Heftige Kritik

Auf Kosten der Steuerzahler: Regierung flog für über 500.000 Euro zu EM-Spielen

Sara Denndorf

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24.7.2024, 10:59 Uhr
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) steht mit seiner Frau Britta Ernst auf der Tribüne.

© Christian Charisius/Christian Charisius/dpa Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) steht mit seiner Frau Britta Ernst auf der Tribüne.

Über eine halbe Million Euro kosteten die Besuche von Olaf Scholz, Nancy Faeser und Co. bei den Spielen der Fußball-Europameisterschaft – genauer gesagt: die Anreise zu den Partien. Denn die Regierungsvertreter nutzten den exklusiven Shuttle-Service der Flugbereitschaft des Verteidigungsministeriums, um die Spiele in München, Stuttgart oder Dortmund vor Ort zu verfolgen. Wie die Bundesregierung auf Anfrage der Linken im Bundestag mitteilte, verursachten diese Trips Kosten in Höhe von 531.008,86 Euro.

Besonders die Anreise zum zweiten Gruppenspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Ungarn fällt ins Gewicht: Der Flug von Berlin nach Stuttgart und zurück in die Hauptstadt kostete 114.487 Euro. Das geht aus der Antwort des Verteidigungsministeriums hervor, welches dem "ZDF" vorliegt. Am teuersten war also diese Reise nach Stuttgart, am häufigsten bei den Spielen vertreten war insgesamt Nancy Faeser: Die Innen- und Sport-Ministerin besuchte sieben Partien, Gesundheitsminister Karl Lauterbach sah fünf Spiele im Stadion.

Der Hintergrund: Die UEFA stellte Mitgliedern der Bundesregierung und Vertretern des Bundestags für jedes Spiel der DFB-Elf 30 Ehrenkarten und für jede Partie ohne deutsche Beteiligung zehn Tickets gratis zur Verfügung.

Klima, Kosten, Ehefrau: Linken-Politiker erheben schwere Vorwürfe

Allerdings kamen die Stadionbesuche von Olaf Scholz und Co. sowohl im Bundestag als auch in Teilen der Bevölkerung gar nicht gut an. Sören Pellmann, Bundestagsabgeordneter aus der Links-Partei, kritisierte gegenüber "MDRaktuell" etwa, "dass man innerhalb des eigenen Landes durch die Luft chattet und das Ganze mit der Flugbereitschaft mit enormen Kosten verbunden ist, in Frankfurt am Main sogar unter Umgehung des Nachtflugverbotes". Im Sinne der Mobilitätswende hätten die Minister nach Ansicht der Linken lieber die Bahn nutzen sollen. Der Sprecher des Bundesministeriums für Inneres, Heimat und Sport rechtfertigte die Wahl der Reisemittel in einem Statement mit "terminlichen Gründen" und "Sicherheitsaspekten".

Doch nicht nur die Klimaschädlichkeit von Inlandsflügen, sondern insbesondere die immensen Kosten der Stadionbesuche stoßen den Linken bitter auf. Gegenüber "Welt" argumentierte Pellmann: "Wer für sechs angebliche Dienstreisen Kosten von über einer halben Million Euro verursacht, ist entweder völlig verantwortungslos oder endgültig abgehoben." Die Flugbereitschaft dürfe "nicht die alternative Reisemöglichkeit für ein abendliches Unterhaltungsprogramm der Bundesregierung sein".

Das Innenministerium wehrte sich gegen die Vorwürfe, ein Sprecher ließ verlauten: "Diese Stadionbesuche erfolgten aus dienstlichem Anlass. Bundesministerin Faeser ist als Innenministerin vor allem für die Sicherheit im Land und der Gäste aus ganz Europa verantwortlich und nimmt als Sportministerin bei Sportgroßveranstaltungen wie der Fußball-EM eine zentrale Rolle innerhalb der Bundesregierung ein."

"Auf Kosten der Allgemeinheit"

Der dritte zentrale Kritikpunkt der Linken betrifft kein unmittelbares Mitglied des Bundestags, sondern die Ehefrau des Bundeskanzlers: Britta Ernst begleitete ihren Gatten Olaf Scholz zu mehreren Spielen, unter anderem auch zum Finale zwischen Spanien und England.

Allerdings sieht die UEFA eine Vergabe der Ehrenkarten ausnahmslos für hohe Repräsentanten des Staates vor – und nach Ansicht der Linken gehört Ernst, die bis 2023 das Amt der Bildungsministerin in Brandenburg innehatte, nicht zu diesem elitären Kreis. Christian Görke kritisierte: "Während echte Fans tief in die Tasche greifen mussten, saß die Kanzler-Gattin mehrfach auf Premiumplätzen - und das kostenlos beziehungsweise auf Kosten der Allgemeinheit." Der Linken-Politiker fordert die Kanzlergattin demnach dazu auf, die Kosten für die Tickets und die Nutzung der Flugbereitschaft aus eigener Tasche zu zahlen.

Auch diese Vorwürfe weisen die Betroffenen von sich. Die Bundesregierung teilte auf "Welt"-Anfrage mit, es sei "Staatspraxis", dass sich der Bundeskanzler zu derartigen Anlässen von seiner Ehefrau begleiten ließe.