Bliss mischt mit
Neueröffnung in Nürnberg: Schreiner macht marodes Gemäuer zur stilvollen Bar – so entstand „Bliss“
17.02.2025, 05:00 Uhr
In der Adlerstraße – direkt gegenüber von Karstadt – führt eine unscheinbare Gasse nach unten in die Lorenz-Passage. Wer in das Stangengässchen einbiegt, taucht ein in eine Szenerie aus brutalistischem Beton und Graffiti. Doch noch bevor der Durchgang die Stadt verschluckt, leuchtet bald ein rotes Schild: "Bliss" – ein Versprechen auf feine, erschwingliche Drinks und eine gemütliche Atmosphäre.
Das bestätigt sich auch gleich im Innenbereich: Wo sich goldenes Licht in den hängenden Weingläsern spiegelt, liegt der Duft von einem frisch gemixten Whiskey Sour in der Luft. Mit chilliger Elektro-Musik ist das Getümmel der Stadt vergessen.
"Ich hatte immer den Traum von einem eigenen Laden"
Der Geschäftsführer Paul Axiomakarou sitzt lässig mit einem Kaffee am Tresen – ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen. Eigentlich ist das "Bliss" ja eine Bar und kein Café, doch die neue Kaffeemaschine war ihm eine Herzensangelegenheit.
Der gebürtige Nürnberger erzählt, dass er auch schon mit dem Gedanken gespielt hatte, woanders neu anzufangen. Doch letztlich war es die enge, vernetzte Gastro-Szene der Stadt, die ihn hielt. "Die Leute halten einen hier", sagt er – und genau deshalb hat er das "Bliss" in Nürnberg eröffnet.
Dabei führte sein Weg in die Gastronomie über eine ganz andere Leidenschaft: das Handwerk. Fünf Jahre lang betrieb er seine eigene Schreinerei in der Halle für Alle, bevor er sich entschied, seinen lang gehegten Traum zu verwirklichen. "Ich wollte schon immer meinen eigenen Laden", erzählt er.
Ein Schreiner mit Gastro-Skills
Den Traum vom eigenen Laden hat sich Paul nicht allein erfüllt – gemeinsam mit seinem Freund Leo Willer eröffnete er am 1. Februar das "Bliss". Zum Glück bringt Paul bereits Erfahrungen aus verschiedenen Nürnberger Bars mit – von der Vintage Bar über die Lange Kante bis zum Bistro West. "Ich habe mir aus jeder Gastro etwas abgeschaut", erzählt er.
Doch eine Bar komplett zu leiten, war für ihn Neuland. Genau deshalb ist Leo an seiner Seite – er kennt sich mit Zahlen aus und hält Paul im Hintergrund den Rücken frei. Am Wochenende steht er auch mit hinter der Theke. Paul selbst hat seine Schreinerkarriere zwar an den Nagel gehängt, doch sein Handwerk bleibt überall sichtbar: Tresen, Bar, Bänke – alles selbst gebaut. "Wir hätten uns das nicht leisten können, alles fremd zu beziehen", sagt er.
Vom maroden Gemäuer zur stilvollen Bar
Als Paul und Leo die Location – einst eine griechische Taverne – übernahmen, war schnell klar: Hier musste alles neu. "Es war echt ein desolater Zustand", erinnert sich Paul. Fettflecken an den Wänden, alte Kabel, zugespachtelte Wände, kaputte Fliesen – und die sanitären Anlagen? Lieber nicht darüber reden. Also schufteten die beiden von April bis August, unterstützt von "tausenden Freunden, die uns zum Glück geholfen haben".
Zwischendurch dann der Baustopp: Der Denkmalschutz wollte ganz genau wissen, was hier passiert. Statt nur zu modernisieren, entschieden sich Paul und Leo, die Geschichte des Gebäudes zu bewahren. "Wir sind eher wieder zum historischen Gemäuer zurückgegangen." Ein Kraftakt, ein Gemeinschaftsprojekt – und am Ende ein voller Erfolg.
Der Name entsprang übrigens einer "ellenlangen Liste" an Vorschlägen. "Ich finde, Wörter vermitteln auch immer einen Vibe", erklärt Paul. Ihm gefiel besonders, wie das Wort "Bliss" geschrieben aussieht und was es für eine Atmosphäre trägt.
Einen Ort schaffen, an dem sich alle wohlfühlen
Und was macht das "Bliss" so besonders? "Ich hatte in Nürnberg nie eine Bar, die mich wirklich abgeholt hat. Entweder war es zu abgehoben oder die Drinks waren nicht gut", erzählt Paul. Das "Bliss" soll das Beste aus beiden Welten vereinen: "Richtig gute Qualität, trotzdem entspannter Flair." Freitag- und Samstagabend legen befreundete Musiker gediegen Vinyl auf – um niemanden mit dem Lärm zu belästigen – irgendwas zwischen Neue Deutsche Welle und House.
Die gesamte Karte ist selbst kuratiert. Die Weine haben die Geschäftsführer gemeinsam mit Kollegen aus der Westbar ausgewählt, die Sirups werden von Paul selbst angesetzt – und die Kirschen für die Cocktails? Auch eigens eingelegt. Außerdem: "Alle Drinks sind vegan, weil wir veganes Eiweiß benutzen." Paul zeigt hinter der Bar, dass hier mit Liebe zum Detail gemixt wird.
Doch das "Bliss" ist mehr als nur eine Bar. "Gerade in so einer gespaltenen Gesellschaft ist es wichtig, einen Ort zu schaffen, an dem sich alle wohlfühlen." Herkunft, Alter, Background – all das soll laut Paul hier keine Rolle spielen.
Draußen sitzen, Essen und ein rotes Schild
Paul und das "Bliss"-Team haben noch viel vor. Der Außenbereich soll einladender werden, vielleicht mit gemütlicher Bestuhlung und kleinen Snacks wie Paninis. Auch kulinarische Kooperationen mit Restaurants stehen im Raum. "Es wird irgendwas geben, aber wie genau, wissen wir noch nicht", sagt Paul. Ein Plan steht jedoch fest: Ein großes, rotes Schild über der Überdachung zur Lorenz-Passage – ein unübersehbares Zeichen dafür, dass das "Bliss" hier angekommen ist.
Wer aus der Tür tritt und die Musik hinter sich lässt, steht wieder in der historischen Gasse – mit Blick auf den Platz, der sich für den Außenbereich noch gestalten lässt. Man sieht, wie viel Paul, Leo und ihre Freunde schon geschafft haben – doch einiges steht noch bevor. Die Geschichte von "Bliss" hat gerade erst begonnen.
Keine Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen