Fast schon ein Thriller: So packend war der Wiener "Tatort"
13.1.2019, 21:45 UhrDer österreichische "Tatort" besitzt einen ganz eigenen Charme. Zum einen liegt das am erfrischenden Ton, den die beiden herausragenden und perfekt miteinander harmonierenden Hauptdarsteller vor der Kamera anschlagen. Zum anderen an den stets so facettenreichen Geschichten, die in den Episoden erzählt werden.
Als ziemlich originell erweist sich auch wieder der neue Krimi aus Österreichs Hauptstadt, der streng genommen zu einem Großteil gar nicht in Wien, sondern am Wolfgangsee spielt. Darin gelingt es dem Grazer Regisseur Thomas Roth, eine frei erfundene Handlung mit einem reellen Ereignis aus der Kriminalgeschichte seines Heimatlandes zusammenzubringen.
Damit schlägt "Wahre Lügen" im Gegensatz zum überaus heiteren Vorgänger ernstere Töne an. Schon nach wenigen Minuten mutiert Roths Produktion zu einem brisanten Polit-Thriller, in dem Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) alles Können aufbieten und sogar internen Widerstand aus dem Weg räumen müssen, um das berühmte Licht ins Dunkel zu bringen.
Mord vor pittoresker Kulisse
Der Film nimmt seinen Anfang, als auf dem Grund des Wolfgangsees die Leiche einer jungen Frau in ihrem versenkten Auto entdeckt wird. Da Eisner und Fellner in ihrer Funktion als Sonderermittler im ganzen Land auf Streife gehen, werden sie in das pittoreske, etwa drei Autostunden von Wien entfernt gelegene, Salzkammergut gebeten, um sich der Sache anzunehmen.
Die Tote im Wasser erweist sich als deutsche Staatsbürgerin, die durch einen Schuss aus nächster Nähe gestorben ist. "Die war sofort tot. Des is', wie wenn Du einen Stecker rausziehst", weiß Gerichtsmediziner Kreindl. In ihrem Jubiläumseinsatz – Eisner ermittelt seit 20 Jahren, Fellner ist das 20. Mal dabei – können die Fahnder außerdem zutage fördern, dass Sylvie Wolter als Enthüllungsjournalistin arbeitete und bis kurz vor ihrem Tod an einer Story über illegale Waffentransaktionen recherchierte.
Wer hat die Journalistin aus dem Weg geräumt?
Hans-Werner Kirchweger (Peter Matic), ein Informant der Reporterin, klärt die Fahnder über die Arbeit der Redakteurin auf und stößt sie auf einen reellen Fall aus Österreichs Kriminalgeschichte, dem bis heute nicht einwandfrei geklärten Tod des ehemaligen Verteidigungsministers Lütgendorf, der Anfang der 1980er Jahre angeblich Selbstmord beging.
Bis heute halten sich nämlich Gerüchte, dass der Politiker, der 1977 wegen mutmaßlicher illegaler Deals mit der Waffenindustrie von seinem Amt zurückgetreten war, bei einem Jagdausflug ermordet wurde. Kirchweger beteurt, dass Wolters aktuelle Recherchen und letztendlich auch ihr Tod in direktem Zusammenhang mit eben diesem Fall stünden. Sie habe da in ein Wespennest gestochen.
Als wenig später die Generaldirektorin für Innere Sichterheit im Präsidium vorstellig wird und Druck auf die Kommissare ausübt, bemerken Eisner und Fellner, dass an Kirchwegers zunächst mysteriös anmutenden Behauptungen etwas dran sein muss. Denn offenbar haben höchste Stellen kein sonderlich großes Interesse daran, dass alter Staub aufgewirbelt wird. Die Sache beginnt, heikel zu werden und irgendwie auch zum Himmel zu stinken. Doch die Fahnder lassen nicht locker. Sie stellen weitere Ermittlungen an, die zu noch mehr Widerstand in den eigenen Reihen führen.
Ernste Kommissare
Die Idee, ein reales Ereignis mit einem fiktiven Kriminalfall zu verbinden, verleiht dem neuen Wiener "Tatort" viel Frische und Authentizität. Der hohe Bezug zur Wirklichkeit hat allerdings seinen Preis. Denn aufgrund des ernsten Themas finden in dieser Produktion so gut wie keine latenten Frotzeleien zwischen den Kommissaren statt.
Ganz im Gegenteil, beide Figuren wirken überaus ernst. Fellner scheint gar ein wenig zu wanken. Sie fragt sich unter anderem "warum sie immer das Unglück der Anderen anzieht". So kocht auch die Alkoholsucht der Polizistin wieder hoch. Das allgemein sehr dialogreiche Drehbuch hält viele tiefe Gespräche zwischen den Fahndern bereit. Sie geben dem Film zusätzliches Gewicht.
Einzig und allein die Auflösung des Mordes an der Journalistin geht in Roths Arbeit dann doch einen Tick zu einfach, zu lapidar vonstatten. Somit bekommt der Zuschauer kein fulminantes Finale serviert, sondern eher ein klassisches. Aber womöglich war das aufgrund dieser Thematik gar nicht anders realisierbar. Das ist jedoch der einzige Makel in einer weiteren sehr facettenreichen österreichischen "Tatort"-Geschichte mit diesem so perfekt miteinander harmonierenden Ermittler-Team.
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