Waldbrände

In Kalifornien leben Menschen mit der Angst, ihr Haus oder ihr Leben zu verlieren

10.7.2021, 15:37 Uhr
Eine dicke orangefarbene Rauchglocke hing 2020  über der Golden Gate Bridge in San Francisco.

© Harold Postic/AFP Eine dicke orangefarbene Rauchglocke hing 2020  über der Golden Gate Bridge in San Francisco.

Die Bilder gingen um die Welt. Der Tag, an dem es in der San Francisco Bay Area nicht hell wurde. Eine dicke Rauchglocke hing über allem, die Sonne war nur ein schwacher roter Ball am Himmel. Apokalyptisch wirkte die Szenerie, dazu stieg das Thermometer auf 30 bis 35 Grad. Wie derzeit die Brände in Kanada wütete im Herbst 2020 das "Glass Fire" im Norden Kaliforniens, der Rauch sammelte sich über dem Golden Gate, der Meerenge, die den Pazifik mit der Bucht von San Francisco verbindet. Die Maskenpflicht durch die Corona-Pandemie hatte hier noch einen ganz anderen gesundheitlichen Effekt, gerade dann, wenn man raus musste, wie ich mit meinem Hund.

Der Blick aus meinem Fenster erinnert mich tagtäglich daran, dass alles hier ganz schnell vorbei sein kann. Der East Bay Regional Park, ein riesiges Wald- und Naherholungsgebiet, ist nah. Zuletzt brannte es in den Oakland Hills 1991. 25 Menschen starben, weit über 3000 Häuser wurden zerstört, der Schaden damals belief sich auf über eineinhalb Milliarden Dollar. Noch heute kann man die Narben von damals deutlich erkennen.

Eine Stunde nördlich von hier liegt das Bennett Valley, ein abgelegenes, ruhiges Tal, Weinanbau, eine Gegend, in der man gerne lebt. Doch dann kam der Oktober 2017. Kathy Schmidt erinnert sich noch ganz deutlich an jene Nacht, als sie ein Nachbar weckte und nur meinte: Hau ab! "Ich ging auf meinen Dachbalkon und schaute rüber zum Wald und da war ein Lichtdom, keine Flammen. Aber dieser Lichtdom war zehn bis fünfzehn Stockwerke hoch. Dazu der starke Wind von über 100 Stundenkilometern. Ich wusste in dem Moment, dass am Morgen hier nichts mehr stehen würde und ich weg muss."

Schmidt griff sich ihren Computer, ein paar persönliche Dinge, schmiss alles in einen Wäschekorb. Sie trat nach draußen, schloss die Tür des Hauses, das ihr kurz zuvor verstorbener Mann selbst gebaut hatte. "Ich habe es nochmal geküsst, mich verabschiedet. Ich dachte, das Haus wäre in ein paar Stunden nicht mehr da."

Kathy Schmidt hatte Glück. Am nächsten Morgen rief der Nachbar erneut an. Er war einer der wenigen, die geblieben waren. Ihr Haus stand noch, doch von 120 Gebäuden in ihrer Nachbarschaft waren nahezu 100 abgebrannt. Die Flammen verwüsteten ihren Garten, doch an der Terrasse musste sich der Wind gedreht haben. Die Feuerwalze bewegte sich in eine andere Richtung. Heute, über drei Jahre später, sind Neubauten und verkohlte Bäume ein deutliches Zeichen dafür, was hier passiert ist.

Für Kathy Schmidt, die seit Mitte der 1980er Jahre in diesem Haus lebt, war das ein Weckruf. Es wird wieder passieren, davon geht sie aus. "Es gab Leute, die glaubten, ihnen würde beim nächsten Feuer jemand zur Hilfe kommen. Für mich ist klar, dass es nicht so sein wird." Der Bezirk Sonoma, in dem auch das Bennett Valley liegt, hat gerade mal 350 bis 400 Feuerwehrleute. Bei dem Großfeuer 2017 waren aber nahezu 11 000 "Fire Fighters" im Einsatz, die aus ganz Kalifornien und aus anliegenden Staaten angerückt waren, um die vielen Brandherde im gesamten County zu bekämpfen.

