Unverkennbare Garderobe

Woher der Kostüm-Designer von Abba seine Ideen hat

9.1.2022, 17:55 Uhr
Owe Sandström, der Kostüm-Designer der schwedischen Erfolgsband ABBA.

© imago images/TT, NNZ Owe Sandström, der Kostüm-Designer der schwedischen Erfolgsband ABBA.

Herr Sandström, im März 1972 nahmen ABBA als Gruppe ihre erste Single „People Need Love“ auf. Ab wann waren Sie ihr Kostümdesigner?

Owe Sandström: Ab 1973. In dem Jahr traten sie mit „Ring Ring“ erfolglos bei der schwedischen Vorentscheidung des Eurovision Song Contest an. Meine Kostüme sind auch in dem Filmclip zu dem Lied zu sehen. Das war noch vor der Gruppe ABBA, denn zu dem Zeitpunkt waren Björn Ulvaeus, Benny Andersson, Anni-Frid Lyngstad und Agneta Fältskog lediglich vier junge Freunde, die zusammen sangen und tanzten. Niemand von uns hätte sich vorstellen können, dass sie einmal als ABBA so erfolgreich werden würden. Völlig verrückt!

ABBA digital: Björn Ulvaeus, Agnetha Fältskog, Benny Andersson und Anni-Frid Lyngstad (von links), die Mitglieder der schwedischen Popgruppe Abba im virtuellen Format.

ABBA digital: Björn Ulvaeus, Agnetha Fältskog, Benny Andersson und Anni-Frid Lyngstad (von links), die Mitglieder der schwedischen Popgruppe Abba im virtuellen Format. © picture alliance/dpa/PA Media, NNZ

Wollten Sie für ABBA von Anfang an Kleidung entwerfen, die etwas speziell Schwedisches hatte?

Nein, nein, nein. Wissen Sie, ich bin auch Professor der Wissenschaft. Ich habe von 1963 bis 1970 an der Universität Pflanzenkunde, Chemie und Meeresbiologie studiert. Ich unterrichte seitdem junge Menschen, die Veterinäre werden wollen, und arbeite mit Wildtieren. Zu den ABBA-Kostümen habe ich mich unter anderem durch die Natur und den Zirkus mit seinen fantastischen Outfits, Epauletten und Kristallen inspirieren lassen. Bis zu meinem 22. Lebensjahr war ich in Spanien auf Flamenco-Schulen, weil ich eigentlich Tänzer werden wollte. Am Ende entschied ich mich für die Wissenschaft, aber meine Freundin ist Profitänzerin geworden.

Benny Andersson, Annafrid Lyngstad, Agnetha Fältskog und Björn Ulvaeus (von links) beim Grand Prix d'Eurovision de la Chanson in Brighton 1974. Mit "Waterloo" belegten sie damals den ersten Platz. 

Benny Andersson, Annafrid Lyngstad, Agnetha Fältskog und Björn Ulvaeus (von links) beim Grand Prix d'Eurovision de la Chanson in Brighton 1974. Mit "Waterloo" belegten sie damals den ersten Platz.  © dpa, NNZ

Sie sind aber erst dank ABBA Vollzeit-Modedesigner geworden?

Vollzeit-Designer? Immer wenn ABBA und all die anderen schwedischen Künstler auf Tour gehen wollten, bin ich ganz früh aufgestanden und habe in meinem Mode-Studio neue Entwürfe gemacht. Anschließend bin ich in die Schule gegangen, um bis 16, 17 Uhr zu unterrichten. Dann habe ich mich mit meinem Schneider und den anderen Mitarbeitern getroffen, um zu besprechen, welche von den Entwürfen wir in die Tat umsetzen. Nachdem sie gegangen waren, war ich bis nach Mitternacht mit Dingen wie Befestigen, Ordnen und Besorgen des Materials beschäftigt. So ging es immer weiter. Sobald ABBA von einer Tour zurückgekehrt waren, schmiedeten wir neue Pläne.

Warum kamen Sie als ABBAs Modedesigner nie zur Ruhe?

Weil ich nie zu ihnen gesagt habe: „Du kannst dieses Kostüm anziehen. Es ist fertig.“ Sondern es wurde immer im Kollektiv über alles diskutiert. Zum Beispiel sollte „The Girl With The Golden Hair“ Teil der Australien-Show sein: Björn und Benny wollten ein Mini-Musical ausprobieren über ein schwedisches Show-Mädchen, das nur eine Marionette ihrer Manager ist. Und genau so sollten die beiden Sängerinnen auch aussehen: durch und durch golden. Wir haben dann so lange verschiedene Tanzkostüme ausprobiert, bis wir sowohl elegante als auch bequeme gefunden hatten. Man konnte ABBA einfach nichts Fertiges präsentieren.

