Kolumne
Neun Mitarbeiter im Ruhestand! Was haben Sie noch vor, Frau Merkel?
19.11.2021, 09:00 UhrLiebe Angela Merkel,
Sie sind der erste Mensch, dem ich hier schon zum zweiten Mal schreibe. Verdientermaßen, könnte man sagen. In aller Form, Frau Altbundeskanzlerin in spe: Ich bin enttäuscht!
Vorausschicken möchte ich, dass sich in der Pandemie phasenweise ganz neue Gefühle in mir regten, zum Beispiel Verständnis für Markus Söder (das ging aber schnell wieder weg). Ihnen gegenüber empfand ich sogar eine leidlich stabile Sympathie. Wie man halt jemand mögen kann, den man nur aus der Zeitung und der Tagesschau kennt.
Wenn Sie im Bekanntenkreis dafür kritisiert wurden, dass Sie uns trotz monarchisch anmutender Amtsdauer ziemlich viele Baustellen hinterlassen, habe ich entgegnet: Wenigstens ist die Angie bescheiden, anders als der Schröder. Die lässt sich sicher nicht von Gazprom oder sonst wem pampern. Nun bin ich mir da nicht mehr so sicher.
Wie, Frau Merkel, soll ich als Steuerzahler damit umgehen, dass Sie beim Bundestag, also sozusagen auch bei mir, neun Mitarbeiter beantragt haben? Für Ihren Ruhestand! Neun! Ich dachte, Sie sitzen künftig vor Ihre Datsche in der Uckermark, räsonieren über die physikalische Dichte von Pellkartoffeln und hören dabei Tannhäuser. Wollten Sie nicht "lesen, bis mir die Augen zufallen"? Selbst wenn das zu langweilig sein sollte: Wofür braucht eine Rentnerin so viele Helferlein? Legt Mutti etwa mit 67 erst richtig los?
Im Detail: Zwei Büroleiter (Grundgehalt jeweils 10400 Euro), zwei Referenten, drei Sachbearbeiter, zwei Fahrer. Ach ja, ihre monatlichen Altersbezüge hätte ich fast vergessen, rund 15000 Euro. Macht summa summarum zirka eine Million pro Jahr. Dafür, dass Sie weiter "im Bundesinteresse liegende Aufgaben wahrnehmen, die aus fortwirkenden amtlichen Pflichten resultieren". Geht's auch ein bisschen genauer? Ich dachte, Ihre Pflichten übernimmt Olaf Scholz. Was wirkt da fort? Brauchen Sie für ein paar Schirmherrschaften und Sondereinsätze als honorige Weltversteherin so eine Grundausstattung?
Bei allem Verständnis für den Phantomschmerz nach einer Machtamputation, der Bundesrechnungshof monierte bereits 2018, dass wir unseren Ex-Kanzlern und Ex-Bundespräsidenten etwas zu viel Reststatus garantieren. Künftig sollen "nur" noch fünf Mitarbeiter genehmigt werden. Doch diese Regel gilt erstmals für Scholz. Schröder soll anfangs mit sieben Sänftenträgern zufrieden gewesen sein, jetzt hat er wohl noch fünf. Ausgerechnet Sie langen jetzt noch mal richtig hin? Und sagen Sie bitte nicht, dass dafür zwei Stellen im Verteidigungsministerium wegfallen, ergo keine zusätzlichen Kosten entstünden. Niemand zwingt Sie, alles mitzunehmen, was geht.
Aber falls Sie irgendwann wegen Burnout in der Rente noch einen zehnten Mitarbeiter brauchen -, ich würde gern Ihre Reden schreiben. Mein Lieblingsthema, Frau Merkel, hat neuerdings auch Ihre Partei wieder auf dem Schirm: soziale Gerechtigkeit.
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