Tommy Haas und Klaus Karl-Kraus
Fünf Geschichten aus 25 Jahren ATP-Challenger-Turnier in Eckental
6.11.2021, 06:00 UhrKeiner kennt den ATP-Challenger in Eckental besser als Markus Giegold, der Initiator und langjährige Turnierdirektor. Wenn er sich zurückerinnert, kann es also schon einmal rührig werden. Für uns erzählt er von seinen Top-Fünf-Momenten aus 25 Jahren Turnier-Geschichte.
Finale ohne Finalist
Der Anruf kam am Sonntagmorgen. Natürlich ging Markus Giegold ran. Wenn der Supervisor, die Turnier-Oberaufsicht, wenige Stunden vor dem Finale durchklingelt, herrscht höchste Alarmbereitschaft. Doch was diesmal kommt, hat selbst der erfahrene Turnierdirektor noch nie erlebt. "Ich dachte, ich falle vom Glauben ab", erinnert sich Giegold. Wenige Stunden vor dem Finale hatte sich ein Endspiel-Teilnehmer krank abgemeldet.
Roko Karanusic lag mit einem Magen-Darm-Infekt flach. Die Halle aber war ausverkauft, 1000 Zuschauer wollten ein Finale sehen. Es brauchte einen neuen Gegner, zumindest für ein Show-Match. Giegold rief also verzweifelt ein paar Profis an. Doch die sind, kaum irgendwo ausgeschieden, längst wieder unterwegs. Am Ende fand er doch noch einen, der Zeit und das Niveau für dieses Spiel hatte: Andreas Tattermusch, "ein Junge aus Eckental", den Giegold damals selbst gecoachte.
"Er dachte, ich veräppele ihn, als ich sagte, er müsse jetzt auf dem Center Court spielen", sagt Giegold. Tattermusch war hier nie über die Qualifikation hinausgekommen, jetzt stand er plötzlich im Finale, frenetisch angefeuert von den Zuschauern. "Eine tolle Stimmung", sagt Giegold. "Andi hat sich sehr gut geschlagen." Der Pokal aber ging an Denis Gremelmayr. Der einzige Eckental-Sieger, der schon vor dem Finale wusste, dass er gewinnen würde.
Der Wimbledon-Sieger kommt
Der allererste Sieg in der Eckentaler ATP-Challenger-Geschichte ging 1997 an Rainer Schüttler. Seither gehört das Turnier im Landkreis Erlangen-Höchstadt zur Profi-Kategorie, und seit jeher lockt es deutsche Spitzenspieler an. Philipp Petzschner kam kurz nach seinen beiden Grand-Slam-Siegen im Doppel ins House of Sports. "Der hätte alles andere machen können, doch unsere Verbindung war all die Jahre sehr gut. Als er hier gespielt hat, war das sehr emotional", sagt Giegold. Normalerweise verlassen die Spieler die Challenger-Tour, "wenn sie groß werden", und nehmen an höherklassigeren Turnieren teil.
Petzschner aber kehrte nach Eckental zurück, "weil er die Atmosphäre schätzt", sagt Giegold. Auch nach seinen Erfolgen in Wimbledon und bei den US Open habe sich der Profi nicht verändert: "Er war der gleiche Bayreuther Junge und kam unbeschwert auf die Anlage, hat mit den Leuten Mittag gegessen und sich nicht abgesondert", erinnert sich Giegold. Gewonnen hat Petzschner das Turnier damals übrigens nicht. Dafür aber in vier anderen Jahren - damit ist der heute 37-Jährige der erfolgreichste Doppel-Spieler in Eckental.
Grüße von Tommy Haas
Wichtig waren den Veranstaltern aber nicht nur ein stark besetztes Starterfeld. "Das Turnier war immer verbunden mit einem gesellschaftlichen und sozialen Engagement", sagt Giegold. Im Jahr 2000 gründete er auf Basis des Turnier den Verein "Kinder für Kinder" - und nutzte seine Kontakte für diverse Spendenaktionen. "Ich hatte Tommy Haas, damals einer der besten Spieler der Welt, in München getroffen und gebeten, unser Titelgemälde zu signieren", erinnert sich Giegold. Haas war sofort dabei. In Eckental versteigerte Giegold das Bild für einen vierstelligen Betrag, ganz klassisch in der Tennishalle. Online-Portale für Spendenaktionen gab es damals noch nicht.
Ein anderes Mal haben die Turnierhelfer 1000 Luftballons steigen lassen, an denen Postkarten mit Sprüchen gegen Intoleranz und Ausländerfeindlichkeit standen. "Beim Turnier sind mehr als 20 Nationen vor Ort", sagt Giegold, der damals ein Zeichen setzen wollte. Das war sehr gut angekommen, meint er, dennoch gab es anschließend Ärger: "Wir hatten die Aktion nicht beim Flughafen angemeldet, deshalb gab es einen mahnenden Anruf."
Spaß mit KKK
Die Veranstaltung sei immer "mehr als eine Sportveranstaltung" gewesen. So hatte Giegold oft Kultur-Events ins Programm integriert. Einmal war Kabarettist Klaus Karl-Kraus zu Gast im House of Sports. "Er trug ein geteiltes Fußballtrikot von 1. FC Nürnberg und Spielvereinigung Greuther Fürth und trat auf dem Center Court auf", erinnert sich Giegold. Bernd Regenauer war ebenfalls ein willkommener Gast, zuletzt erst im Jahr 2018. "Er ist selbst ein begeisterten Hobby-Tennisspieler, also wollte er unbedingt auch einmal auf dem Center Court ein paar Bälle schlagen".
Angekommen im ATP-Zirkus
Eine ganz besondere Auszeichnung gab es für das Tennisturnier im Jahr 2002. Damals wählten Spieler und Offizielle die Veranstaltung unter die Top 15 der weltweit 140 Turniere umfassende Challenger-Tour. Dafür gab es zwar kein Geld, aber Anerkennung von der ATP. Und das nach all der Anfangszeit, in der viele Markus Giegold für seine Idee, ein Hallenturnier in Eckental veranstalten zu wollen, belächelt hatten. Nach dieser Auszeichnung fühlte sich Eckental endlich angekommen im ATP-Zirkus.
"Dadurch gab es mehr Aufmerksamkeit, auch von den Sponsoren. Und bei der ATP hatten wir einen Stein im Brett", sagt Giegold. Die Spielervereinigung Association of Tennis Professionals (ATP) erteilte den Eckentalern sogar immer wieder eine Ausnahmegenehmigung für den veralteten, grünen Teppichboden. Die Spieler schätzen das Turnier seit vielen Jahren, besonders für die medizinische Abteilung, die Arbeit der Physiotherapeuten und des Ärzte-Teams. Die ist bitter nötig: "Wenn die Spieler Ende des Jahres zu uns kommen, müssen wir sie erst wieder zusammenkleben", sagt Giegold.
Auch heute, nach 25 Jahren, spürt er die Anerkennung der ATP. Anfang der Woche war ein Vertreter der Spielervereinigung zu Besuch. "Das hat uns maximal motiviert", sagt Giegold. Zwar gibt es in Deutschland immer weniger Hallenturniere, weltweit aber "boomt es", andere Nationen würden versuchen, den "Tennis-Zirkus der Challenger-Tour zu sich zu holen", mit viel größeren finanziellen Möglichkeiten. "Wir können nicht mit Geld punkten, nur mit Professionalität, Herzlichkeit und Atmosphäre." Ein Satz, den Markus Giegold so schon vor 25 Jahren hätte sagen können.
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