Doppeltes Spiel bei der Kulturhauptstadt-Bewerbung?

21.12.2017, 05:55 Uhr

Wer Kulturhauptstadt 2025 werden will, braucht eine langfristige Kulturstrategie - und bei deren Erarbeitung Fachwissen von außen. Eine Tätigkeit, auf die Patrick Föhl mit seiner Berliner Firma "Netzwerk Kulturberatung" seit Jahren spezialisiert ist. Sowohl Kassel als auch Nürnberg hatten diese Dienstleistung zeitgleich ausgeschrieben. Föhl ist seit Sommer 2017 hier wie dort tätig. "Beide Städte hatten kein Problem damit", sagt Föhl.

"Es gibt Berater wie Sand am Meer, aber für diese Aufgabe braucht es besonderes Wissen", sagt Nürnbergs Kulturreferentin Julia Lehner. Dass Föhl auch in Kassel tätig sei, habe man nie als Problem gesehen. "Er schreibt uns nicht die Bewerbung. Das machen wir selber."


Kommentar: Beratungspraxis ist nicht unüblich


Nein, sagt auch Föhl über seinen Doppel-Job, "es gibt keinen Konflikt". Was er anbiete, sei eine Methodik und kein Konzept. Konkret hat der Kulturberater in den vergangenen sechs Monaten diverse Befragungen, Diskussionen und Workshops geleitet, um eine fundierte Analyse von Nürnberger Stärken und Schwächen herauszuarbeiten.

Ganz ähnlich läuft es in Kassel: "Wir arbeiten vor Ort mit den Akteuren das Spezifische heraus und kommen nicht mit fertigen Konzepten, die wir auf alle Städte übertragen", sagt Föhl und erklärt: "Sie müssen sich die beiden Städte wie einen Suppentopf vorstellen mit ganz spezifischen Zutaten. Wir bieten die Suppenkelle an, mit der man den Inhalt abschöpfen kann."

Zweifel an einer sauberen Trennung

Philipp Zerweck von der Initiative "Pro Nürnberg Kulturhauptstadt 2025" hat dennoch - auch mit Blick auf die Untersuchungsmethodik - Zweifel, dass die beiden Analysen sauber getrennt werden können. "Es besteht die Gefahr, dass die eigenen Vorstellungen der Berater in dem Prozess zu sehr dominieren", sagt er.

Bis zum Sommer 2018 erarbeitet Föhl die Strategie für Kassel. Den Verantwortlichen in Nürnberg stellt er schon in diesen Tagen den Abschlussbericht vor, der Ende Januar im Stadtrat diskutiert wird. "Wir haben damit den Boden bereitet, jetzt kommt der kuratorische Teil. Das ist die nächste Stufe. Damit haben wir nichts zu tun", betont Föhl und meint damit konkrete Projekte, die auf Basis seines Papiers für die Nürnberger Bewerbung entwickelt werden.

Zu wenige Diskussionen über Kulturpolitik

Den Vorwurf, er könnte Internas weitergeben, lässt Föhl nicht gelten. "Wir arbeiten in beiden Städten völlig transparent. Alles, was wir tun, ist spätestens nach einer Woche nachzulesen." Über den großen Workshop, der kürzlich mit rund 200 Teilnehmern in Nürnberg stattfand, steht ein mehr als 40-seitiges Protokoll online. Es listet Schwachpunkte der Nürnberger Kulturlandschaft und erste Vorschläge für Maßnahmen auf. Kritisiert wird etwa, dass es zu wenige kulturpolitische Diskussionen im Stadtrat und der Öffentlichkeit gibt. Es mangele an richtungsweisenden Konzepten und klaren Schwerpunktsetzungen. Nürnberg habe wenig internationale Strahlkraft, zu wenige Räume für junge Kulturschaffende. Es fehle der Mut für Experimente. Insgesamt werde die Stadt als sehr traditionell und an der Hochkultur orientiert gesehen.

Statt solcher Ist-Beschreibungen wünscht sich Zerweck für den Schlussbericht mehr Visionäres und die Analyse großer Trends. "Die Stadt muss genau hinschauen, ob das, was rauskommt, für sie taugt", sagt er.

"Vielleicht" meint er im Namen seiner "NUE2025"-Intitiative, "sagen wir ja auch 'wow', wenn wir ihn gelesen haben". So recht glauben mag er nicht daran. Am 25. Januar ist Zerweck mit Kollegen auf Einladung der Linken zu Gast in Kassel. Ihr Thema: Bürgerbeteiligung für eine "Kulturhauptstadt von unten" - mit Beispielen aus Nürnberg.

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