"Tatort" aus Bremen: Auf Van Helsings Spuren

28.10.2018, 21:45 Uhr
Die massiven Verletzungen am Hals der Toten stellen die Bremer Hauptkommissare Inga Lürsen (Sabine Postel) und Stedefreund (Oliver Mommsen) vor ein besonderes Rätsel. Die Obduktion soll klären, ob das Opfer an den Folgen starker Bissverletzungen gestorben ist.

© Radio Bremen/Christine Schröder Die massiven Verletzungen am Hals der Toten stellen die Bremer Hauptkommissare Inga Lürsen (Sabine Postel) und Stedefreund (Oliver Mommsen) vor ein besonderes Rätsel. Die Obduktion soll klären, ob das Opfer an den Folgen starker Bissverletzungen gestorben ist.

Knapp sieben Monate ist es her, dass sich ein leise erzählter Bremer Fall auf eine zutiefst aufrichtige Weise dem Thema Pflege näherte. Die phasenweise an eine Dokumentation erinnernde Produktion deckte Missstände in der Branche auf und rückte Menschen vor die Linse, die jeden Tag aufs Neue ans absolute Limit gehen.

Somit war "Im toten Winkel" zwar kein spannender, aber ein sehr berührender Thriller mit einem aufgrund der Materie sichtlich mitgenommenen Ermittler-Duo, das schon bald sein Holster an den Nagel hängen wird. Nils Stedefreund (Oliver Mommsen) und Inga Lürsen (Sabine Postel) scheiden bekanntlich im kommenden Jahr auf eigenen Wunsch aus der Reihe aus.

Bizarre Tat stellt Ermittler vor Rätsel

Bis es soweit ist, bekommen es die beiden in "Blut" - einem abermals von Philip Koch inszenierten "Tatort" aus der Hansestadt - nicht nur mit einem völlig anderen Fall zu tun, sondern darüber hinaus mit ausgesprochen mysteriösen Dingen. Alles beginnt mit einem bestialischen Mord an einer jungen Frau, auf den sich die Kommissare keinerlei Reim machen können.

Diese Tote im Park verstarb durch mehrere massive Bisse in ihren Hals, wobei dem Opfer ganze Fetzen von Haut und Muskelgewebe herausgerissen und mehrere Liter Blut ausgesaugt wurden. Der erste Gedanke, dass möglicherweise ein wildes Tier die tödlichen Verletzungen verursacht haben könnte, und es sich demzufolge um einen schrecklichen Unfall handelt, ist rasch vom Tisch.

Denn bei der Obduktion der Leiche stellt ein konsternierter Rechtsmediziner fest, der bis dato glaubte, in seiner Laufbahn bereits alles gesehen zu haben, dass nur ein Mensch für diese bizarre Tat, die an einen Vampir-Mord erinnert, in Frage kommt, da die zahntechnische Untersuchung der Verletzung eindeutig sei.

Bremens Fahnder stehen vor einem echten Rätsel. Haben sie es mit einem Blutsauger zu tun? Befinden sie sich etwa auf Van Helsings Spuren, dem Vampirjäger aus Bram Stokers "Dracula"? Die bodenständige Lürsen winkt ab. Sie versucht, sich weiterhin auf die reine Faktenlage zu konzentrieren und betont, man suche nach "einem Mensch aus Fleisch und Blut". So behält sie in diesem Fall schließlich den Überblick.

Ganz im Gegensatz zu Stedefreund, der nun Bücher über Vampirismus verschlingt. Außerdem leidet er plötzlich an Alpträumen, die das Publikum hautnah miterlebt. Stede beginnt darüber hinaus, das Sonnenlicht zu meiden, und verspürt eine seltsame Verbundenheit mit diesem Geschöpf, das er und Lürsen jagen, und dem er schon bald Auge in Auge gegenübersteht.

Nur auf den ersten Blick ein Gruselfilm

Nach "Fürchte Dich" präsentiert Das Erste mit "Blut" also einen zweiten Grusel-"Tatort" kurz vor Halloween. Während der Vorläufer auf das Erklären mysteriöser Dinge verzichtete und sich stattdessen voll darauf konzentrierte, ein Horrorfilm sein zu wollen - und dadurch hin und wieder etwas grotesk erschien - legt "Blut" hinsichtlich Spannung, Logik und Ernsthaftigkeit eine Schippe drauf.

Denn Philip Kochs Film ist nur auf den ersten Blick ein Gruselfilm, der mit Schockmomenten spielt, Szenen in Dunkelheit bereithält und in dem Fiktion und Wirklichkeit miteinander verschwimmen. Tief im Kern ist "Blut" vor allem ein fesselnder Krimi, der etwas durch und durch Unerklärliches am Ende dann doch erklärbar macht. Ein Thriller, der keinem üblichen Rhythmus folgt und demzufolge wenig Gemeinsamkeiten mit einem "Whodunit" aufweist.

Koch bricht Themen wie Vampirismus auf eine zutiefst menschlich-emotionale Facette herunter. Er nimmt den Zuschauer bei der Hand und lädt ihn dazu ein, gemeinsam mit ihm in die tiefsten Kammern unserer Seele hinabzusteigen, um dort die in uns schlummernden Urängste zu wecken.

Mit einem Score, der laut anschwellt, wenn es darum geht, Unheilvolles anzukündigen, langsamen Kamerafahrten, die die Gefahr, in der sich die Protagonisten befinden, potenzieren, sowie engen Einstellungen, die die Angst in den Gesichtern der Figuren noch deutlicher zum Vorschein bringen, schmückt Koch die Erzählung über eine geheimnisvolle, verzweifelte Person, die "die Dunkelheit kaputtgemacht hat" und von Lilith Hagenberg beeindruckend dargestellt wird, weiter aus, und sorgt so letzten Endes dafür, dass das Gesehene in "Blut" noch lange im Gedächtnis haften bleibt.

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