CSU spricht von "Missinterpretation"

Bayerisches Bündnis wehrt sich gegen Söders Gender-Verbot

Minh Anh Nguyen

Online-Redaktion

E-Mail zur Autorenseite

16.1.2024, 16:28 Uhr
Gender-Verbot: Ministerpräsident Markus Söder äußerte sich während seiner Regierungserklärung für ein Gender-Verbot an Schulen und Verwaltungen.

© IMAGO/Sascha Steinach Gender-Verbot: Ministerpräsident Markus Söder äußerte sich während seiner Regierungserklärung für ein Gender-Verbot an Schulen und Verwaltungen.

Am 5. Dezember kam Ministerpräsident Markus Söder in seinem "Regierungsprogramm der Zukunft" neben Themenpunkten wie der Energieversorgung, Digitalisierung und der Mobilität auch auf das Gendern zu sprechen. "Für Bayern steht fest: Mit uns wird es kein verpflichtendes Gendern geben", erklärt der CSU-Politiker. "Im Gegenteil: Wir werden das Gendern in Schulen und Verwaltungen sogar untersagen."

Mitte Dezember veröffentlichte ein Aktionsbündnis, bestehend aus dem Netzwerk Geschlechterforschung und Gleichstellungspraxis Bayern, der Landeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an bayerischen Hochschulen (LaKoF) und Einzelpersonen, einen offenen Brief zur Regierungserklärung der Bayerischen Landesregierung. In dieser kritisierte der Zusammenschluss das vom Ministerpräsidenten geplante Gender-Verbot für bayerische Schulen, Hochschulen und Verwaltungen. Die Kritik des Bündnisses findet viel Zustimmung.

Söders Ankündigung irritiert und verärgert

Das geplante sogenannte "Gender-Verbot" stößt im Netzwerk des Bündnisses auf Unmut: "Viele waren von der Ankündigung Söders sehr irritiert und auch verärgert", erklärt Dr. Imke Schmincke, akademische Oberrätin des Lehrstuhls Soziologie und Gender Studies an der LMU München und Teil des Netzwerkes, gegenüber unserer Redaktion. Aus diesem Grund fand sich schnell ein Aktionsbündnis, welches einen offenen Brief formulierte. In diesem erklären die Akteur*innen, dass ein Verbot ein Rückschritt sei und den grundsätzlich verankerten Prinzipien der Gleichbehandlung widerspreche.

Das geplante Verbot verstoße gegen das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland sowie den im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz verbürgten Rechten. "Spätestens seit dem Personenstandsgesetz (PstG) § 22 Abs. 3 aus dem Jahr 2018 ist auch juristisch ausdrücklich entschieden, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt. Deswegen betonen wir einerseits das Recht gemäß Art. 2 Abs. I GG und anderseits die Pflicht nach Art. 3 Abs. III GG, uns in allen gesellschaftlichen Bereichen geschlechtergerecht auszudrücken."

"Die deutsche Sprache war und ist lebendig. Sie ist ein Spiegelbild unserer sich verändernden demokratischen Gesellschaft, die inkludiert anstatt auszugrenzen", lautet es in dem Schreiben. Zu den Erstunterzeichnern gehören das Netzwerk Genderforschung und Gleichstellungspraxis Bayern, die Gewerkschaft ver.di Landesbezirk Bayern, das Kompetenzzentrum Gender & Diversity (KomGeDi) an der Technischen Hochschule Nürnberg und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Kreisverband Nürnberg. Seit der Veröffentlichung reihen sich neben Ihnen zahlreiche Personen aus zahlreichen Personenkreisen innerhalb und außerhalb Bayerns. Aktuell haben mehr als 7500 Personen unterschrieben.

