Signal, Threema, Telegram: Wie gut sind die WhatsApp-Alternativen?
5.2.2021, 17:16 UhrDer immer engere Zusammenschluss mit Facebook, Werbung im Status und die neuen Datenschutzregeln: WhatsApp hat seine Nutzer in den vergangenen Monaten mehrfach verärgert. Obwohl WhatsApp beschwichtigt, überlegen viele User deshalb, auf einen anderen Messenger umzusteigen.
Doch die Auswahl ist ebenso groß wie manchmal die Verwirrung, welche der alternativen Apps nun wirklich wie sicher ist. Je nachdem wo man sucht, erhält man zum Teil sehr unterschiedliche Empfehlungen. Wir haben uns durch all die Ratgeber gewühlt und zusammengefasst, was wirklich hinter den wichtigsten Messenger-Apps steht.
1. Telegram: Zwischen Einsatz gegen Zensur und Querdenkerkritik
2. Signal: Empfohlen von Sicherheitsexperten
3. Viber: Von der Skype-Konkurrenz zur Chat-App
4. Threema: Kostenpflichtige Alternative, die ohne Handynummer auskommt
5. TeleGuard: Neuer Herausforderer
6. Ginlo: Totgesagte leben länger
Telegram: Zwischen Einsatz gegen Zensur und Querdenkerkritik
In Deutschland ist Telegram in den letzten Monaten vor allem wegen seiner Nutzung durch die "Querdenken"-Bewegung und die Kanäle von Verschwörungstheoretikern in den Medien gewesen. Das allerdings ist nur eine Facette der App, die von allen Messengern vermutlich die lebhafteste Geschichte hat.
Entwickelt wurde Telegram 2013 von den Brüdern Nikolai und Pavel Durov, die zuvor schon das russische Soziale Netzwerk VKontakte großgezogen hatten, dieses aber nach den Protesten 2011 unter Druck an einen Vertrauten Putins verkaufen mussten. Als Reaktion darauf verlegten sie den Firmensitz von Telegram in verschiedene Länder, und verteilten die Server mit den Daten auf der ganzen Welt.
So wurde die App schnell zu einem beliebten Kommunikationsmedium für Oppositionelle in autoritären Staaten, ebenso wie für kriminelle Netzwerke und Terroristen. Als Telegram sich weigerte, die persönlichen Nachrichten von Nutzern zu Ermittlungszwecken an den russischen Geheimdienst FSB herauszugeben, wurde die App per Gerichtsbeschluss blockiert.
Dieser Schuss ging allerdings nach hinten los: Dank ständig wechselnder IP-Adressen und der Nutzung von Amazon- und Google-Webservice-Plattformen blieb Telegram erreichbar. Stattdessen wurden die Webangebote vieler anderen Unternehmen blockiert. Gmail, YouTube und Amazon waren davon ebenso betroffen wie russische Online-Shops und Online-Zahlsysteme. Der Schaden der Blockade wurde auf bis zu eine Milliarde US-Dollar geschätzt. Zeitweise blockierten die Behörden sogar die Funktion eigener Regierungswebseiten.
Warum WhatsApp ab sofort über den Status mit seinen Usern kommuniziert
Der Widerstand gegen die russischen Behörden und der Einsatz gegen Zensur verschaffte Telegram und seinen Gründern einen hervorragenden Ruf in Sachen Datenschutz. So wurde die App von vielen Protestierenden im Iran, in Hong Kong oder zuletzt in Thailand genutzt. Nachdem WhatsApp seine neue Datenschutzrichtlinie ankündigte, erhöhte sich die Zahl der Nutzer schlagartig noch weiter, auf über 500 Millionen laut Durov. Doch Telegram steht auch in der Kritik.
Das sind Sicherheitsbedenken bei Telegram
Sicherheitsexperten des amerikanischen MITs kritisierten Schwachstellen bei der Übermittlung von Nachrichten. Hinzu kommt, dass nicht der gesamte Code quelloffen ist, und somit auch nicht unabhängig geprüft werden kann. Im Gegensatz zu den meisten anderen Apps ist Telegram zudem nicht standardmäßig Ende-zu-Ende verschlüsselt.
