Gewalt gegen Frauen

Erschreckende Tradition auf deutscher Insel: Männer schlagen Frauen - weil es ein Brauch ist

Vivien Renner

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29.11.2024, 16:37 Uhr
Männer verkleiden sich als Fabelwesen und ziehen durch die Stadt. (Symbolbild)

© IMAGO Männer verkleiden sich als Fabelwesen und ziehen durch die Stadt. (Symbolbild)

In jedem Jahr aufs Neue werden sechs der Vereinsmitglieder als sogenannte Klaasohms ernannt. Sie sind als Fabelwesen verkleidet und tragen Fellmasken, Gewänder und Kuhhörner. Begleitet werden sie außerdem von Wiefke, einem männlichen Mitglied in Frauenkleidern. Im ersten Eindruck scheint das Fest wie ein Volksfest: Männer ziehen durch die Stadt, betrinken sich in Kneipen und die Inselgemeinschaft jubelt ihnen zu.

Doch dann gibt es noch die Fänger. Am Abend suchen sie junge Frauen, halten sie fest und übergeben sie an die Klaasohms. Diese schlagen anschließend den Frauen mit Kuhhörnern auf den Hintern. Das Publikum applaudiert.

Betroffene Frauen berichten

In der Nacht findet man trotzdem viele Frauen auf den Straßen, die freiwillig teilnehmen und scheinbar Spaß haben. Das berichten Reporter des Norddeutschen Rundfunks. Demnach verstecken sich auch viele vor den Klaasohms und es wirke wie ein Katz- und Mausspiel. Doch viele Betroffene berichten von einem Tag voller Angst.

"Auf einmal fuhr ein Transporter an mir vorbei, ist stehengeblieben. Drei mir bekannte Jungs sind aus dem Auto gesprungen, haben mich gepackt, an Händen und Füßen, und wollten mich in dieses Auto reinzerren. Ich habe dann versucht, mich mit Händen und Füßen zu wehren, also körperlich und verbal. Dieser Kampf hat bestimmt gute zehn Minuten gedauert", berichtet eine Betroffene gegenüber dem NDR. Bei dem Vorfall soll sie erst zwischen 16 und 17 Jahre alt gewesen sein.

"Da fühlst du dich natürlich ängstlich. Ich meine, du weißt ja, das wird gleich hammermäßig weh tun", berichtet eine weitere anonyme Interviewpartnerin gegenüber dem NDR. "Ich hatte zu dem Zeitpunkt einfach mega Schmerzen und hab richtig geweint. Und war gleichzeitig wütend auf mich selbst, weil ich so dachte: Warum tue ich mir das gerade an? Warum bin ich mitgelaufen?" Weiter heißt es, dass ihr Körper vom Steißbein bis zur Kniekehle voller blauer Flecken gewesen sein soll.

Was ist der Verein Borkumer Jungens?

Der Verein habe das Ziel, Sitten und Gebräuche, die Borkumer Plattdeutsche Sprache und die Traditionen des Gesanges zu pflegen und zu erhalten. Das schreibt der Verein selbst auf seiner Website. Jeder, der Mitglied in dem Verein werden möchte, sollte möglichst auf Borkum geboren sein, ebenso die Eltern. Bereits Kinder jubeln den Klassohms am Straßenrand zu. Die Tradition wird von Jahr zu Jahr fortgeführt.

"Es wird nicht hinterfragt und es wird auch nicht erklärt. Und wenn man so sozialisiert wird, ist das halt normal. Das Frauenbild, das da durch die Hintertür kommt, finde ich schon ziemlich aussagekräftig. Wenn man sich einmal im Jahr das Recht rausnimmt, Frauen zu schlagen", erzählt ein ehemaliger Klaasohm gegenüber dem NDR.

Der Bürgermeister der Insel hingegen bezeichnet das Fest als eine regionale Tradition, die Auswärtige oft nicht wie Einheimische verstehen können. Gegenüber dem NDR erklärt er weiter, dass kritische Stimmen durchaus Gehör finden, die meisten das Fest aber unterstützen würden.

Die niedersächsische Staatssekretärin für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung, Christine Arbogast äußert sich hingegen sehr kritisch zu dem Fest. Ihrer Meinung nach sollte es keinen Tag im Jahr geben, an dem Frauen das Gefühl haben, sich in der Öffentlichkeit nicht frei bewegen zu können.