Abgetauchte Asylbewerber: Wie man einen Skandal kreiert

Manuel Kugler

Politikredakteur

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3.11.2017, 10:26 Uhr
Abgetauchte Asylbewerber: Wie man einen Skandal kreiert

© Foto: Boris Roessler/dpa

Für Journalisten, die es mit ihrer Berufsethik nicht allzu ernst nehmen, ist es momentan ziemlich einfach, den nächsten Asyl-Aufreger zu kreieren: Man greife aus den Mitteilungen der Regierung -  bevorzugt aus den Berichten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge - eine Zahl heraus, die besonders hoch wirkt. Anschließend stelle man eigene Berechnungen an, lasse notwendige Zusatzrecherche beiseite und formuliere stattdessen eine skandalträchtige Überschrift. Dann heißt es abwarten - meist dauert es auch nicht lang und die Meldung wird in einschlägigen Facebook-Gruppen tausenfach geteilt und geklickt.

So in etwa dürfte die Nachricht "30.000 abgelehnte Asylbewerber spurlos verschwunden!" entstanden sein, mit der die Bild-Zeitung aufmachte. Die Zahl ist umso problematischer, weil sie auf einer fraglichen Berechnung der Redaktion beruhte: Dort nahm man einfach die Zahl der Ausreisepflichtigen ohne Duldung (in etwa 54.000 zum Ende des Jahres 2016) und zog von ihr die Zahl der Ausreisepflichtigen ab, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhielten (24.000). Macht 30.000 angeblich spurlos verschwundene Asylbewerber.

Doch seriös lässt sich diese Zahl so nicht deuten. Sie sagt zunächst nur aus, dass 30.000 Menschen Deutschland ausreisepflichtig sind, aber kein Geld nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten. Dass sie "spurlos verschwunden" sind, kann in der Tat einer der Gründe dafür sein, zumal die Bundesregierung im Jahr 2015 tatsächlich den Überblick darüber verloren hatte, wer im Land war. Ein Abtauchen als den einzigen Grund hinzustellen, ist aber Unsinn.

Denn zum einen handelt es sich bei den Ausreisepflichtigen keineswegs nur um abgelehnte Asylbewerber, sondern - laut Innenministerium sogar zur Hälfte - um Ausländer, deren Visum abgelaufen ist - und die haben überhaupt keinen Anspruch auf Hilfe nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Zum anderen gibt es auch Ausreisepflichtige, die die Staatshilfe gar nicht in Anspruch nehmen - entweder, weil sie über genügend eigenes Vermögen verfügen oder, und auch das gibt es, einer Schwarzarbeit nachgehen.

Wenn sich aus den Zahlen etwas ablesen lässt, dann ist es allenfalls dies: In Deutschland leben nach wie vor Zehntausende Menschen, die die Bundesrepublik eigentlich verlassen müssten. Gleichzeitig - darüber sollte man sich auch von medienträchtigen Abschiebeflügen nach Afghanistan nicht täuschen lassen - gelingt es dem Staat nicht, diese Menschen außer Landes zu bringen.

Die Inkonsequenz bei Abschiebungen ist ohne jede Frage fatal, weil so selbst bei flüchtlingsfreundlichen Bürgern der Eindruck entsteht: Wer es erst einmal hierher schafft, kann bleiben - egal wie über seinen Asylantrag entschieden wird.

Nur ist das Abschiebe-Problem nicht mehr unbedingt neu. Zum klickträchtigen Skandal taugt es jedenfalls weniger als neue Zahlen Zehntausender angeblich verschwundener Asylbewerber.

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