Kommentar

Debatte über Rechtsextremismus: Lohnt es sich noch, in Deutschland eingebürgert zu werden?

Alexandra Amanatidou

SEO-Redakteurin

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25.1.2024, 12:30 Uhr
Demo gegen Rechts auf dem Willy-Brandt-Platz in Nürnberg.

© Stefan Hippel, NN Demo gegen Rechts auf dem Willy-Brandt-Platz in Nürnberg.

Es ist etwas mehr als eine Woche her, als Berichte die Runde machten, Mitglieder der Alternative für Deutschland, der Werteunion und Unternehmer hätten sich im November 2023 mit der rechtsradikalen Identitären Bewegung in Potsdam getroffen. Das enthüllte das Recherchenetzwerk Correctiv. Seitdem sind die Themen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus allgegenwärtig. Sei es in privaten Gesprächen, auf Social Media oder einfach beim Fernsehen: Die Diskussion lässt nicht nach.

Bei der Wannseekonferenz 2.0, wie das Treffen mittlerweile genannt wird, ging es um Fantasien von Remigration und von der Vertreibung von Millionen von Menschen. Den Namen trägt das Treffen, weil es nur wenige Kilometer Luftlinie von dem Haus, wo 1942 die Wannseekonferenz war, stattfand. Damals haben dort Nazis die systematische Vernichtung von Juden und Jüdinnen organisiert und koordiniert.

Das alles hätte mich schockieren sollen. Aber dass Mitglieder der AfD derartige Fantasien formulieren konnten, hat mich ehrlicherweise nicht überrascht. Dass sie dabei Unterstützung der Wertunion und diverser Geschäftsleuten erhalten, war mir hingegen neu - und bereitet mir Sorgen.

Seit 2017 wohne ich in Deutschland. Ich habe Freunde gemacht, Lieblingslokale entdeckt und generell mein Leben hier aufgebaut. Trotzdem fühlte ich mich nach den Enthüllungen unsicher. Ich stelle mir die Frage: Lohnt es sich überhaupt noch, die deutsche Staatsbürgerschaft zu beantragen? Was bringt es mir, einen deutschen Pass zu haben, wenn ich mich womöglich vor einer Deportation fürchten muss. Wenn Hass und Diskriminierung gegenüber marginalisierten Gruppen in der Zukunft immer offener ausgelebt werden könnten?

Somit spürte ich noch ein Gefühl: Angst. Eine nicht zu übersehende Angst vor meiner Zukunft in meiner Wahlheimat. Wie wird es wohl für mich aussehen, wenn Rechtsextreme noch stärker werden?

Die zahlreichen Demonstrationen, die bundesweit seit Tagen stattfinden, haben mich etwas beruhigt. Wir brauchen in Deutschland eine starke Mehrheit, die sich klar gegen Hass und eine menschenverachtende Politik positionieren kann. Eine Gesellschaft, die sich nicht so einfach spalten und polarisieren lässt. Die bereit ist, ins Gespräch zu gehen und andere Meinungen zu akzeptieren. Und vor allem brauchen wir eine Bevölkerung, die die Rechte anderer respektiert und schützt.

Dazu müssen die Stimmen von Menschen mit Einwanderungsgeschichte in den Medien und in der Politik lauter werden. Mit einem deutschen Pass zum Beispiel kann sich jeder und jede einbringen und dagegenwirken - sei es in der Bundestags- oder in der Landtagswahl. Denn zum Glück leben wir in einer Demokratie, in der jede Stimme den Unterschied machen kann. Und da hatte ich schon meine Antwort: Ja, es lohnt sich noch, Deutsche zu werden. Denn somit kann auch meine Stimme lauter werden.