Verhilft Corona dem Homeoffice zum Durchbruch?
14.1.2021, 15:01 UhrVor der Pandemie begegnete man sich jeden Tag auf dem Flur, nun ist der Kollege aus der Sportredaktion gefühlt schon seit März vergangenen Jahres nicht mehr gesehen worden. Er arbeitet von zuhause, an seinem Schreibtisch in der Redaktion erinnert nur noch ein Foto an ihn. Vielleicht trägt er inzwischen Bart. Wir wissen es nicht.
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Keine Frage, Corona hat unsere „Arbeitsverhältnisse“ verändert. Während vor der Pandemie viele Führungskräfte, aber auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegenüber Homeoffice und mobilem Arbeiten skeptisch waren, hat das Virus unternehmenskulturelle und arbeitsstrukturelle Barrieren gleichsam über Nacht eingerissen. Angesichts von social distancing wandelte sich das Homeoffice von geduldet zu erwünscht. Inzwischen wird es sogar steuerlich gefördert.
Und in Lockdown-Zeiten sind Unternehmen ganz offiziell aufgerufen, ihrer Belegschaft die „Heimarbeit“ zu ermöglichen. Nach der Pandemie wird sich dieser Trend sicher nicht umkehren lassen.
Interview mit Erlanger Arbeitspsychologin: Wie bestehe ich im Homeoffice?
Denn auch abgesehen von Corona und Infektionsgefahr liegen die Vorteile auf der Hand. Wer normalerweise zum Arbeitsplatz pendeln muss, ist glücklich über die Lebenszeit, die er nicht im Stau, im Zug oder im Flugzeug verbringen muss. Auch der globalen Umwelt wird Gutes zuteil, wenn der arbeitende Mensch seine Mobilität und damit den CO2-Ausstoß einschränkt. Kinder freuen sich im besten Fall über die Flexibilität und physische Dauer-Präsenz von Papa und Mama, selbst wenn die sich ins Arbeitszimmer verkrümeln.
Eine Führungskraft aus dem Verwandtenkreis macht in gemeinsamen Online-Konferenzen die Erfahrung, dass – durch die Einhaltung von Kommunikationsspielregeln – auch zurückhaltende Kolleginnen und Kollegen mit ihren Vorschlägen und Ansichten zu Wort kommen.
Mehr Vertrauen
Als weitere Chance des Homeoffice bezeichnet der Teamleiter das „Empowerment“, also die Bereitschaft von Führungskräften und Spezialisten, Mitarbeitern und Kollegen Vertrauen entgegenzubringen und sie zu selbstständigem Handeln, Entscheiden und Kommunizieren zu befähigen. Und auch sein Sohn spüre als Bauzeichner-Azubi, dass die Hierarchien in der Video-Schalte noch flacher gespielt werden.
Das Homeoffice spaltet die Arbeitswelt
Der Langzeitheimarbeiter aus der Sportredaktion ist nach einer ersten Gewöhnungs- und Strukturierungsphase glücklich mit seiner Situation. Er kann ins kleine Büro seiner Frau ausweichen, wenn ihm in der Wohnung die Decke auf den Kopf fällt. Zudem schätzt er die Möglichkeit zur besseren Zeiteinteilung, er nutzt die Pausen vielfältiger, kann ruhiger arbeiten – vorausgesetzt, seine kleine Tochter darf in den Kinderladen. „Und vor den Spätdiensten, die in der Sportredaktion oft anfallen, kann ich mit der Familie abendessen“, sagt er. Für ihn kann das nach der Pandemie so weitergehen.
Weniger Begeisterung kann Kasper Rorsted, Chef des Herzogenauracher Sportartikelherstellers Adidas, für den boomenden Trend aufbringen. „Ich halte nichts vom ständigen Arbeiten zu Hause. Für mich ist das Arbeiten eine soziale Sache, bei uns ist das Teamsport“, sagte er im vergangenen Dezember in einem Interview in der Welt am Sonntag. Wenn alle immer von zu Hause aus arbeiten, entstehe keine Gemeinschaft. Für ihn sei nicht die Frage, ob Arbeiten von zu Hause aus möglich ist, sondern, „ob dieses Modell menschlich sinnvoll ist“.
Digitalisierung als Entlastung
Laut einer im vergangenen Sommer veröffentlichten Sonderanalyse zum DAK-Gesundheitsreport wollen drei Viertel derjenigen, die während der Corona-Krise erstmals regelmäßig im Homeoffice sind, auch nach der Pandemie – zumindest teilweise – daheim arbeiten. Die Anzahl derjenigen, die die Digitalisierung als Entlastung wahrnehmen, sei während der Krise um 39 Prozent gestiegen. Das tägliche Stress-Erleben ist um 29 Prozent zurückgegangen. Grundlage für die Studie waren laut DAK zwei repräsentative Befragungen von jeweils über 7000 Erwerbstätigen vor und während der Pandemie.
Nürnberger Gespräche: Die Tücken des Homeoffice
Doch nicht immer ist im Homeoffice alles rosig. Mitarbeiter könnten sich als Einzelkämpfer wahrnehmen, warnt der Arbeitspsychologe Hannes Zacher von der Uni Leipzig, der im Rahmen einer Langzeitstudie auch zur Akzeptanz von Homeoffice und virtueller Teamarbeit forscht.
Datenschützer: Homeoffice bildet neues Risiko
Die Identifikation mit dem Team oder Arbeitgeber könne verloren gehen, was sich negativ auf die Motivation auswirke, erklärte er in einem Talk zum Thema. „Die Forschung“, weiß der Experte, „empfiehlt hybrides Arbeiten mit maximal zwei Tagen im Homeoffice“.