"Zentrum für Politische Schönheit" eröffnet die Liminale in Nürnberg

4.4.2019, 21:20 Uhr
Erstmal lernte man sich in einer Fragerunde kennen, später wurden Zettel beschriftet und an die Wand gehängt und es wurde ein bisschen meditiert.

© ZPS / Patryk Witt Erstmal lernte man sich in einer Fragerunde kennen, später wurden Zettel beschriftet und an die Wand gehängt und es wurde ein bisschen meditiert.

Mal sehen also, was dieses umstrittene Künstlerkollektiv namens Zentrum für Politische Schönheit so liefert. Schließlich tritt die Gruppe an, Gleichgültigkeit zu durchbrechen: "Grundüberzeugung ist, dass die Lehren des Holocaust durch die Wiederholung politischer Teilnahmslosigkeit, Flüchtlingsabwehr und Feigheit annulliert werden und dass Deutschland aus der Geschichte nicht nur lernen, sondern auch handeln muss", so die Selbstbeschreibung des ZPS.

Erreichen wollen das die Aktivisten um "Chefunterhändler" Philipp Ruch (in Nürnberg nicht dabei) mit "der Waffe der Menschlichkeit" — und mit Provokationen wie der Errichtung eines Holocaust-Mahnmals im Nachbarsgarten des thüringischen AfD-Fraktionschefs Björn Höcke. Gleichzeitig behaupteten sie – war natürlich geblufft —, den Politiker rund um die Uhr zu überwachen. Was offenbar dazu führte, dass die thüringische Staatsanwaltschaft seit 16 Monaten gegen Ruch ermittelt — wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung.

Fragerunde und Meditation

"Ihr kommt heute in den exklusiven Genuss, den Abend mit Kriminellen zu verbringen", trompeten zwei weibliche ZPS-Mitglieder zu Beginn des dreistündigen Abends dann auch durch ihre Megafone. Eine "Bedienungsanleitung für die Revolution" wolle man den Nürnbergern an die Hand geben, erklärt wenig später ein Herr, der sich mit dem Namen Pascal Wümmer vorstellt. Der entpuppt sich als Lebenshilfe-Coach. Und das scheint nicht mal ironisch gemeint zu sein.

Denn flugs findet man sich in einem Seminar wieder. Erstmal lernt man sich in einer Fragerunde kennen, später werden Zettel beschriftet und an die Wand gehängt und es wird ein bisschen meditiert. Inhaltlich am Eindrucksvollsten geraten die Beiträge der vom ZPS geladenen Impulsgeber. Der Nürnberger 68er-Aktivist Horst W. Blome, mittlerweile 81, ist dabei, ebenso die Gründerin des ersten Nürnberger Kinderladens Ingrid Schadinger.

Rechtsextreme sind perfekt vernetzt

Eingeteilt in gleich große Grüppchen geht das Publikum, das längst zum Akteur geworden ist, bei den Impulsgebern in die Lehre: Wie geht das mit dem Aufstand, dem Widerstand, dem Haltung zeigen, dem ins Handeln kommen? Der Revolution steht also eigentlich nichts mehr im Wege! Nur, dass Umsturz halt nicht am Reißbrett entsteht. Allerdings: Wie man sich vernetzt und organisiert, beherrschen die Rechtsextremen doch längst perfekt, wird höchste Zeit, dass die gute Seite der Macht da nachzieht.

In diesem Sinne geht’s zum Abschluss rein in die Busse und raus zum Reichsparteitagsgelände. Auf der dortigen Steintribüne haben Rechte bekanntlich kürzlich einen Fackelmarsch abgehalten. Mit dabei: Ein CSU-Mitglied, das hinterher zu Protokoll gab, dass es ja nicht so viel Aufmerksamkeit bringe, "wenn man es mit Knicklichtern macht". 200 Menschen mit ebensolchen Knicklichtern und dem Transparent mit dem Schriftzug "Nie wieder" beweisen an diesem Abend das Gegenteil.

Was bleibt? Die Erkenntnis, dass sich das ZPS tatsächlich ernsthaft mit Nürnberg und seiner Geschichte auseinandergesetzt hat. Und eine ernsthafte Mission hat. Damit der Aufruhr in Nürnberg nicht gleich wieder verpufft, hat sich eine Revolutionsmanagerin bereiterklärt, ein Jahr lang alle notwendigen Schritte einzuleiten, um "eine partizipative, demokratische Revolution zu starten, die sich gegen Rassismus und Ausgrenzung einsetzt." Na dann: Auf geht's!

Die "Liminale" läuft noch bis 6. April, www.liminale.de

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