Wie erinnern Sie die erste ABBA-Show Ihres Lebens?

Ich weiß nicht mehr, wo es war, aber ich stand da mit offenem Mund und dachte: „Mein Gott, habe ich dieses verrückte Zeug wirklich alles selber entworfen?“ Ich wusste in dem Moment nicht, ob ich mich freuen oder schämen sollte! (lacht) ABBA waren zu der Zeit in Schweden nicht besonders beliebt. Aber ich persönlich war von Anfang an fasziniert und verblüfft. Ich habe ja immer an meine Arbeit geglaubt.

Würden Sie sagen, dass Ihre Outfits einen Teil des Massenerfolges von ABBA ausmachten?

Ja. Ein britischer Journalist sagte einmal: „ABBA, das ist zuerst die Musik. Die Texte. Und dann die Looks“. Hören Sie sich mit geschlossenen Augen ihre Musik an, dann werden Sie vor Ihrem geistigen Auge unweigerlich diese Katzen sehen, diese Streifen, die weißen Outfits.

Hatten die Songs von ABBA später einen Einfluss auf Ihre Entwürfe?

Auf jeden Fall. Als sie 1976 den Song „Money, Money, Money Must Be Funny In A Rich Man’s World” machten, ruft mich ihr Produzent Stig Anderson an: „Du musst Kostüme entwerfen, die uns daran erinnern, wann Geld wichtig war oder ist“. Da sagte ich: „Du bist verrückt, Geld ist immer wichtig!“ Ich habe mich dann von den Roaring Thirties in den USA mit all den Gangstern, den Schießereien, dem Charleston, den reichen und armen Leuten zu komplett schwarz-weißen Kostümen inspirieren lassen. So viele Gedanken hinter allem und jedem!

Ihre Mode hat nicht nur ABBA, sondern die 1970er Jahre insgesamt geprägt. Woran machen Sie das persönlich fest?

Madonna ließ sich zu ihrem Song „Hung Up“ von ABBAs „Gimme! Gimme! Gimme! (A Man After Midnight)“ inspirieren – und wollte etwas Optisches haben, das dazu passt. Also bat sie den französischen Modemacher Jean-Paul Gaultier, mich zu fragen, ob er mein blau-weiß gestreiftes Kostüm komplett kopieren dürfe. Ein paar Jahre später traf ich Gaultier persönlich und musste feststellen, dass er eine ganze Kollektion produziert hatte, die bis ins Detail von meinen ABBA-Designs inspiriert war. Er schlug vor, dass wir zusammenarbeiten. Aber ich hatte zu der Zeit unheimlich viel als Lehrer und mit meinen Tieren zu tun.

Wurden Sie von ABBA denn gut bezahlt?

Ich bin nicht autorisiert, darüber zu sprechen. Wir haben alle beschlossen, nie über Geld zu reden bzw. zu diskutieren. Auch nicht über Privates oder unser Sexualleben.

Und wie haben ABBA in den 1970ern ihre Erfolge gefeiert? Wie damals üblich mit Champagner und Kokain?

Nein, nein, nein! Natürlich haben wir damals gut gegessen und getrunken, aber es gab bei ABBA weder Exzesse noch Skandale. Nie und nimmer! Ich bin mit ihnen aber nie auf Tour gewesen, weil ich zuhause alle Hände voll zu tun hatte.

Lösten Ihre Kostüme nach „Waterloo“ eine Modewelle aus?

Ja, überall. Man sah sie auf Bildern oder auf T-Shirts. Für ABBA habe ich ungefähr 100 Kostüme entworfen, auch für deren Chor und Orchester. Einige sogar doppelt. Gelegentlich habe ich auch Kleidung für mich selbst gemacht, die ich dann auf verrückten Partys trug. Da wurde viel zu Discomusik getanzt. Und es gab ungewöhnliche Performances.

Was war Ihr Alleinstellungsmerkmal als ABBAs Kostümdesigner?

Die Kombination von Verspieltheit, Eleganz und Unerwartetem. Ich wollte grenzenlose Kostüme entwerfen, die die Welt noch nicht gesehen hat. Zirkus, Narreteien und Glamrock auf eine schöne Art und Weise präsentiert.

Welches ist die zentrale Botschaft von ABBA?

Glück! Genieße dein Leben und sei freundlich, solange du kannst. Hör dir die Musik an. Geh rein, tanz raus – wie wir im ABBA-Museum sagen. Und genieße die Outfits! Natürlich kannst du auch ein bisschen Traurigkeit empfinden, aber so ist das Leben.

Die ABBAmania „Super Trouper“-Tour macht am 26. März 2022 Station in der Arena in Nürnberg.

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