Krimi-Klassiker
„Das fehlende Glied in der Kette“: Das Debüt zweier Legenden
08.03.2025, 11:00 Uhr
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Hercule Poirot ist neben Miss Marple die bekannteste Ermittlerfigur der legendären Krimiautorin Agatha Christie. In den letzten Jahren wurde der belgische Ermittler von Kenneth Branagh zurück auf die Kinoleinwände gebracht, seit 2017 erschienen drei Neuverfilmungen. Aber was war eigentlich Poirots erster Fall?
Tatsächlich war der erste Krimi um Hercule Poirot, im Originaltitel "The Mysterious Affair at Styles", auch der Debütroman von Agatha Christie. Als Grundlage für ihren ersten Kriminalroman und ihre gesamte Karriere als Schriftstellerin gilt eine Wette, die Agatha Christie mit ihrer älteren Schwester Madge eingegangen war. Diese war sich sicher, dass Agatha niemals einen Detektivroman schreiben würde. Bekanntlich hat die jüngere Schwester die Wette gewonnen. Zum Glück, sonst gäbe es einige, mittlerweile legendäre Krimis heute nicht.
"Das fehlende Glied in der Kette": Hercule Poirots erster Fall
Lieutenant Arthur Hastings fühlt sich etwas verloren in seinem Leben. Nach einer Verletzung wurde er aus dem Krieg wieder nach Hause nach England geschickt, wo er nichts so recht mit sich anzufangen weiß. Da fällt die Entscheidung nicht schwer, als ihn sein Freund John Cavendish einlädt, gemeinsam mit ihm und seiner Frau etwas Zeit auf einem Landgut zu verbringen.
Das Landgut Styles hatte seine Stiefmutter geerbt. Emily Inglethorp, mittlerweile 70 Jahre alt, hat kurz zuvor den viel jüngeren Alfred Inglethorp geheiratet. Das kam bei der weiteren Familie nicht gerade gut an. Denn nicht genug, dass sie das neue Familienmitglied persönlich nicht leiden können, halten sie ihn auch für einen Erbschleicher.
Generell wohnen einige Personen auf Styles. Neben Emily und Arthur Inglethorp lebt dort auch der bereits erwähnte John Cavendish mit seiner Frau Mary, außerdem sein Bruder Lawrence, seinerseits ein eher erfolgloser Poet und Schriftsteller. Hinzukommen die Krankenschwester und Tochter verstorbener Freunde von Emily Inglethorp, Cynthia Murdoch, die Hausdame Evelyn Howard und das Hausmädchen Dorcas. Und seit Kurzem auch Lieutenant Arthur Hastings.

Dieser ist nun in dieses seltsame Familiengefüge geraten, in dem alle irgendwie abhängig sind vom Erbe des längst verstorbenen Vaters John und Lawrence Cavendishs.
Hercule Poirot wohnt unterdessen mit sieben weiteren Belgiern in einem Cottage im nahe gelegenen Dorf. Sie leben dort als Flüchtlinge, nachdem sie wegen des Ersten Weltkrieges ihre Heimat verlassen mussten. Freundlicherweise finanziert von Emily Inglethorp. Hastings und Poirot treffen im Dorf zufällig aufeinander, es ist ein freudiges Wiedersehen alter Freunde.
Die Handlung nimmt Fahrt auf, als Emily Inglethorp eines Nachts an schweren Krämpfen leidet. Nachdem es die Familie endlich geschafft hat, durch die verschlossene Zimmertür zu ihr zu gelangen, kann sie nur noch den Namen ihres Mannes flüstern, bevor sie stirbt. Die schnell eintreffenden Ärzte stellen sogleich die Todesursache fest: Emily Inglethorp wurde mit Strychnin vergiftet.
Arthur erinnert sich sogleich, dass sein Freund Hercule Poirot in der Nähe ist und über unglaubliche detektivische Fähigkeiten verfügt. Und so nimmt Hercule Poirots erster Fall seinen Anfang. Wird Poirot den Täter identifizieren können? Oder noch wichtiger: Schaffen wir es beim Lesen sogar noch schneller als das Detektiv-Genie?
"Das fehlende Glied in der Kette": Der Grundstein für ein ganzes Krimi-Sub-Genre
Agatha Christies Debütroman verwendet gleich zwei mittlerweile klassische Elemente von Kriminalromanen. Zum einen das Locked-Room-Prinzip. Dabei ist das Opfer zum Tatzeitpunkt allein in einem Raum eingesperrt. Die Tat wirkt augenscheinlich unmöglich, denn ein Täter hätte den Raum weder betreten noch verlassen können. Dieses Element wurde auch schon vor Agatha Christie benutzt, beispielsweise in Arthur Conan Doyles "Das gesprenkelte Band" in dem Sherlock Holmes eine junge Frau beschützt, indem er den Tod ihrer Schwester aufklärt. Auch Hercule Poirot steht immer wieder vor derartigen Rätseln, sei es nun Emily Inglethorp auf Styles oder Samuel Ratchett alias Mr. Cassetti im Orient Express.

Agatha Christie wird für das zweite besondere Krimielement sogar als Begründerin gehandelt. Abgesehen von Hercule Poirot und seinem Freund und Gehilfen kommen alle anderen Figuren der Erzählung als Täterin oder Täter infrage, aber auch nur diese Figuren. Dieser geschlossene Kreis an verdächtigen Personen macht einen besonderen Reiz von Agatha Christies Krimis aus. Denn auf diese Weise können wir als Leserinnen und Leser von Anfang mitfiebern und mitraten und möglicherweise sogar vor dem genialen Detektiv auf die Lösung des Falles kommen.
Dieses Prinzip des geschlossenen Verdächtigenkreises taucht bei Agatha Christie immer wieder auf. Die bekanntesten Werke wie "Mord im Orient Express", "Tod auf dem Nil" oder auch "Das Böse unter der Sonne" weisen alle dieses bestimmte Charakteristikum auf.
"Das fehlende Glied in der Kette" ist ein absolutes Muss im Bücherregal jedes Krimifans. Als Debütroman von Agatha Christie und erstem Fall von Hercule Poirot ist es ein wichtiges Zeugnis der Literaturgeschichte. Und nebenbei ist es auch noch spannend und mitreißend geschrieben.
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