Endlich wieder Oper: "L'Orfeo" hat Premiere im Nürnberger Opernhaus
29.9.2020, 13:22 UhrTrotz der Einschränkungen, die dem Spielbetrieb nach wie vor auferlegt sind, schafft es das Staatstheater bei dieser Saisonpremiere, quasi sein gesamtes Opernensemble auf die Bühne zu bringen, betonen Staatsintendant Jens-Daniel Herzog (Regie) und GMD Joana Mallwitz, die zusammen mit dem Komponisten Frank Löhr eine spezielle Nürnberger Orchesterfassung geschaffen hat.
Diese dauert statt der üblichen zwei Stunden nur rund 90 Minuten, so dass die Aufführung ohne Pause aufkommen kann. Klein ist auch der Publikumskreis, lediglich 206 Zuschauer dürfen nach aktuellem Stand zur Premiere ins Opernhaus.
Die erste Oper der Neuzeit
Das 1607 im herzoglichen Palast von Mantua uraufgeführte Werk passt symbolisch wie maßgeschneidert in die momentane Zeit, in der die Oper wie die anderen Künste so viele Entbehrungen erdulden müssen. Gilt „L’Orfeo“ doch gemeinhin als die erste Oper der Neuzeit und steht damit für Anfang und Aufbruch der komplexesten aller Kunstformen.
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Mehr noch: Monteverdi und sein Librettist Alessandro Striggio lassen darin im Prolog die Musik selbst – als allegorische Figur – auftreten. Aus ihr entwickelt sich die Erzählung von Orpheus, dem Sohn Apolls und gottgleichen Sänger, der es nicht hinnehmen will, dass seine Geliebte Eurydike durch einen Schlangenbiss gestorben ist. Er wagt etwas Nie-Dagewesenes: Orpheus macht sich auf den Weg ins Totenreich und fordert Eurydike von Pluto, dem Gott der Unterwelt, zurück. Dabei vertraut er allein auf die Kraft seiner Musik.
Parallelen zur Corona-Krise
Parallelen zur globalen Corona-Krise ließen sich in dem Werk eine Menge finden, so Herzog. „Wir sehen eine lebenslustige, konsumgierige, am Diesseits orientierte Feiergesellschaft. Und dann kommt mit der Nachricht vom Tod Eurydikes die erste Dissonanz der Musiktheatergeschichte - und die ganze Welt wird mit einem Schlag grau und ist wie gelähmt.“
Herzog arbeitet bei seiner Regie mit quasi leerer Bühne und vielen Videos. Mallwitz hat sich für „L’Orfeo“ tief in die Welt dieser Barockmusik eingearbeitet - eine Welt, die, wie sie sagt, viele „Betriebsgeheimnisse“ beinhaltet. Denn von den tatsächlichen Aufführungen der Entstehungszeit sind nur karge Notationsskizzen überliefert, die viel künstlerischen Freiraum lassen. Dafür hat sie keines der vielen Barock-Spezialisten-Ensembles engagiert, sondern setzt ganz auf die Power der hauseigenen Staatsphilharmonie.
Historische und heutige Musizierpraxis im Dialog
Im musikalischen Konzept der Nürnberger Fassung schlägt Mallwitz Brücken zwischen historischer und heutiger Musizierpraxis, zwischen alten Instrumenten wie Zink, Chitarrone, Lirone, Regal, Cembalo und modernen klassischen Instrumenten. So könne man Entwicklungslinien aufzeigen, die sich in den von Monteverdi geschaffenen Echoeffekten sehr gut realisieren lassen: Zum Beispiel sei die moderne Trompete das Echo des alten Zink, ein Satz aus zwei Klarinetten und Flöten sei das Echo einer modernen Orgel.
Klingt komplex, folgt aber einer klaren dramaturgischen Linie: aus dem ersten Ton entwickelt sich die ganze Musik, mit ihrem gesamten Instrumentarium. Und aus dem Gesang des Chores entwickelt sich die Geschichte von Orpheus, der mit seiner Kunst gegen das Schicksal aufbegehrt. Ein uralter und doch wahrhaft heutiger Stoff.
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Und eine große künstlerische Aufgabe. Auch ansonsten bleiben die Herausforderungen für das Staatstheater enorm: Bald wird laut Herzog der Corona-Winterspielplan für das nächste Vierteljahr veröffentlicht. Parallel dazu würden die ursprünglich geplanten Produktionen in den Werkstätten bis zur Aufführungsreife gebracht.
Laufender Betrieb muss aufrechterhalten werden
Am wichtigsten aber sei es, in Zeiten wieder steigender Infektionszahlen den laufenden Betrieb aufrechtzuerhalten, damit einzelne Krankheitsfälle nicht das Haus lahmlegen können. Die Corona-Schnelltests, die seit kurzem mit der Infektambulanz der Cnopfschen Kinderklinik durchgeführt werden – und deren Kosten das Staatstheater trägt –, seien dabei eine große Hilfe.
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