Beim normalen Chat werden die Daten nur für den Transport zum Server und dann zum Empfänger verschlüsselt, und können theoretisch auf dem Server eingesehen werden – von Administratoren oder jedem, der sich Zugriff auf den Server verschafft. Wie ein Test von Heise Security zeigt, wird quasi alles auf den Servern gespeichert, sämtliche versendete Medien und sogar Tastatureingaben. Nur wer für private Chats die Ende-zu-Ende Verschlüsselung der geheimen Chats verwendet, ist davor geschützt.
Hinzu kommt die Frage nach dem Standort der Firma. Telegram verkauft es gerne als Vorteil, dass der Firmensitz je nach politischer Lage jederzeit gewechselt werden kann, da Zensur so vermieden würde. Und da niemand genau wisse, wo die Server des Anbieters sich befinden, sei es auch schwerer möglich, sich illegal Zugriff auf sie zu verschaffen.
Das Argument lässt sich aber auch umdrehen: Für den normalen Nutzer ist es kaum nachzuvollziehen, ob Telegram nun gerade dem Recht des Vereinigten Königreichs oder Dubais unterliegt, oder wo die eigenen Daten gespeichert sind. Berichten zufolge unterhält die Firma sogar weiter ein Büro in einem mit der russischen Regierung verbundenen Gebäude in Sankt Petersburg.
Das sind die Vorteile von Telegram
Zu den Vorteilen der App zählt der große Funktionsumfang: Was WhatsApp bietet, kann Telegram meist auch. Oft werden Features wie einzeln verstellbare Wallpaper und Sticker erst bei Telegram eingeführt, bevor WhatsApp die Idee übernimmt.
Zudem gibt es eine Desktop-App, die parallel genutzt werden kann. Angenehm für viele Nutzer: Da die Chats nicht auf dem Smartphone, sondern in der Cloud liegen, braucht es für die Desktop-App keine Smartphonedaten, das Handy muss also nicht in der Nähe sein. Außerdem lassen sich auch Nachrichtenentwürfe an einem zweiten Gerät weiter bearbeiten.
Als besondere Funktionen bietet Telegram beispielsweise Kanäle, mit denen man Nachrichten und Bilder als Einwegkommunikation an viele Kontakte übermitteln kann. So lassen sich beispielsweise Urlaubserinnerungen verbreiten oder oder Bekanntgaben machen.
Signal: Empfohlen von Sicherheitsexperten
Fragt man Sicherheitsexperten, wird einem nicht zuletzt aus diesen Gründen eine andere App empfohlen: Signal wurde 2014 als Nachfolger zweier verschlüsselter Text- und Sprachanruf-Programme von Whisper Systems entwickelt, die beispielsweise von den Protestierenden der Ägyptischen Revolution 2011 genutzt wurden.
Ein Account auf mehreren Geräten? WhatsApp will neue Funktion einführen
Der Messenger, mittlerweile im Besitz der gemeinnützigen Signal Technology Foundation, wurde weiterentwickelt und bot bereits 2014 Ende-zu-Ende verschlüsselte Gruppennachrichten an. Wie die US-amerikanische Bürgerrechtsorganisation ACLU enthüllte, versuchte die Regierung zwar mithilfe einer geheimen Anordnung Signal zur Preisgabe von Nachrichten zu zwingen. Aufgrund der eigenen Verschlüsselung konnte die Firma aber lediglich mitteilen, wann der entsprechende Account angelegt wurde, und wann sein Nutzer zuletzt online war.
Auch EU-Mitarbeiter nutzen Signal
Wohl auch aus diesen Gründen wird Signal von vielen Sicherheitsexperten empfohlen, darunter auch der Whistleblower Edward Snowden. Auch die EU hat nach langem Zögern ihren Mitarbeitern Signal als Kommunikationskanal empfohlen. Viele namhafte Zeitungen wie der britische Guardian, die Washington Post oder die New York Times nutzen die von der Freedom of the Press Association mitfinanzierte App, um sicher mit Dissidenten zu kommunizieren.
Auch die Protestierenden von Black Lives Matter organisierten sich häufig über Signal. Es bleibt aber die Befürchtung, dass die USA, wo sämtliche Server von Signal stehen, die Firma irgendwann zwingen wird, eine Hintertür in die bis jetzt sehr sichere Verschlüsselung einzubauen.