Totschlag im Nürnberger Trinkermilieu: Angeklagte bestreiten Tat

Ulrike Löw

10.2.2020, 14:04 Uhr

Als eine Spaziergängerin am Nachmittag des 20. Februar 2019 den nackten Leichnam eines Mannes in Roth in der Nähe der Rednitz fand, war eindeutig: Dieser Mann war Opfer eines Gewaltverbrechens geworden. Und sein Tod markierte das Ende eines Martyriums: Die Rechtsmedizin stellte Rippenserienbrüche, ein schweres Schädel-Hirn-Trauma und ein Rumpftrauma fest, dazu Hirngewebseinblutungen und Hämatome am Oberkörper und am linken Arm. Doch wer hat ihm das angetan?

Ein Jahr später sitzen seine mutmaßlichen Peiniger vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth – Aleksandar J. (35) und Anja E. (33) hatten damals eine Affäre, heute schenken sie sich in der Schwurgerichtskammer nicht einen einzigen Blick, die Schuld am Tod des Manfred L. (56) schieben sie sich gegenseitig in die Schuhe.

Alkohol floss in Strömen

Zu hören sind unterschiedliche Versionen und klar wird vor allem: In der Nürnberger Wohnung der Anja E. in der Schoppershofstraße floss der Alkohol in Strömen, sie und die beiden Männer pflegten eine Art Dreiecksbeziehung, und Manfred L. wurde am Abend des 16. Februar mit einem Stockregenschirm vergewaltigt und malträtiert, bis er seinen inneren Verletzungen erlag.

In der Nacht auf den 20. Februar wurde sein Körper in gelbe Plastikmüllsäcke gepackt, in einen schwarzen Koffer gestopft und in Roth in der Nähe des Westrings in eine Böschung geworfen. Stunden später sah die Spaziergängerin den Leichnam zwischen den Bäumen und die Polizei fand den Koffer samt der DNA-Spuren des Manfred L. in unmittelbarer Nähe. Heute ist Staatsanwalt Frank Beckstein überzeugt, dass die Gewaltorgie auf das Konto von Aleksandar J. geht, vorsätzliche Körperverletzung und Totschlag lautet der Vorwurf.

Auch die Vorwürfe gegen Anja E. wiegen schwer – sie soll Manfred L. bereits im Winter 2017 mit einem Messer attackiert haben (angeklagt als versuchter Totschlag) und im Februar 2019 ihren damaligen Geliebten Aleksandar J. zur Bluttat an L. erst angestachelt haben (angeklagt als Anstiftung), und zwar mit der perfiden Behauptung, dass Manfred L. ihre Tochter vergewaltigt habe.

Tatsächlich lebten Anja E.s Kinder nicht in ihrem Haushalt, sondern im Jugendheim – und offen ist, ob es tatsächlich Übergriffe gab, die Frau sich die Sexualstraftaten nur eingebildet hat oder gezielt log, um Aleksandar J. zu ihrem willfährigen Werkzeug zu machen. Sie bot Manfred L. in der Schoppershofstraße damals Unterschlupf, weil er aus seiner eigenen Wohnung geflogen war. Einer ihrer Freunde saß damals gerade in der Justizvollzugsanstalt und sie hatte mit Aleksandar J., einem verheiratetem Familienvater, ein Verhältnis begonnen, zuvor war sie mit dessen Halbbruder zusammen.

Beziehungswirrwarr und Trinkermilieu

Zum Beziehungswirrwarr kam das Chaos des Trinkermilieus: Anja E. habe ständig getrunken, erinnert sich Aleksandar J. (Verteidiger: Franz Heinz) vor Gericht und beschreibt sie als gewalttätige Person, die regelmäßig in ihrer Wohnung randalierte und ihre Freunde schlug. Sie habe auch Manfred L. ständig gequält, und weil er auf den Wohnplatz bei ihr angewiesen war und nicht in eine Sozialpension ziehen wollte, habe er sich nicht gewehrt. Im Übrigen treffe es zwar zu, dass sie Manfred L. bezichtigte, ihre Tochter vergewaltigt zu haben, doch dies hielt er schon damals für "erstunken und erlogen", er erinnere sich an "mindestens fünf Vergewaltigungen mit mindestens fünf verschiedenen Tätern, meist war sie selbst das angebliche Opfer".

In Wirklichkeit, so behauptet Aleksandar J., sei sie die Täterin: Sie habe Manfred L. zu Tode gefoltert – er habe ihr nur geholfen, den Leichnam zu entsorgen. Und als sie im Mietwagen mit der Leiche im Kofferraum nach Roth fuhren, habe sie besonders viel Wodka getrunken – um, sollten sie erwischt werden, als schuldunfähig zu gelten. Sie verfolge im TV ständig die US-amerikanische Serie "Wenn Frauen töten", sagt J., daher habe sie dieses Wissen.

Rache für Vergewaltigung der Tochter?

Anja E. schildert über ihre Strafverteidigerin Petra Leingang das Gegenteil: Seit Dezember 2018 sei sie mit Aleksandar J. liiert gewesen, ihm habe L.s Rolle als Mitbewohner nicht gepasst und als J. von der Vergewaltigung ihrer Tochter hörte, wollte er Rache. "Jetz knallt es richtig, ich lasse ihn bluten", habe er geäußert. Später packte er den Leichnam in den Koffer und ließ ihn einen Tag im Bad stehen, sie habe gar nicht gewusst, dass Manfred L. tot war. An ihrem Geburtstag schlug ihr Aleksandar J. eine Ausfahrt aufs Land vor – er besorgte einen Mietwagen und in Roth habe er dann, ohne ihr Wissen, den Koffer entsorgt. Derzeit rechnet die Schwurgerichtskammer mit 13 Verhandlungstagen, das Urteil soll am 31. März gesprochen werden. Neben Polizisten und Zeugen aus dem Umfeld werden auch Gutachter, wie Rechtsmediziner und Psychiater, gehört werden.