Wer hier leben will, so Schmidt, muss sich selbst schützen. Das macht sie seitdem. Ihr Haus wird feuersicher umgebaut, sie hat Fördergelder des Stromversorgers und aus öffentlicher Hand für die Brandprävention in ihrer Nachbarschaft erhalten, berät Nachbarn, schneidet Bäume in den umliegenden Straßen zurück, lässt das trockene Unterholz wegschaffen. Und sie hat sich selbst in Fragen des Feuerschutzes weitergebildet: "Waldbrände gab es hier immer, alle acht bis zehn Jahre, aber die waren nicht so schlimm, denn die Indianer legten früher kontrollierte Brände. Sie machten das auch, um Eichen anzupflanzen, das war eine Nahrungsquelle für sie. Aber damit kontrollierten sie auch die Feuer. All das wurde vor hundert Jahren aufgegeben, als man damit anfing, Feuerausbrüche sofort zu bekämpfen."

Trockenperiode seit über 20 Jahren

Dem kann Al West nur zustimmen. Er war bis zu seiner Pensionierung der Stellvertretende Leiter des "National Forest" der USA und dazu der oberste Feuerwehrchef der Behörde. Er lebt in Ojai, Kalifornien, dort wütete im Dezember 2017 das Thomas Fire: "Es gab nach der Gründung der nationalen Forstbehörde vor über 100 Jahren die sogenannte Zehn-Uhr-Regel, die da hieß, dass man bis zum nächsten Morgen um 10 Uhr alle verfügbaren Mittel zur Brandbekämpfung einsetzen musste. Mit anderen Worten, man durfte das Feuer nicht ausbrennen lassen. Und diese Regel war bis 1975 gültig. Die Folge war, dass der Wald so dicht wuchs, dass man die Feuer nicht mehr einfach ausbrennen lassen konnte, denn das hätte sonst wochenlang gedauert." Die unmittelbare Brandbekämpfung als Hindernis. Zum einen wurde die Ausdünnung der Wälder immer wieder von Umweltgruppen verhindert. Zum anderen investiert der Staat nach wie vor mehr in die direkte Brandbekämpfung als in die Brandprävention, wie eine nachhaltige Forstwirtschaft.

Hinzu kommt das größte Problem in Kalifornien. Seit mehr als 20 Jahren steckt der Golden State in einer Trockenperiode. Es fehlt der Niederschlag. John Hawley ist Winzer im Dry Creek Valley von Sonoma, auch diese Gegend war in den letzten vier Jahren mehrmals von gewaltigen Feuerstürmen bedroht. "Wir haben hier im Jahr etwa fünf, sechs Monate Wüstenklima, ideal für die Trauben, denn normalerweise haben wir auch etwa einen Meter Niederschlag im Jahr. Aber dieses Jahr waren es vielleicht mal 40 Zentimeter, also weniger als die Hälfte pro Jahr."

Rauchschwaden steigen während eines Waldbrands am Frenchman Lake im Plumas National Forest auf.

Rauchschwaden steigen während eines Waldbrands am Frenchman Lake im Plumas National Forest auf. © Noah Berger/AP/dpa

John Hawley lebt seit den späten 1970er Jahren hier. Er bemerkt, dass es immer heißer wird, in den Sommermonaten um bis zu fünf Grad. Und auch der Grundwasserspiegel sei inzwischen um bis zu zwei Meter gesunken. Es fehle der Regen, die Landwirtschaft laufe dennoch weiter. Sein Sohn Austin Hawley, der mittlerweile der "Chief Winemaker" geworden ist, ergänzt: "Ich kann mich nicht daran erinnern, dass einige der Weingüter, die uns mit Trauben beliefern, jemals ohne Wasser dastanden. Aber nun müssen sie alle im Spätsommer, also September und Oktober, Wasser mit Trucks rankarren, denn ihre Brunnen sind leer. Bislang hatten wir hier auf unserem Estate Glück. Aber das Wasser wird dreckig und da merkt man, es ist fast ausgeschöpft."

Klimawandel, sinkender Niederschlag, schlechte Forstwirtschaft

Die Hawleys haben ihr Weingut in den vergangenen Jahren nicht durch die zahlreichen Brände verloren. Allerdings kamen die Flammen im vergangenen Jahr so nahe, dass der intensive Rauch wochenlang über dem Dry Creek Valley stand. Die Ernte war vernichtet. Der Wein, sagt John Hawley, würde dann so schmecken, als ob man gerade eine Zigarette rauche: "
Wenn Du unten am Hügel westlich ins Dry Creek Valley fährst, gibt es kein Weingut, dass im letzten Jahr geerntet hat. Das ist verheerend und macht mich traurig, diese wunderschönen Trauben auf den Reben verkommen zu sehen."

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