Angst im öffentlichen Raum: Männer, das ist auch euer Problem!

21.3.2021, 16:05 Uhr
Die Debatte um die getötete 33-Jährige in London wirft endlich die Frage auf: Was können Männer tun, dass sich Frauen sicherer fühlen?

© pixabay Die Debatte um die getötete 33-Jährige in London wirft endlich die Frage auf: Was können Männer tun, dass sich Frauen sicherer fühlen?

Es gibt Dinge, die Frauen einfach nicht machen können. Und das aus einem einfachen Grund: Sie sind Frauen. In einer Bar ein Getränk kurz aus den Augen lassen zum Beispiel. Am späten Abend noch eine Runde im Park joggen. Einen tiefen Ausschnitt tragen, ohne aufdringliche Blicke oder Kommentare zu kassieren. Nachts alleine nach Hause gehen, frei von Angst im Bauch.


Nachts allein auf der Straße: Nürnbergerin hatte noch Glück


Frauen sehen sich mit dieser Unfreiheit bereits in jungen Jahren konfrontiert. Spätestens in ihrer Pubertät wird klar: Der öffentliche Raum kann ständig zum Angstraum werden. Jede Leserin hat bereits verbale oder sogar physische Belästigung in ihrem Alltag erlebt: Ein Hupen, wenn sie an der Straße auf den Bus wartet, ein anzüglicher Spruch oder ein unangenehmes Zisch-Geräusch im Vorbeigehen, als würde man eine Katze locken wollen.

Die unheimliche dunkle Gasse? Wohl eher eine Männerfantasie

Das sogenannte "Catcalling" ist bereits seit Jahren in der Diskussion und rief Aktivisten und Aktivistinnen auf den Plan. Sie schreiben mittlerweile mit Kreide sogenannte "Catcalls" auf die Straße. Und zwar an jenen Orten, wo Frauen diese – nicht selten auch körperlichen Übergriffe - erlebt haben: An Bahnstationen, vor Verwaltungsgebäuden, Bibliotheken oder auf Marktplätzen.

In der Diskussion um die Sicherheit von Frauen also allein von dunklen Gassen oder separaten Angsträumen im Stadtbild zu sprechen, ist ein Hohn. Dabei werden in den Debatten zu oft die Gründe für die Angst übersehen: Männer. Nicht alle, aber zu viele.

Seit 2016 stehen auf der Erlanger Bergkirchweih mehrere "Rettungsinseln" bereit. Umzäunte Bereiche, in denen Frauen Schutz finden, wenn sie Angst vor Übergriffen haben oder es bereits zu diesen gekommen ist. Nebenan werden Lieder mit sexistischem Inhalt gegrölt, während der Bierkonsum steigt und die Grenzen sinken. Eine Situation, die völlig paradox und nur schwer erträglich ist.

Volksfeste, Bars, Parks und einsame Straßen sind an sich keine gefährlichen Orte, trotzdem müssen potentielle Täter immer mitgedacht werden – und zwar von Frauen und Veranstaltern.

Sicherheit kann man nur gemeinsam schaffen

Wenn wir über Frauen und ihr Sicherheitsgefühl sprechen, darf der Aspekt des Alltagssexismus nicht fehlen. Denn er befeuert die Angst im Bauch. All diese Situationen gehören zur Lebensrealität von Frauen. Ihnen bleibt keine andere Wahl, als sich mit ihnen auseinanderzusetzen.

Sie haben bereits ihre Werkzeuge verinnerlicht, um möglichst sicher alleine nach Hause zu kommen, wenn der einsame Weg unvermeidbar ist: Mit einer vertrauten Person telefonieren, den Standort durchgeben, die Umgebung genau scannen, den Schlüssel in der Hand halten. Frauen brauchen keine Anleitung und keine guten Ratschläge mehr, sie sind Profis. Einige junge Userinnen berichten auf Sozialen Netzwerken sogar davon, dass sie ausspucken oder laut rülpsen, nur um besonders "abstoßend" zu wirken.

Das Verbrechen in London hat eine neue, längst überfällige Frage in den medialen Raum gestellt: Was können Männer tun, um Frauen ein sicheres Gefühl zu geben? Denn die einseitige Besprechung der Thematik ist nicht mehr tolerierbar. Das Problem ist ein gesellschaftliches und eine Lösung findet sich nicht auf einzelnen "Rettungsinseln". Es bedarf eines breiten Diskurses und einer intensiven Sensibilisierung.

Wenn Sie, liebe Männer, im Alltag also eine Situation erleben, in der eine Frau verbal oder körperlich bedrängt wird, schreiten Sie ein! Fragen Sie: "Fühlen Sie sich sicher? Kann ich Sie unterstützen?". Sprechen Sie mit Ihren Söhnen über Zivilcourage und die Relevanz, ihrem Gegenüber immer auf Augenhöhe zu begegnen. Reagieren Sie in Männergruppen auf aufdringliches Verhalten Ihrer Geschlechtsgenossen. Laufen Sie als Mann im Dunkeln niemals hinter einer Frau, sondern wechseln Sie selbst die Straßenseite, halten Sie Abstand. Oder sagen Sie: "Entschuldigung, haben Sie bitte keine Angst, ich muss Sie nur eben überholen". Diese Maßnahmen kommen Ihnen übertrieben vor? Willkommen in der Realität einer Frau.

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