Leute wollen einfach raus. Schon in den vergangenen Wochen sind viele zum Schaufensterbummel vorbeigelaufen.“

„Ich wage keine Prognose mehr“

Bei aller Euphorie ist eine Frage dennoch in den Hinterköpfen: Von welcher Dauer ist das fragile Glück diesmal? „Ich wage keine Prognose mehr“, sagt Thomas Hellmich. „Im Sommer noch war ich mir sicher, es wird keinen zweiten Lockdown geben.“

Optimismus und Freude seien da, doch er habe weiterhin großen Respekt vor dem Virus und dessen Auswirkungen. Und auch von Kunden haben er schon mitbekommen, dass sie jetzt möglichst schnell Kleidung kaufen wollen, bevor vielleicht wieder zugemacht wird. Eine Unsicherheit ist offensichtlich da.

Ivonne Hirschmann hat ein anderes Problem beobachtet: Dass die Geschäfte im Landkreis wieder geöffnet haben, sei anscheinend noch nicht zu allen durchgedrungen. „Manche sind ganz überrascht, dass wir jetzt wieder da sind – die blicken bei den vielen Regelungen und Informationen einfach nicht mehr durch.“ Spontaneität sei der Schlüssel, sowohl bei Kunden als auch beim Einzelhandel, glaubt Eva-Maria Viola. „Man schaut halt künftig in der Früh nicht mehr nur nach dem Wetterbericht, sondern auch nach dem Inzidenzwert.“ 

MIRIAM ZÖLLICH / PATRICK SHAW