Digitalisierung an Schulen: Bayern will den "Turbo" zünden

Roland Englisch

Nürnberger Nachrichten

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23.7.2020, 17:11 Uhr

Es ist eine seltene Form der Genugtuung für Michael Piazolo. Er habe nochmal sein Antragspaket von 2017 durchgelesen, erzählt der Politiker der Freien Wähler. Vieles von dem, was er damals aufgeschrieben hat, "tun wir jetzt."

Das ist freilich nicht nur das Verdienst Piazolos, der sei zwei Jahren als Bildungsminister für die Schulen zuständig ist. Vor allem die Corona-Pandemie mit dem radikalen Lockdown der Schulen hat bewirkt, was Ministerpräsident Markus Söder (CSU) einen "Digital-Turbo" nennt. Denn der Unterricht zuhause zeigte schonungslos die Defizite auf, unter denen Bayerns Schulen leiden. "Neben der Wirtschaft", sagt Söder heute, "ist das mit Abstand wichtigste Thema, wie wir die Schulen entwickeln und zukunftsfest machen."

Den Anforderungen standhalten

Pläne und Projekte, wie das geschehen kann, gibt es schon lange. Das Programm 50 000 digitale Klassenzimmer etwa. Das ist bisher erst zur Hälfte umgesetzt; und es erreicht bei weitem nicht jede Klasse. Zumal sich beim Lockdown gezeigt hatte, dass weder die technische Ausstattung der Schulen, Schüler und Lehrkräfte ausreicht, noch die virtuellen Möglichkeiten den Anforderungen standhalten.

So brach die für Schulen reservierte Internetplattform Mebis unter dem Ansturm immer wieder zusammen, blieben Schulen außen vor, weil sie keinen leistungsfähigen Internetzugang besitzen. Das soll sich ändern, auch, weil nach den Sommerferien mit der Corona-Pandemie der Ausnahmezustand an den Schulen nicht vorbei sein wird. Bayern verdoppelt deshalb seine Digitalisierungsprogramme nahezu. 1,1 Milliarden Euro sind dafür bis 2024 vorgesehen, vom Bund fließen noch einmal 900 Millionen.


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Zu den dicksten Brocken zählt die Bayern-Cloud, ein virtueller Gigaspeicher für Schulen, Schüler und Lehrkräfte. 223 Millionen Euro sind dafür eingeplant, weitere 90 Millionen für den Unterhalt. Daneben ist eine Plattform geplant, die Piazolo "Mebis-Tube" nennt, angelehnt an den Videokanal Youtube. Rund 65 000 Lernvideos und Potcasts haben die Lehrkräfte mittlerweile erstellt. Sie sollen dort gebündelt werden.

Opposition verlangt mehr

Dafür soll ein eigenes Schulrechenzentrum entstehen, Standort und Kosten noch unbekannt, mit 200 Mitarbeitern. 600 Stellen sieht der Freistaat für Systemadministratoren vor, die sich auf alle Städte und Landkreise verteilen – auf jeden kämen dann zehn Schulen. Weitere hundert Stellen will das Kultusministerium schaffen für Lehrkräfte, die Lehrkräfte im Umgang mit der IT schulen.
Eine Zahl, die die Opposition viel zu niedrig findet. 150 000 Lehrkräfte unterrichten an den Schulen rund 1,7 Millionen Kinder und Jugendliche. Es dauert Jahre, bis alle Lehrkräfte geschult sind.

Viel zu niedrig sei auch die Zahl an Tablets und PCs, die der Staat einplant. 250 000 will er anschaffen als Leihgeräte für Schüler, deren Eltern sich die Ausstattung nicht leisten können; 20 000 sind für die Lehrkräfte vorgesehen. Andere Bundesländer sind weiter. Nordrhein–Westfalen etwa stattet seine 200 000 Lehrkräfte komplett aus.

Söder macht allerdings geltend, es sei zunächst nur eine Testphase, bis klar sei, welche Geräte am besten geeignet sind. Für den Freistaat bedeutet dies, dass auch in Zukunft erhebliche Kosten auf ihn zukommen werden. Schließlich müssen alte Geräte ersetzt, das zusätzliche Personal bezahlt und Softwarelizenzen finanziert werden. Nur so, sagt er, könne beides gelingen: "Unterricht in der Schule und zuhause."

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