Anglizismen

Lob oder Beleidigung? Das bedeutet „woke“

Elias Thiel

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20.6.2024, 11:02 Uhr
"Stay woke" ist ein Aufruf, den man häufige in sozialen Netzwerken sieht.

© IMAGO / Pond5 Images "Stay woke" ist ein Aufruf, den man häufige in sozialen Netzwerken sieht.

Anglizismen werden in Deutschland immer beliebter. Insbesondere online findet man vermehrt englische Begriffe und Redewendungen. Dazu zählt auch das Wort "woke". 2021 wurde es beinah zum Anglizismus des Jahres gewählt - dann wurde es aber doch "boostern".

Genutzt wird "woke" von Jung und Alt - und kann dabei verschiedene Dinge bedeuten. Was genau, lesen Sie in diesem Artikel.

Bedeutung: Wofür steht der Begriff "woke"?

"To be woke" bedeutet auf Deutsch "wachsam sein". Es ist eine Abwandlung des englischen Wortes "woken", was "aufgewacht" bedeutet. Bezogen wird diese Wachsamkeit auf Ungerechtigkeiten aller Art. Jemand, der "woke" ist, ist sich also sozialer und politischer Ungerechtigkeiten bewusst und will dagegen angehen. Dabei geht es um Themen wie Rassismus, Sexismus und Diskriminierung. Eine "woke" Person engagiert sich aktiv gegen diese Ungerechtigkeiten. Darüber hinaus kann "woke sein" auch eine Bezeichnung für eine Lebensweise sein, die vegane und ökologisch bewusste Praktiken umfasst.

Dann gibt es auch noch den Aufruf "Stay woke" (bleibe wachsam). Dieser Satz wurde 2012 auf Twitter beliebt und später von der "Black Lives Matter"-Bewegung aufgegriffen. Er hat zwei Bedeutungen: "Stay woke" ruft dazu auf, sich entschlossener gegen Ungerechtigkeit einzusetzen, warnt aber auch vor Polizeigewalt.

Wokeness: Definition

"Wokeness" ist das Substantiv zu "woke" und bezeichnet die Einstellung dahinter. Somit steht der Begriff für eine Haltung der Wachsamkeit gegenüber dem Geschehen in der Welt. Es geht darum, die Augen vor schwierigen Themen wie Rassismus, Sexismus, Antisemitismus, Gewalt und Umweltzerstörung nicht zu verschließen. Stattdessen soll man sich dafür einsetzen, dass die Welt ein besserer Ort wird.

Ist "woke" positiv oder negativ gemeint?

"Woke" kann ein Kompliment sein - oder auch eine spöttelnde Stichelei. Das kommt darauf an, wie es gesagt wird und von wem.

Ursprünglich war "woke" ein positiver Begriff, mit dem man sich gegenseitig anspornen wollte, entschlossener auf Ungerechtigkeit zu reagieren. Zudem diente er dazu, überhaupt ein Bewusstsein für Unterdrückung zu schaffen.

Mittlerweile wird das Wort in den meisten Fällen aber anders verwendet: um sich über Menschen lustig zu machen. "Wokeness" wurde zu einem Kampfbegriff gegen angebliche "Moralapostel", "linke Wirrköpfe", "zu empfindliche" oder "zu politisch korrekte" Menschen.

Man hört insbesondere bei Konservativen, dass "woke" Menschen zu sensibel oder empfindlich seien. Sie würden schnell emotional werden und auf Konfrontation gehen.

Deswegen reagieren viele Menschen mittlerweile zwiegespalten bei dem Begriff. Wer sich selbst als "woke" beschreibt, weiß nicht, ob der andere ihn direkt in eine Schublade steckt. Oder was der andere genau mit diesem Begriff verbindet.

Kritik an "woke" & "wokeness"

Wie oben beschrieben, ist das Wort "woke" mittlerweile umstritten und nicht unbedingt positiv gemeint. Andere Menschen werden beispielsweise auf sarkastische Weise als "woke" bezeichnet, wenn sie selbstgefällig wirken und sich demonstrativ als besonders aufgeklärt präsentieren, sich aber nicht rundum so verhalten.

Nicht jede Kritik am "woke sein" ist aber auch berechtigt. Das Wort ist mittlerweile ein Kampfbegriff, also ein Wort, bei dem es mehr um Emotionen als um Fakten geht. Politische Gegner sollen provoziert oder klein gemacht werden, während das Weltbild der eigenen Anhänger bestätigt wird. Jemanden als "woke" zu bezeichnen ist somit eine Methode, um Meinungen abzuwerten, die einem nicht passen.

Hin und wieder hört man auch, dass die "woke culture" mit "Gutmenschentum" gleich gesetzt wird. Dieser Begriff ist negativ gemeint und bedeutet, dass man das "Gut-sein-Wollen" übertreibt, andere Ansichten nicht zulässt und im Kampf für diese Ziele keine Rücksicht auf seine Mitmenschen nimmt. Wer "Wokeness" als Gutmenschentum bezeichnet, kritisiert also das Verhalten "woker" Menschen.

Wo stammt der Begriff "woke" her?

Der Ausdruck "woke" oder "stay woke" tauchte vor allem im US-amerikanischen Raum auf. Insbesondere bei der "Black Lives Matter"-Bewegung wurden die Begriffe "woke" und "wokeness" verwendet, um politisches Bewusstsein zu beschreiben. In sozialen Medien wie Twitter und Instagram nutzten User den Begriff "woke" als Hashtag, um somit auf Diskriminierung oder Ungerechtigkeiten hinzuweisen oder zu Protesten zu animieren.

Den Begriff "woke" gibt es aber schon weitaus länger. Bereits in der Mitte des 20. Jahrhunderts wurde der Ausdruck "woke" im Slang diskriminierter Afroamerikaner in den USA verwendet.

Was ist Woke Washing?

Die Begriffe "Woke-Washing" und "Woke Capitalism" sagen aus, dass sich Personen, Marken oder Institutionen offiziell gegen Diskriminierungen und Missstände äußern, aber nichts dagegen tun. Demnach werden Unternehmen kritisiert, die sich als "woke" verkaufen und dann nur auf eine reine Gewinnmaximierung aus sind. Damit "Wokeness" nur zu einer Marketingstrategie. Ähnlich wie beim "Green Washing" stellen sich Unternehmen als etwas hin, das sie (in den Augen ihrer Kritiker) nicht sind.