Mit einer derartigen Resonanz hatte das Netzwerk zunächst nicht gerechnet, schildert Schmincke. Der Zusammenschluss wusste zuvor, dass viele Menschen mit der Aussage in Söders Regierungserklärung "überhaupt nicht einverstanden" sind. Trotzdem waren die Akteur*innen davon überrascht, wie schnell der offene Brief sich verbreitet hatte. "Wir haben ja kaum Werbung für den Brief gemacht, sondern ihn nur in unseren Netzwerken geteilt".

Markus Blume kritisiert "Missinterpretation"

Markus Blume (CSU), Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, kritisiert gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" (SZ), dass die Initiatoren des Briefes "offensichtlich bewusst, durch Missinterpretation den Eindruck einer Benachteiligung von Personen oder Gruppen vermitteln". Blume sagt, dass die Aussagen falsch seien und dass sich die Staatsregierung zur geschlechtergerechten Sprache bekenne. Weiter gelte für Hochschulen das amtliche Regelwerk nach den Empfehlungen des Rates für Deutsche Rechtschreibung - "nicht mehr und nicht weniger". Der Minister spricht sich aber deutlich gegen "sprachliche Künstlichkeit und spracherzieherische Tendenzen" aus, berichtet die Zeitung.

Im Juli 2023 hatte sich der Rat für deutsche Rechtschreibung sich bereits dagegen ausgesprochen, das Gendersternchens als reguläres Sprachzeichen in das Amtliche Regelwerk aufzunehmen. Der Rat begründet seine Entscheidung wie folgt: "Sonderzeichen innerhalb von Wörtern beeinträchtigen die Verständlichkeit, die Lesbarkeit, die Vorlesbarkeit und die automatische Übersetzbarkeit sowie die Eindeutigkeit und Rechtssicherheit von Begriffen und Texten", berichtet der "BR".

Ende des Jahres änderte sich die Meinung des Expertengremiums jedoch und es zeigen sich jüngst immer mehr Stimmen für eine Akzeptanz des Gendersternchens, berichtet "BR". Da es in der Debatte nicht um orthografische, sondern um typographische Zeichen gehe, fällt der Gendersternchen zudem nicht in die Zuständigkeit des Rechtschreibrates.

Aktionsbündnis "bleibt an dem Thema dran"

"Vielfalt lässt sich nur sehr begrenzt sprachlich abbilden", erklärt Schmincke bezugnehmend auf Blumes Aussage. "Man wird nur eine Annäherung finden und diese sollte gleichzeitig nicht zu kompliziert sein." Weiter sagt die Soziologin, dass der Brief zunächst vor allem die Freiheit wahren möchte, verschiedene Sprachformen nutzen zu können. "Von daher ist mir unerklärlich, weshalb Herr Blume 'spracherzieherische Tendenzen' am Werk sieht."

Wie genau die Bayerische Regierung das Gender-Verbot umsetzen will, ist noch nicht ausgearbeitet, äußert das Wissenschaftsministerium auf Nachfrage der "SZ". Auch die Initiatoren ist gespannt, wie das "Gender-Verbot" nach Ansichten des Ministerpräsidenten überhaupt umgesetzt werden soll. Wie genau das Netzwerk dann agieren wird, würde es in den nächsten Wochen planen, erklärt Schmincke. "Aber dass wir an dem Thema dranbleiben, sind wir ja allein schon den vielen Menschen schuldig, die den offenen Brief unterschrieben haben."

Anmerkung der Redaktion: Im Verlaufe des Gespräches mit der Soziologin Dr. Imke Schmincke erklärte sie, dass geschlechtergerechte Sprache bedeutet, "einerseits Gleichheit zwischen den Geschlechtern herzustellen, andererseits aber auch die geschlechtliche Vielfalt sichtbar werden zu lassen, beziehungsweise Menschen, die sich nicht als männlich oder weiblich identifizieren, sprachlich nicht zu unterdrücken". Aus Rücksicht gegenüber der geschlechtlichen Vielfalt werden in diesem Artikel Sprachformen genutzt, die möglichst alle Geschlechter ansprechen sollen.

9 Kommentare