Aufruf
Sprachwissenschaftler fordern Ende gendergerechter Sprache im Öffentlich-rechtlichen Rundfunk
1.8.2022, 12:33 UhrGlottisschlag? Passivkonstruktion? Oder es ganz lassen? Kaum ein anderes Thema ist in der aktuellen öffentlichen Debatte derart emotional aufgeladen und polarisierend wie das Gendern. Nicht nur in linguistischer Wissenschaft - auch in politischen Kreisen werden hitzige Diskussionen geführt, ob die Deutschen nun gendern dürfen, gendern sollen - oder es eben bleiben lassen sollen.
Unmut nach Glottisschlag im ÖRR
Während das eine Lager in geschlechtsneutraler Sprache und der damit einhergehenden Inklusion aller Geschlechter einen richtigen Schritt in Richtung Gleichberechtigung wahrnimmt, wird aus dem anderen Lager oftmals der Vorwurf laut, dass gendergerechte Sprache einerseits nichts am gesellschaftlichen Status Quo ändere und andererseits trotz der fehlenden Zustimmung in der Gesellschaft zunehmend in den vermeintlich "linksorientierten" und "unneutralen" Medien verbreitet werde.
Im Jahr 2020 zog Nachrichtensprecher Claus Kleber erstmals im heute-journal den Unmut vieler Zuschauerinnen und Zuschauer auf sich, indem er in einer Sendung erstmals die Genderpause nutzte, um alle beteiligten Geschlechter miteinzubeziehen.
Auch Nachrichtensprecherinnen wie Petra Gerster und Jana Pareigis setzen vor zwei Jahren erstmals auf die Genderpause. Grund für die daraus resultierende Verärgerung im Publikum: Der Großteil der Deutschen lehnt das Gendern ab. Laut einer Befragung, die Infratest Dimap im Mai 2021 für Welt am Sonntag erhoben hatte, halten 65 Prozent aller Deutschen eine stärkere Berücksichtigung auf unterschiedliche Geschlechter in der deutschen Sprache für überflüssig.
Aufruf aus der Sprachwissenschaft
Nun muss sich der ÖRR auch Kritik aus dem sprachwissenschaftlichen Lager auseinandersetzen. Rund 80 deutschsprachige Wissenschaftler fordern in einem Aufruf die Abkehr der öffentlich-rechtlichen Sender von der Gendersprache.
Im Aufruf betrachten die Wissenschaftler die Bewertung des generischen als diskriminierende Sprachform bei der ARD und dem ZDF kritisch. Durch die Zunahme gendergerechte Sprach missachteten die öffentlich-rechtlichen Sendern demnach die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung - und die geltenden Rechtschreibnormen: "Statt ihrer Vorbildfunktion gerecht zu werden, praktizieren und propagieren die Sender in ihrer Schriftnutzung (vor allem in den Online-Formaten) orthografische Freizügigkeit jenseits der verbindlichen Regeln", heißt es im Aufruf der Wissenschaftler.
Gendern führt zu "sozialen Unfrieden"
Ferner äußern sie, dass der ÖRR durch den Gebrauch geschlechterneutraler Sprache gegen das Neutralitätsverbot verstoße - jener Sprachgebrauch sei "ideologsich motiviert". Die Nutzung von Glottisschlag, Passivkonstruktion und Co. führe außerdem zu "sozialen Unfrieden" in Zeiten einer zunehmenden gesellschaftlichen Spaltung.
Ebenso wird kritisiert, dass gendergerechte Sprache zu einer zunehmenden "ausgeprägten Sexualisierung der Sprache, also zu einer permanenten Betonung von Geschlechterdifferenzen" führe.
In der Sprachwissenschaft können die Kritiker keinen Vorteil des Genderns erkennen. Dass das generische Maskulinum (Genus) vorrangig im Sinne von “männlich” (Sexus) gelesen wird, sei demnach empirisch nicht gesichert: "Die pauschalisierende Bewertung des generischen Maskulinums als grundsätzlich diskriminierende Sprachform ist auf wissenschaftlicher Basis nicht begründbar."