Kolumne

Komischer Vogel: Was will der Storch auf meinem Dach?

20.8.2021, 09:00 Uhr
Zwischenlandung oder Nistplatzsuche? Störche wie dieser sind, zumindest von Laien, in ihren Absichten nicht leicht zu durchschauen. 

© Foto: Theresia Rupprecht; Grafik: Ralph Meidl; Montage: Sabine Schmid. Zwischenlandung oder Nistplatzsuche? Störche wie dieser sind, zumindest von Laien, in ihren Absichten nicht leicht zu durchschauen. 

Lieber Storch,

du wirst verstehen, dass ich ohne weitere Höflichkeitsfloskeln sofort zur Sache komme. Von wegen Meister Adebar oder Herr Weißstorch - du machst auf mein Dach!

Im ersten Moment haben wir uns noch gefreut, meine Familie und ich. Wow! Ein Storch, bei uns! Nicht auf einer Kirche, einem Schloss, einem Brauereischlot, sondern auf einem stinknormalen Häuschen, auch noch abseits eurer üblichen Fressgebiete. Was für ein ... Glück?

Eines Abends standest du plötzlich wie hingetackert auf unserem Schlot, und daneben, auf dem First, noch ein Freund von dir. Oder war's eine Freundin? Viel zu sagen hattet ihr euch jedenfalls nicht. Nach wenigen Augenblicken schwang sich der andere Besucher auf, flapp-flapp-flapp, dann war er wieder weg. Du aber bliebst, stolz, aufrecht, die Menschlein unter dir stoisch ignorierend.

Die Nachbarn hatten dich vor uns entdeckt. Man schaut ja in der Regel vom eigenen Garten nicht aufs eigene Dach. Seitdem haben die Zaungespräche ein beherrschendes Thema. Was tun, wenn du fest bei uns einziehst? "Doa wärsd schaua, wenn däi a Nesd baua. Des gibd a Sauerei. Ich hob amol von am Storch g'härd, där hod... " Herzlichen Dank für die apokalyptischen Aussichten.

Womit haben wir das verdient, du Vogel?! Spinnt etwa dein Navi? Wir wohnen doch nicht an der Aisch oder an der Altmühl, nicht an Feuchtwiesen mit langen Würmern und fetten Fröschen. Wir wohnen an der Bahn. Was genau hast du missverstanden, als ihr in der Storchenschule die "Zugvögel" besprochen habt? Einen Kinderwunsch musst du uns übrigens nicht mehr erfüllen. Und Storchenvater wollte ich auch nie werden.

Tagsüber treibst du dich rum, abends kommst du, nun ja, heim. Nachts klapperst du mit deinem Schnabel, dass einem die Ohren schlackern. Doch nicht nur deshalb schlafe ich gerade relativ schlecht. Mich plagt mein Gewissen. Früher hätte ich in der Fußgängerzone jeden Aufruf zur Rettung der Störche unterschrieben. Jetzt stelle ich mir vor wie dein Kot meine Ziegel durchätzt. Bin ich deswegen kein Naturfreund mehr?

Eine Nachbarin meint, selbst wenn du irgendwo in Afrika überwintern solltest, ist es gar nicht unwahrscheinlich, dass du im Frühjahr mit Frau wiederkommst, um hier ein Storchenschloss für die Ewigkeit zu errichten. Müssten wir dann darunter ausziehen, weil wir nicht heizen können?

Kannst du nicht wegsegeln und uns einfach vergessen? Vor allem, wo wir wohnen. In meiner Not habe ich schon gegoogelt, ob es eventuell demente Störche gibt. Das Internet spuckte jedoch nur aus, dass ein gewisser Johannes Storch etwas über Demenz geschrieben hat. Sehr hilfreich.

Eines sage ich dir: Wenn du dir kein anderes Dach suchst, keine andere Bleibe, dann..., ja dann, werde ich mich wohl an dich gewöhnen müssen, du komischer Vogel!

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