Live in Nürnberg
Konzert im Hirsch: Wie die norddeutsche Punkband Dritte Wahl über Bayern denkt
13.12.2022, 05:59 UhrAm Freitag, 16. Dezember 2022, treten die Punkrocker im Nürnberger Musikclub Hirsch auf (20 Uhr, Vogelweiherstraße 66). Vorab ein kleines Schwätzchen am Telefon mit Sänger und Gitarrist Gunnar Schroeder.
Ihr habt mit Dritte Wahl eine DDR-Vergangenheit, wenngleich keine lange.
Wir sind 1988 das erste Mal aufgetreten, ab da läuft unsere Zeitrechnung. Nächstes Jahr werden wir 35. Ach, das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen, wie das damals war. Erstmal konnte man nirgendwo Instrumente kaufen, Gitarrensaiten und sowas, das war ja alles knapp. Und dann durfte man ja eigentlich auch gar nicht spielen, dafür brauchte man eine Auftrittsgenehmigung vom Staat.
Hattet Ihr die?
Nö. Es gab Privatleute, die heimlich Konzerte gemacht haben, aber da wusste man auch nie, ob man nach dem Konzert nach Hause geht oder irgendwo mit einer Lampe im Gesicht sitzt und Fragen beantworten muss. Naja. Irgendwie war es auch eine spannende Zeit, aber wenn man heute so zurückdenkt, dann wirkt das ganz schön surreal, dass es so etwas hier mal gegeben hat. Das ist alles ganz weit weg.
War 1988, als ihr mit Dritte Wahl angefangen habt, schon zu spüren, dass sich das ganze System auflöst und die DDR an die Wand fährt?
Ich glaube schon. Deshalb haben wir auch nie richtig Stress gehabt mit der Stasi, weil die hatten damals ganz andere Sorgen als so ’ne kleine Punkband aus Rostock, die keine Sau kennt. Das fiel schon alles auseinander, war überall marode. Trotzdem konnte sich auch 1989 keiner vorstellen, dass wenig später die Grenzen offen sind und es die DDR nicht mehr gibt. Es war auch nicht abzusehen, dass das so schnell geht.
Als die Mauer fiel, war alles, was im Osten angesagt war, erst einmal für mindestens zehn Jahre total out. Die Menschen wollten endlich all das Westzeug haben, an das sie so lange nicht oder nur sehr schwer herangekommen sind. Hat Euch das auch getroffen?
Wir waren zu wenig Osten. Und eh erst im Kommen. Wir sind dann aber auch relativ schnell rüber in den Westen und haben überall gespielt, das war alles kein Problem. Aber klar, für die großen Bands wie die Puhdys, City und wie sie alle hießen, waren das echt schlimme Jahre. Das hat gedauert, bis sich die Leute an ihre alten Helden erinnert haben und daran, dass damals nicht alles schlecht war. Und dann ging das auch wieder bergauf für die.
War Punk in der DDR groß?
Punkrock war im Osten gar nicht so verbreitet und in Rostock schon gleich gar nicht. Die Stadt war am Arsch der Welt damals, keiner hatte ein Auto. Wenn man irgendwann mal nach Berlin gefahren ist, was ganz selten vorkam, dann war das wie eine andere Welt – wie wenn man vom Dorf in die große Stadt kommt. Wir waren alle Metaller, sind aufgewachsen mit AC/DC, Judas Priest, Iron Maiden, Accept und Motörhead. Eigentlich wollten wir auch sowas machen, aber dann habe ich im Radio zwei alte Lieder von den Toten Hosen gehört: „Willi muß ins Heim“ und „Reisefieber“. Daraufhin sind wir umgeschwenkt auf Punk.
Mit Euerer Band pflegt Ihr eine großes Liebe zum Format Kompaktkassette – und lebt diese Liebe richtig aus ...
Unser Debütalbum „Fasching in Bonn“ ist 2022 30 Jahre alt geworden, da gab es eine Jubiläumsausgabe als Kassette. Jetzt haben wir unsere neue Live-Platte als Tape aufgelegt – das Dreifach-Album als Dreifach-Kassette (lacht). Der Plan ist, jedes Mal, wenn ein Album von uns Geburtstag feiert, das als Jubiläumsedition auf Tape neu rauszubringen. Ist natürlich relativ teuer, aber halt so ein Hobbyding. (lacht) Ich hab’ neulich was gelesen von einer Metalband, die hat einen Livemitschnitt auf VHS veröffentlicht. Lustig Idee, sieht sicher geil aus.
Macht Ihr alles selbst?
Als Band sind wir total autark – bis aufs Booking. Da stößt man dann doch irgendwann an Grenzen, gerade was Festivals angeht. Deshalb haben wir seit zehn Jahren eine Agentur, die die Konzerte für uns bucht. Aber sonst machen wir alles komplett selbst.
Schon mal überlegt, was in Dialekt zu machen?
Haben wir doch schon: Von „Hoch im Norden“ gibt es eine Version auf Plattdeutsch. Den Text hat damals mein Vater übersetzt, der konnte das richtig gut. Aber der lebt nicht mehr, jetzt wird das schwierig. Plattdeutsch is’ ’ne tote Sprache, das spricht ja keiner mehr. Insoweit glaube ich nicht, dass wir das noch häufig wiederholen.
Du sprichst auch nach der Schrift, wie meine Oma immer zu sagen pflegte.
Genau. Rostock ist weitgehend dialektfrei. Aber ich mag das an Bayern: Bands wie Haindling, die in ihrer Sprache singen. Finde ich schön, dass es sowas gibt.
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