Martti Mäkkelä: Raue Folksongs mit Wut im Bauch
1.4.2021, 17:20 UhrTradition und Wut, das passt gut zusammen, wenn man von Folkmusik spricht. Waren es doch stets die Lieder der einfachen Leute, welche die Wut über die Verhältnisse, über Diskriminierung, Armut, Chancenungleichheit und Klassendünkel mit oft ungehobelter Direktheit in die populäre Musik trugen.
Das ging schon los mit den Spirituals der Afroamerikaner, setzte sich mit Bluessängern wie Leadbelly, Big Bill Broonzy oder Odetta fort und führte über Woody Guthries staubige Arbeiterlieder schließlich zu den frühen Protestsongs von Bob Dylan – bei dem sich die von verbiesterten (meist weißen, studentischen) Gralswächtern gehütete Folktradition schließlich in elektrisch befeuerten Surrealismus auflöste.
Wenn der finnische Fürther Martti Mäkkelä, seines Zeichens Sänger, Gitarrist, Songwriter, Labelinhaber und Mitglied des Kollektivs "Folk's Worst Nightmare", nun mit "Trad & Anger" sein erstes (fast) traditionelles Folk-Album herausbringt – "eher unabsichtlich", wie er selbst sagt – dann forciert er freilich etwas, was bei ihm schon immer vorhanden war: die Verbundenheit mit Folk, Blues, Country und der großen Singer-Songwriter-Tradition auf der einen und die Wut auf die Verhältnisse auf der anderen Seite.
Pandemisch bedingtes Berufsverbot
Grund zur Wut hat Mäkkelä genügend, ist er als fahrender Sänger, der in normalen Zeiten beständig durch Europa und darüber hinaus tourt, doch besonders vom pandemisch bedingten Berufsverbot betroffen.
Kultur und Corona: Mäkkelä ist sauer
Zudem musste er noch einen vollkommen unsinnigen juristischen Kampf wegen angeblichem Subventionsbetrug bestreiten, ein Vorwurf, der jetzt zum Glück endgültig fallengelassen wurde.
Trotzdem ist "Trad & Anger" keine reine Corona-Platte. Lediglich drei der sieben Songs stammen aus Mäkkeläs Feder: "For God & Country" ist ein klassischer Anti-Kriegs-Song mit einer drängenden Gitarren-Begleitung, erzählt aus der Sicht eines traumatisierten amerikanischen Afghanistan-Kämpfers, "Clowns" eine wütende Tirade gegen all die unzurechnungsfähigen, autokratischen Machthaber dieser Welt.
"If the flu ain't gonna kill you" ist schließlich der Song zum Kampf mit den Behörden. Ein semi-akustischer Rocksong mit so bitteren Zeilen wie diesen: "Of course we want you to keep going / they say you are an institution / an invaluable contribution / but sadly we're a bit short of funding / and there's more important wheels we have to grease" (Natürlich wollen wir, dass Sie weitermachen / Man sagt Sie seien eine Institution, ein unschätzbarer Beitrag / doch traurigerweise sind unsere Mittel begrenzt / und es gibt wichtigere Räder, die wir schmieren müssen).
Die anderen Songs sind entweder Traditionals wie das einleitende Spiritual "Wayfaring Stranger" und der zeitlos schöne Folkklassiker "Lilly Of The West" oder stammen aus der Feder eher unbekannter Autoren, wie Harry Robertsons Werftarbeiter-Hymne "Ship Repairing Men" oder das perfekt zu Mäkkeläs Situation passende "They're keeping a file on me" von der australischen Songwriterin und Öko-Aktivistin Mithra Cox.
Livehaftigstes Album
Die meisten Tracks singt Mäkkelä mit gewohnt raspeliger, expressiver Stimme alleine zu akustischer Gitarre und/oder irischer Bouzouki, nur gelegentlich kommt dezente Unterstützung von Gästen wie Brickwater (Backgroundgesang), Pavel Cingl (Violine), Jonas Hauselt (Schlagzeug) und Robert Stefan (Piano, Bassklarinette und Akkordeon).
Geschliffen und poliert klang bisher noch keine Mäkkelä-Veröffentlichung, doch die karge Instrumentierung und sehr direkte Produktion machen "Trad & Anger" zu seinem vermutlich "livehaftigsten" Album, das seinen Soloauftritten am nächsten kommt.
Schön in Paketpapier verpackt, mit echter Briefmarke beklebt (!), überzeugt die CD auch durch ihr liebevolles Artwork. Zu beziehen ist sie ausschließlich über www.maekkelae.com.
1 Kommentar
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen