"Eine Art Gott-Modus"

Wie im "Tatort": Dieser Nürnberger kann seine Träume steuern

6.11.2021, 06:00 Uhr
Lucas Krieg (36) ist Maler, Bildhauer und Grafiker. Er hat in Nürnberg das "Traumstudio" gegründet. Dort leitet er Menschen beim Klarträumen an. Er hält am Bildungszentrum Nürnberg regelmäßig Vorträge und Kurse zum Thema.

© privat Lucas Krieg (36) ist Maler, Bildhauer und Grafiker. Er hat in Nürnberg das "Traumstudio" gegründet. Dort leitet er Menschen beim Klarträumen an. Er hält am Bildungszentrum Nürnberg regelmäßig Vorträge und Kurse zum Thema.

Herr Krieg, was genau sind Klarträume?

Lucas Krieg: Träume, in denen jemand weiß, dass er träumt und die Träume im besten Fall beeinflussen kann. Luzide Träume ist eine andere Bezeichnung dafür.

Im neuen Tatort ermitteln Batic (Miroslav Nemec, links) und Leitmayr (Udo Wachtveitl) in der Welt der klassischen Musik, aber auch der luziden Träume – ein Thema, zu dem der Nürnberger Lucas Krieg Auskunft geben kann.

Im neuen Tatort ermitteln Batic (Miroslav Nemec, links) und Leitmayr (Udo Wachtveitl) in der Welt der klassischen Musik, aber auch der luziden Träume – ein Thema, zu dem der Nürnberger Lucas Krieg Auskunft geben kann. © BR/NEUESUPER GmbH/Hendrik Heiden

Was ist der Vorteil von luziden Träumen?

Krieg: Man kann gezielt nach Inspiration und Ideen suchen. Albträume lassen sich abstellen. Man kann den Traum aber auch nutzen, um Bewegungsabläufe – zum Beispiel im Sport – zu verbessern. Dazu gibt es zahlreiche Studien. In einem Klartraum kann ich aber auch allerhand Quatsch machen und Dinge, die großen Spaß machen, Fliegen zum Beispiel. Ich bin in einer Art Gott-Modus ohne soziale oder physische Konsequenzen. Das ist schön.

Sie erwähnen Studien. Ist das Feld der Klarträume eine ernst zu nehmende Wissenschaft?

Krieg: Ja, selbstverständlich, allerdings eine sehr unbekannte. Luzides Träumen ist Gegenstand von Forschungen aller Art – unter anderem in der Sportwissenschaft, auch in der Psychologie. Es wird in Schlaflaboren erforscht und hält mittlerweile auch Einzug in die Psychotherapie.

Sie selbst haben schon mit fünf Jahren festgestellt, dass sie luzide Träume haben. Damals haben Sie Monster durch ein Freundschaftsangebot aus ihren Träumen vertrieben. Wie haben Sie ihre Fähigkeit perfektioniert?

Krieg: Ja, ich hatte damals meinen ersten luziden Traum, ohne zu wissen, was das ist. Ich habe ihn genutzt, um den Alptraum gut enden zu lassen. Das war sehr prägend. Ich habe dann 21 Jahre damit verbracht, zu hoffen, dass luzide Träume bald wiederkommen, weil ich sie als sehr angenehm empfunden habe. Erst mit 26 aber habe ich erstmals ein Buch zu dem Thema in die Hand bekommen und erfahren, dass man luzides Träumen perfektionieren kann. Das war der Startschuss für mich. Ich hatte dann in einem Jahr ungefähr 100 solcher Träume und alles mögliche ausprobiert. Wenn ich es schleifen lasse und nichts dafür tue, werden meine luziden Träume aber auch wieder weniger.

Kann jeder zum Klarträumer werden oder braucht es ein bestimmtes Talent?

Krieg: Ich denke, es kann fast jeder. Wer es lernen möchte und Disziplin hat, dürfte nach ein paar Tagen oder Wochen Erfolg haben.

Wie trainiert man das Klarträumen?

Krieg: Es gibt zahlreiche Techniken. Eine ist zum Beispiel, dass ich länger schlafe als normalerweise. Denn alle 90 Minuten durchlaufen wir eine sogenannte REM-Phase. Luzide Träume passieren zu 95 Prozent in dieser Schlafphase. Je länger ich also schlafe, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein luzider Traum passiert. Außerdem dauern diese Phasen auch länger, je länger ich schlafe. Man sollte auch ein Traumtagebuch führen und sich gleich nach dem Aufwachen Notizen machen. So kommt man auf den Charakter seiner Träume und wiederkehrende Inhalte.

Das Training läuft also weitgehend im Bett?

Krieg: Nein, eine Übung, die vielleicht am verrücktesten klingt, ist der Reality-Check. Das ist eine Bewusstseinsübung, die ich tagsüber durchführe. Es geht darum, zu reflektieren, ob ich gerade wach bin oder träume. Wenn ich mir diese ständige Reflexion tagsüber zur Gewohnheit mache, dann hält das irgendwann in die Traumwelt Einzug. Ich beginne dann im Traum zu reflektieren und zu erkennen, dass ich träume.

Im "Tatort" nutzen Orchestermitglieder das Klarträumen für ihren Beruf. Kennen Sie dieses Einsatzgebiet auch?

Krieg: Ja, ich habe schon davon gehört, dass sich Musiker in ihren luziden Träumen inspirieren lassen, also zum Beispiel eine Traumfigur fragen, ob sie ihnen ein Lied vorsingen könnte.

Im "Tatort" verschwimmt den Protagonisten die Grenze zwischen Realität und Traum. Kann Klarträumen gefährlich sein?

Krieg: Mir persönlich ist kein Fall bekannt, wo es zu unangenehmen Nachwirkungen kam. Ich glaube, Klarträumen führt nicht dazu, dass man Traum und Realität nicht mehr auseinanderhalten kann. Im Gegenteil: Die Selbstverortung in den beiden Bewusstseinszuständen wird deutlicher und man kann besser unterscheiden, was wach und was geträumt ist.

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