Selbstwertgefühl

Mobbing kann schwerwiegende Folgen haben - was man dagegen tun kann

Alicia Kohl

Redakteurin

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07.04.2025, 19:35 Uhr
Bei Mobbing haben Eltern oft wenig Möglichkeiten einzugreifen.

© IMAGO/Zoonar.com/Dmitrii Marchen/IMAGO/Zoonar Bei Mobbing haben Eltern oft wenig Möglichkeiten einzugreifen.

Auch dem Schulhof, in der Kabine, im Urlaub, in der Nachbarschaft, am Arbeitsplatz oder im Internet - Mobbing ist für viele Menschen kein Randphänomen, sondern harte Wirklichkeit. Vor allem in der Schule, also in sogenannten „Zwangsgruppen“, tritt das Gruppenphänomen Mobbing häufig auf. Laut einer Pisa-Studie haben 21 Prozent der 15-Jährigen in Deutschland bereits selbst Mobbing erfahren. Trotzdem wird es noch immer häufig unterschätzt, selbst das Schulsystem ist nicht darauf eingestellt, Lehrkräfte werden nicht entsprechend ausgebildet und vorbereitet.

Dabei kann Mobbing schwerwiegende Folgen für die Betroffenen haben. „Das Opfer leidet über eine sehr lange Zeit. Das hat Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl, den Umgang mit Peers und die Psyche“, sagt Marica Münch. Sie ist Bildungsreferentin und Expertin für Mobbing beim Caritas-Pirckheimer-Haus in Nürnberg. Das könne sich dann ein Leben lang ziehen. Schließlich haben die Betroffenen regelmäßig und über eine längere Zeit Ablehnung erfahren.

Doch nicht nur das Opfer selbst leidet. Auch der Täter oder die Täterin braucht Hilfe und Unterstützung. Oft werden ehemalige Opfer selbst zu Täterinnen und Tätern, um sich selbst zu schützen. Ganz nach dem Motto: „Wenn ich nicht in die Opferrolle gedrängt werden will, muss ich austeilen.“ Das Sich-Wehren steht also erstmal im Zentrum. So erklärt es Münch.

Das Mobbing spüren aber auch die Personen im Umfeld. „Alle kriegen das mit“, sagt Münch. Man habe sogar feststellen können, dass bei Mobbing in einer Klasse nicht nur die Leistungen des Opfers abnehmen, sondern auch die von allen anderen Schülerinnen und Schülern. „Die Mitarbeit und die Konzentration nehmen ab, weil die anderen Kinder die ganze Zeit Angst haben müssen, auch angegriffen zu werden.

Probleme im System

Bleibt die Frage nach dem Warum. „Mobbing ist nicht fassbar“, sagt Münch. Die Frage lasse sich meist nicht klar beantworten. Sie betont, dass Anders-Sein nicht die Ursache für Mobbing ist. „Die Ursache ist dann fehlende Toleranz.“ Meistens gehe es aber um Macht in der Gruppe, mangelndes Selbstwertgefühl oder Unsicherheiten, die Täterinnen und Täter in der Gruppe überspielen wollen. Auch Langeweile wurde in Studien schon als Grund genannt, so Münch.

Doch die Gründe für Mobbing liegen auch in der Struktur, im System, sagt die Expertin. Denn das wissen über die Thematik fehle. So kommt es laut Münch auch zu schädigendem Verhalten durch Lehrkräfte, die den Täterinnen und Tätern durch flapsige Kommentare oder unsensiblen Umgang die absolute Legitimation geben. Mobbing ist kein obligatorischer Teil der Ausbildung von Lehrkräften. Das kritisiert Münch scharf. „Dabei ist klar, dass jede Person, die in eine Schule geht, damit konfrontiert sein wird.“ Es sei die Aufgabe der Erwachsenen im Schulsystem, für ein angstfreies Klima und vor allem für das Kindeswohl zu sorgen. „Das ist auch kein guter Wille, wir sind nach der Kinderrechtskonvention und der Regelung des Unterrichtswesens dazu verpflichtet.“

Das ist gerade deswegen auch so wichtig, weil die Eltern oder andere externe Bezugspersonen wenig Möglichkeiten zum Eingreifen haben, wenn ihr Kind in der Schule gemobbt wird. Sie sind kein Teil des Systems und können so keine Beobachtungen oder Wahrnehmungen machen. Münch rät außerdem davon ab, die Eltern des Täterkindes zu kontaktieren, da sei die Emotionalität auf beiden Seiten viel zu groß. „Das ist ein schulisches Problem und muss dort gelöst werden.“ Eltern sollten also eher zu Klassenlehrkräften, Vertrauenslehrkräften oder den Schulleitungen gehen.

Was Eltern tun können

Abgesehen davon sind Eltern aber auch nicht ganz machtlos. Sie können ihr Kind schon im Vorfeld schützen. Denn ein Risikofaktor für Kinder, Opfer von Mobbing zu werden, ist laut Münch besonders ein geringes Selbstwertgefühl. Auch ein Kind, das in einer Gruppe alleine ist, ist angreifbarer. Die Expertin rät Eltern deswegen, den Selbstwert der Kinder zu stärken, Freundschaften zu stützen und durch Sport, ein Instrument oder andere Vereine eine andere Lebenswelt neben der Schule für die Kinder zu schaffen.

Eine gute Bindung zwischen Kind und Eltern ist außerdem wichtig, weil sich das Kind so bei Sorgen anvertraut. Eltern können außerdem konkretere Fragen stellen, detailliert und regelmäßig nachfragen und so herausfinden, wie gut das Kind eingebunden ist. Vertraut sich das Kind dann an, sollten Eltern schnell hellhörig werden, aber nichts ohne das Einverständnis des Kindes unternehmen.

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