Interview
Rollendebüt: Bassbariton Jochen Kupfer wird zum Frauenschänder
7.6.2021, 17:40 UhrHerr Kupfer, inwiefern ist Herzog Blaubart in Bartóks Oper eine stimmliche und darstellerische Herausforderung für Sie?
Stimmlich und darstellerisch passt die Partie des Herzog Blaubart ganz ausgezeichnet für mich, weil ich meine Stimme und meine musikalischen und szenischen Erfahrungen auf ganz vielfältige Weise einbringen kann.
Durch den Wechsel zwischen ausdrucksstarkem Parlando und großen "stimmausladenden", manchmal fast monumentalen Phrasen kann ich mit der ganzen dynamischen Spannbreite vom fast geflüsterten Piano-Ton zum großen Fortissimo spielen.
Die eigentliche Herausforderung war die Beschäftigung mit dem Ungarischen, das mir bisher komplett unbekannt war. Mit Hilfe einer Kollegin als Sprachcoach habe ich mich schnell mit der Sprache und den Gesetzmäßigkeiten der ungarischen Aussprache angefreundet. Ich empfinde es als große Bereicherung, Bartóks großartiges Werk in der Originalsprache singen zu können.
Wie legt Regisseurin Ilaria Lanzino die Figur dieses, um ihn mal so zu nennen, „Frauenverzehrers“ an?
Das Geniale an der Figur des Blaubart ist, dass wir es so angelegt haben, dass er ein ganz normaler Typ ist, quasi von nebenan. Es geht um die häusliche Gewalt in der Ehe. Er möchte lieben und geliebt werden, bricht aber immer wieder in cholerische und frauenverachtende gewalttätige Momente aus. Er demütigt seine Frau, um im nächsten Moment wie selbstverständlich Zärtlichkeiten einzufordern. Dabei kommen mir meine Erfahrungen vom Wozzeck und anderen gespaltenen Opern-Charakteren zugute.
Was empfinden Sie, nach den langen Monaten des Lockdowns wieder auf der Bühne zu stehen?
Es wird höchste Zeit, dass wir wieder vor Publikum auftreten können. Als Künstler, die wir Bühne und Podium als Lebensbiotop, als Daseinsort empfinden, sind wir regelrecht entwöhnt und es ist schon eine aufregende Sache, nach so langer Zeit wieder auf der Bühne zu stehen.
Ehrentitel Kammersänger: Jochen Kupfer ausgezeichnet
Glücklicherweise hatte ich vor drei Wochen schon die Möglichkeit, vor großem Publikum im Auditorio Nacional de Música in Madrid zu singen, alle Mitwirkenden in Proben und Konzerten mit Maske. Der tobende Applaus war wie ein lang ersehnter warmer Regen. Spanien ermöglicht unter strengsten Auflagen Oper und Konzert ja bereits seit langem.
Wegen der Pandemie musste auch Ihr Antrittskonzert als neuer Professor für Gesang an der Würzburger Musikhochschule mehrfach verschoben werden. Nun soll er am 2. Juli stattfinden. Mit welchen Liedern werden Sie sich bei diesem Liederabend präsentieren?
Natürlich wird Hans Sommer im Zentrum stehen. Gerade sind wir bei der Vorbereitung der dritten CD unserer "Hans Sommer Lied Edition", die in Zusammenarbeit mit BR Klassik bei Naxos erscheint. Diese Lieder von Hans Sommer stellen wir in den Kontext zum Großmeister des Liedes Franz Schubert und Richard Strauss, einem engen Freund von Hans Sommer.
Und was wollen Sie Ihren zukünftigen Gesangsstudentinnen und Gesangsstudenten in erster Linie vermitteln?
Zwei Dinge sind heute wichtig für Studierende, die später erfolgreich auf der Opernbühne und auf dem Konzertpodium stehen wollen. Zum einen ist dies eine solide und fundierte Gesangstechnik, um ein Sängerleben lang gesund und flexibel singen zu können.
Jochen Kupfer szenischer Liederabend: Wanderung durch das Leben
Zum anderen muss man die Studierenden möglichst früh auf den harten Sängerberuf vorbereiten. Gerade in der heutigen Zeit werden Anfänger im Opernengagement so schlecht bezahlt, dass sie sich von Anfang an möglichst breit aufstellen müssen, um von ihrer Kunst existieren zu können.
Auf CD widmen Sie sich derzeit dem gesamten Liedschaffen von Hans Sommer. Eine CD dieser Edition ist bereits erschienen, zwei weitere sollen folgen. Warum hat es Ihnen ausgerechnet dieser Liedkomponist so angetan, wieso setzen Sie sich gleich mit seinem gesamten Lied-Oeuvre auseinander?
Die Lieder Hans Sommers sind ein Schatz, den wir möglichst umfangreich heben wollen und der unbedingt einem breiten Publikum vorgestellt werden sollte. Sommers Lieder sind mit ihrer komplexen Harmonik und ihrer oft ganz eigenen emotionalen Tonsprache eine große Bereicherung für das deutsche Liedschaffen.
Die Reaktionen und Kritiken auf die erste CD der "Hans Sommer Lied Edition" sind so positiv und überwältigend, dass wir uns in unserem Vorhaben mehr als bestätigt fühlen.
Zur Person:
Seit dem Jahr 2005 ist der Bassbariton Jochen Kupfer eine feste Größe im Nürnberger Opernensemble. Der beliebte Sänger hat u. a. den Titelpartien von "Don Giovanni" und "Eugen Onegin" seinen Stempel aufgedrückt und feierte Erfolge als Graf Almaviva ("Le Nozze di Figaro"), Wolfram ("Tannhäuser"), Beckmesser ("Die Meistersinger von Nürnberg"), Mandryka ("Arabella"), Besenbinder ("Hänsel und Gretel"), Orest ("Elektra"), Kurwenal ("Tristan und Isolde") oder Gunther (Götterdämmerung). Neben seiner sängerischen Heimat in Nürnberg pflegt Jochen Kupfer eine internationale Karriere an vielen bedeutenden Opernbühnen der Welt. Auch als Lied-Interpret und mit seinen Konzerten hat er sich einen herausragenden internationalen Ruf erworben und gibt weltweit Gastspiele. Zahlreiche Einspielungen dokumentieren sein Schaffen, u. a. die CD mit Schuberts "Winterreise" und die DVD mit "Die Meistersinger von Nürnberg".
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