Historischer Rückblick
Nicht nur in Zirndorf: Als Impfgegnern das Gefängnis drohte
17.11.2021, 15:30 UhrSeit dem Jahre 1807 galt in Bayern die Pflicht zur Pockenimpfung. Schon vorher war die Bevölkerung im Königreich Bayern dazu aufgerufen worden, sich freiwillig gegen eine der schlimmsten Krankheiten impfen zu lassen.
Dem folgten aber nicht genügend Untertanen. König Max. I. Joseph ordnete deshalb an, dass alle über Dreijährigen, die noch nie Pocken hatten, bis zum 1. Juli 1808 geimpft sein müssen. Für Neugeborene galt das, bevor sie ihr drittes Lebensjahr erreichten.
Versäumten oder verweigerten das die Eltern, hatten sie mit einer Strafe von einem bis zu acht Gulden zu rechnen. Das war für viele Leute ein Monatslohn. Wurden die Kinder auch in den folgenden Jahren nicht geimpft, stieg die Strafe bis auf 32 Gulden. Wenn ein ungeimpftes Kind an Pocken erkrankte, konnte der Vater zusätzlich einige Tage im Gefängnis landen.
Bis zum Jahr 1874 wurde die Impfpflicht auf das gesamte Deutsche Reich ausgedehnt. Die Impfgegner wurden immer aktiver. Sie erfanden grauenhafte Geschichten. Auch in Zirndorf kursierten Zeichnungen von Kindern mit Tierköpfen und anderen Anomalitäten.
Inzwischen war die "Schutzpocken-Impfung" bereits für das erste Lebensjahr vorgeschrieben. Die Behörden organisierten den Impfarzt, die Gemeinden kümmerten sich um Räume. Der Arzt ritzte den Oberarm und träufelte einige Tropfen Sekret darauf. Den Eltern wurde bei einer Weigerung in den 1890er Jahren eine Geldstrafe zwischen 20 und 50 Mark oder Haft bis zu drei Tagen angedroht.
Den Termin für die "öffentliche Impfung" gab die Verwaltung der Marktgemeinde Zirndorf durch Aushang und Veröffentlichung in der Allgemeinen Rundschau bekannt. Eine Woche später fand die Nachschau statt.
Dabei wurde geprüft, ob die Impfung erfolgreich war. Kritiker bezeichneten die Verwendung einer Lanzette als "Brutalimpfung". Es bildeten sich am Oberarm Impfpusteln. Bei unsauberem Besteck und unreinem Serum kam es zu Erkrankungen.
Im Jahre 1894 wurden in Zirndorf 151 Kinder mit Erfolg geimpft, wie die Lokalzeitung meldete. Die Verwaltung musste dem Impfarzt dafür 120,80 Mark bezahlen. Wer nicht an der kostenlosen öffentlichen Impfung teilnehmen wollte, konnte sich auch von einem Mediziner impfen lassen. Die Zirndorfer Ärzte Dr. Fick und Dr. Lax gaben die Termine dieser "Privatimpfungen" in der Zeitung bekannt. In den 1920er Jahren baten die Ärzte Dr. Haussleiter, Dr. Purpus und Dr. Scharff um Voranmeldung. Der Impfschutz hielt nicht ewig, nach etwa zehn bis zwölf Jahren war eine Auffrischung nötig.
Im Laufe der Zeit standen auch Mittel gegen andere Krankheiten zur Verfügung. Es dauerte aber lange, bis sie in großem Stil angewendet werden konnten. Häufig grassierten Masern und Diphtherie. Auch die Tuberkulose verbreitete sich. Immer wieder wurde vor der Tollwut gewarnt.
Die Nordbayerische Zeitung meldete im Februar 1925, dass bei einem Zirndorfer Kind wegen Tollwutverdachts die Schutzimpfung ärztlich angeordnet wurde. Der 13-Jährige war von einem Hund gebissen worden.
Weil die Eltern manchmal nicht ausreichend auf Sauberkeit achteten, wies der Bürgermeister darauf, hin, dass "Erst- und Wiederimpflinge behufs Verhütung von Wundkrankheiten zur Impfung mit reingewaschenem Körper und mit reiner Wäsche zu erscheinen" haben.
In den 1930er Jahren wurde neben der Pockenimpfung eine kombinierte Diphtherie- und Scharlach-Schutzimpfung eingeführt. Die Einwohner des Stadtgebiets kamen dafür in die Krankenwartstation. In den umliegenden Gemeinden fand die Impfung in den Gaststätten statt. Die große Impfaktion gegen spinale Kinderlähmung begann im Jahre 1962.
Die Fränkische Tagespost gab bekannt, dass die Schluckimpfung im Mädchenschulhaus an der Mühlstraße stattfindet. Verabreicht wurde der Wirkstoff mit einem Stück Würfelzucker. Viele Leute erinnern sich noch an den Slogan: "Schluckimpfung ist süß, Kinderlähmung ist grausam".