CDU kämpft: Austrittswelle, Frust an der Basis und miserable Umfragen

Harald Baumer

Berlin-Korrespondent der NN

E-Mail zur Autorenseite

22.4.2021, 19:54 Uhr
Ministerpräsident Armin Laschet im Bundesrat am 22. April

© imago images/Bernd Elmenthaler Ministerpräsident Armin Laschet im Bundesrat am 22. April

Vermutlich bräuchte er jetzt erst mal Urlaub. Das Kandidatenduell mit Markus Söder dürfte zu den nervenaufreibendsten Tagen im Leben des Armin Laschet gehört haben. Doch an Urlaub ist nicht zu denken. Der 60-Jährige muss statt dessen binnen weniger Wochen eine völlig aus dem Ruder gelaufene CDU einfangen. Eine Partei, der die Mitglieder davonlaufen und die in den Umfragen so schlecht wie selten zuvor abschneidet.

Wie tief der Stachel sitzt, das beweist das Verhalten mancher Christdemokraten in den ostdeutschen Bundesländern. Dort gibt es besonders viele Fans des bayerischen Ministerpräsidenten und für sie ist die Angelegenheit noch lange nicht erledigt, auch wenn ihr Parteivorsitzender Laschet nun offiziell der Kanzlerkandidat ist.


Laschet: Nach Merkel beginnt eine neue Zeit


Am 6. Juni wird in Sachsen-Anhalt gewählt. Die dortige CDU und ihr Ministerpräsident Reiner Haseloff sind seit Jahren in einem Abwehrkampf gegen die AfD, die momentan in den Umfragen bei etwa 23 Prozent liegt. Ein Armin Laschet, der das Erbe Merkels bewahren will, ist da niemand, mit dem man erfolgreich werben könnte. Deswegen hat Landesvorsitzender Sven Schulze der Bild-Zeitung schon mal verraten: "Ich werde Markus Söder einen Brief schreiben und ihn bitten, dass auch er uns im Wahlkampf unterstützt."

Ist der Kandidat überhaupt vorzeigbar?

In ausgeprägt konservativen Landesverbänden wie Baden-Württemberg, Berlin und eben im Osten hätte man mit einem Kanzlerkandidaten Friedrich Merz oder Markus Söder gut leben können. Den jetzt auserkorenen Bewerber will man aber nicht so gerne vorzeigen - aus Angst, er könne mit seinen Auftritten mehr Schaden anrichten als Nutzen bringen.


Netzreaktionen zu Laschet als Kanzlerkandidat


Republikweit häufen sich die Meldungen von Parteiaustritten. Zum Beispiel in Rheinland-Pfalz, wo von "Verwerfungen" an der Basis die Rede ist. Dort hatte sich die im Lande durchaus populäre Ministerin und Landesvorsitzende Julia Klöckner zwar hinter Laschet gestellt, aber eine Mehrheit der Kreisverbände sah es anders.

Der CDU-Vorsitzende hat das alles natürlich zur Kenntnis genommen. Er kündigte an, dass er "viele Gespräche führen, zusammenführen, auch Gegensätze wieder zusammenbringen" wolle. Eine leichte Aufgabe ist das nicht, denn in der Partei gibt es mehr als 300 Kreisverbände. Laschet wird nur einen Bruchteil von ihnen besuchen können, er hat ja auch sein Amt als NRW-Ministerpräsident und wird schon bald jede Menge Wahlkampftermine wahrnehmen müssen. Allzu viel Seelenmassage an der Basis ist nicht möglich.


Nach Rückendeckung: Laschet, der ewig Unterschätzte


Bloße Pflichtübung reicht nicht

Im Lager des Kanzlerkandidaten blickt man intensiv nach Bayern. Markus Söder und die CSU haben versprochen, Laschet zu unterstützen. Das kann aber auf höchst unterschiedliche Weise geschehen - als bloße Pflichtübung oder mit einer gewissen Leidenschaft. Die erste Variante dürfte nicht ausreichen, die CDU aus ihrem derzeitigen Tief herauszuholen.

Die drei aktuellsten Umfragen sehen die Union bei 21 Prozent (Forsa), 27 Prozent (INSA) und 28 Prozent (Allensbach). Wenn man davon ausgeht, dass die Wahrheit etwa in der Mitte liegt, dann müssen CDU und CSU bis zum 26. September mindestens noch vier, fünf Prozentpunkte zulegen, um eine Regierung an ihnen vorbei verhindern zu können.


Nach Rückendeckung: Laschet, der ewig Unterschätzte


Wer wissen möchte, was die Basis von Armin Laschet hält, der muss sich nur mal eine halbe Stunde in den Sozialen Netzwerken tummeln, etwa auf seinem Facebook-Account. Solch ein Überblick ist zwar nicht repräsentativ, aber angesichts mehrheitlich ablehnenden Beiträgen kann es nicht ganz so falsch sein.

Vorstand "fernab der Realität"

Eine Frau schrieb in Anspielung auf die beiden Unionskandidaten: "Stell Dir vor, du eröffnest eine Eisdiele. 81 Prozent deiner Kunden mögen gerne Vanille, 19 Prozent Schokolade - du darfst aber nur eine Sorte anbieten und entscheidest dich nach langer Beratung für Schokolade." Andere gratulieren bereits den Grünen dazu, dass sie nun erstmals die Kanzlerin stellen dürften.

Besonders hart für Laschet: Gerade jetzt wirbt die CSU außerhalb Bayerns in den Sozialen Netzwerken um Mitglieder in den anderen Bundesländern. Es sollen bereits Hunderte von Neuzugängen sein. Der Zeitpunkt ist bemerkenswert, denn gerade erst hatte man in München ja Markus Söder als den eigentlichen "Kandidat(en) der Herzen" bezeichnet. Nun fragen sich viele, ob diese Werbeaktion nicht als ein weiterer Seitenhieb gegen Laschet verstanden werden muss.


Kommentar: Söder macht Laschet zum Pyrrhussieger


Dass es in der Union nun ernsthafte Bestrebungen gibt, die K-Frage künftig anders zu klären, dürfte bei den anstehenden Wahlen nicht mehr allzu viel helfen. Julia Klöckner forderte die Gründung eines "Entscheidungsrates" aus CDU und CSU, Bernd Althusmann aus Niedersachsen machte den Vorschlag, die Basis einzubinden. Allerdings setzen diese Überlegungen eines voraus: dass die Union bei den übernächsten Wahlen im Jahr 2025 noch in der Position sein wird, einen aussichtsreichen Kanzlerkandidaten zu benennen.

6 Kommentare