Bundesagentur-Chefin Holsboer muss um Amt kämpfen
11.6.2019, 11:16 Uhr"Ich liebe es, im politischen Umfeld zu arbeiten, ohne selbst ein Politiker sein zu müssen, der um Wählerstimmen kämpft": So hat es Valerie Holsboer einmal formuliert, kurz bevor sie im April 2017 den Vorstandsposten bei der Bundesagentur für Arbeit antrat. Doch genau das muss die 42-Jährige nun, gut zwei Jahre später, offenbar tun: um Stimmen kämpfen. Genauer: um die Stimmen im Verwaltungsrat, dem obersten Entscheidungsgremium der Behörde.
Nach Informationen unserer Zeitung will der Verwaltungsrat Holsboer von ihrem Posten abberufen - dabei läuft ihr Vertrag noch gut drei Jahre. Die entscheidende Sitzung soll bereits am 12. Juli stattfinden. Voraussetzung für die Ablösung ist eine Mehrheit in der Runde, in der zu gleichen Teilen Vertreter der Gewerkschaften, der Arbeitgeber und des Staates sitzen.
Es ist davon auszugehen, dass Valerie Holsboer über die Machtverhältnisse in dem Gremium bestens Bescheid weiß - sie war jahrelang selbst Verwaltungsrätin, bis sie 2017 in den Vorstand wechselte. Betrieben hatte Holsboers Berufung damals die Arbeitgeberseite. Was durchaus naheliegend war: Die Münchnerin fungierte zu diesem Zeitpunkt als Hauptgeschäftsführerin bei der Arbeitgebervereinigung Nahrung und Genuss und im Bundesverband der Systemgastronomie.
Kulturwandel traf auf Widerstände
Ausgerechnet die Arbeitgeber sind es nun aber, die Holsboer wieder los werden wollen - und dafür offenbar die Unterstützung der Gewerkschaften haben. Sie werfen Holsboer vor, den strukturellem Umbau der Behörde - weg von den Erfordernissen der Massenarbeitslosigkeit, hin zur Betreuung eines kleinen Kerns von Menschen, die bereits länger arbeitslos sind und intensive Unterstützung brauchen - nicht entschieden genug vorangetrieben zu haben. Wie es heißt, sollen auch mehrmalige Krisengespräche erfolglos geblieben sein.
Verteidiger Holsboers argumentieren dagegen, Kern des Konflikts sei der von der Juristin angestoßene Kulturwandel, mit dem die bisher strikt hierarchisch organisierte Behörde moderner, transparenter und effizienter werden soll. Dies brachte Holsboer viel Wertschätzung bei Mitarbeitern ein, stellt aber auch bestehende Machtstrukturen in Frage.
Arbeitgebervertreter Peter Clever, derzeit Vorsitzender des Verwaltungsrats der Bundesagentur, teilte auf Anfrage der Nürnberger Nachrichten mit, er werde sich zu Personalfragen nicht öffentlich äußern. Als mögliche Nachfolgerin Holsboers ist einem Bild-Bericht zufolge aber bereits Christiane Schönefeld im Gespräch. Die 61-Jährige ist derzeit Vorsitzende der Geschäftsführung der Bundesagentur-Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen.
Doch Valerie Holsboer will um ihr Amt kämpfen. Ihr Büro lässt auf Anfrage unserer Redaktion ausrichten, Holsboer betreibe ihre Sacharbeit mit "vollem Elan". Unterstützer hat schließlich auch sie auf ihrer Seite. Auf LinkedIn, einer Plattform für Geschäftskontakte, hat ein Beschäftigter eine Verteidigungsrede für die Vorstandsfrau veröffentlicht, Überschrift „Das Alte wehrt sich vehement“. In dem Text heißt es, dank Holsboer seien Vertrauen und Hoffnung gewachsen – weil sie Nähe und Emotionen zeige. „Wenn Frau Holsboer gehen muss, werden dieses Vertrauen und die Hoffnungen nicht nur zerstört, es wird danach sehr schwer werden, dieses wieder aufzubauen.“
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