Inzidenz-Verzerrung
Bayern-FDP: Söder-Regierung hat mit "manipulierten Zahlen Glaubwürdigkeit verspielt"
6.12.2021, 12:43 Uhr"Persönlichkeiten in führenden Ämtern, die die Bürger täuschen, sind nicht länger tragbar": Das Fazit, das der Fraktionsvorsitzende der FDP im Bayerischen Landtag, Martin Hagen, am Montagmorgen bei einer Pressekonferenz zieht, fällt vernichtend aus. Vor einigen Tagen wurde durch Recherchen der Welt bekannt, dass die Aufschlüsselung der Inzidenzen in "geimpft" und "ungeimpft", die das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) einmal wöchentlich herausgibt, massiv verzerrt ist.
Demnach waren in der beispielhaften Woche vor dem 24. November von 81.782 gemeldeten Infizierten 14.652 ungeimpft und 9641 geimpft. In 57.489 Fällen - das sind etwa 70 Prozent - war ein Impfstatus nicht erfasst worden. Trotzdem hatte die Söder-Regierung ihre letzte Corona-Verordnung am vergangenen Freitag unter anderem damit begründet, die Inzidenz der Ungeimpften liege in Bayern bei 1600, die der Geimpften bei 100.
Inzidenz der Ungeimpften: Söder nutzte falsche Zahlen
Hagen bezeichnet diese massiv verzerrte Darstellung auf einer Pressekonferenz am Montag als Vertrauensbruch. "Es gibt gute Argumente für die Impfung und deshalb ist es so fatal, wenn die Regierung mit manipulierten Zahlen ihre Glaubwürdigkeit verspielt." Geimpfte seien über ihr tatsächliches Risiko, sich anzustecken, getäuscht worden. "Der Begriff der Pandemie der Ungeimpften ist vor diesem Hintergrund gefährlich, da er Geimpfte in Sicherheit wiegt."
Außerdem, so Matthias Fischbach, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP im Bayerischen Landtag, müsse nun geprüft werden, inwieweit auch Entscheidungen auf Bundesebene durch diese falschen Zahlen aus Bayern beeinflusst worden seien.
Der Präsident des LGL, Walter Jonas, wies die Vorwürfe zurück und verwies auf beispielhafte Berechnungen aus dem September. Zunächst habe man lediglich in 60 Prozent der gemeldeten Corona-Fälle Angaben zum Impfstatus enthalten - das LGL berechnete laut Jonas damals, dass auf einen geimpften Corona-Positiven 14 Ungeimpfte kamen. Nach den später durchgeführten Nachermittlungen habe der Wert dann bei 1 zu 12,1 gelegen. Das LGL sei mit seiner Berechnung also "sehr nah" an den tatsächlichen Daten gelegen.
"Extrem verzerrte Darstellung"
Hagen will diese Begründung nicht gelten lassen. "Wir haben große Zweifel an der Aussage von Jonas. Sie kann kaum zutreffen." Daten aus anderen Bundesländern, die ihre Zahlen detailliert veröffentlichen, wie beispielweise Schleswig-Holstein, legen ein Verhältnis nahe, das bei einer etwa 2,5 bis 3,5 höheren Inzidenz bei den Ungeimpften liegt.
Am Montagmittag reagierte Bayerns Gesundheitsminister auf die Vorwürfe der FDP. Tatsächlich sei das Thema gar kein so großes, sagte Klaus Holetschek, die Diskussion eher eine "fachliche Frage". Die Maßnahmen, die in Bayern gelten, leiten sich nicht von dem Impfstatus der Infizierten ab, sondern von der Krankenhausauslastung. "Das entscheidende ist, dass heute 1069 Intensivbetten belegt ist und das entscheidende ist die Inzidenz, die sich nicht verändert durch die Differenzierung." Manipulation und Täuschung, sagt Holetschek, könne er nicht erkennen.
Fischbach will diesen Einwand nicht gelten lassen. "Söder hat noch am Freitag mit Inzidenzen von 1600 bei den Ungeimpften und 100 bei den Geimpften argumentiert. Das ist keine kleine Unschärfe, sondern eine extrem verzerrte Darstellung, die einer Erklärung bedarf."
Bayern-FDP fordert personelle Konsequenzen
Es gelte nun zu ermitteln, wer die Verantwortung trage. "Dass sie angeblich nichts wusste, finde ich für die Führungsstärke der Staatskanzlei bemerkenswert", so Fischbach. Man müsse nun herausfinden, was der Ministerpräsident gewusst habe. "Wurde bewusst mit diesen Zahlen Politik gemacht?"
Die Bayern-FDP fordert zudem eine lückenlose Datenerfassung. "Wir müssen die Corona-Politik endlich auf eine belastbare Datenbasis stellen. Die Politik stochert im Nebel und beschließt Maßnahmen auf völlig unzureichender Datenbasis", sagt Hagen.
Auch die am Freitag beschlossene 2G-Regelung im Einzelhandel wollen die bayerischen Liberalen nun nochmals auf den Prüfstand stellen. "Das Argument gegen 3G war ja, dass ein ungetesteter Geimpfter weniger gefährlich ist als ein getesteter Ungeimpfter. Diese These wird vor dem Hintergrund dieser Sache noch einmal ganz neu zu überlegen sein", so Hagen.
Sollte es bis Dienstag keine Regierungserklärung des Ministerpräsidenten geben, will die Bayern-FDP eine aktuelle Stunde zum Thema setzen.
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