Bei Gas-Lieferstopp

Energie-intensive Herstellung: Gibt es bald keinen Käse mehr?

Stefan Besner

Online-Redaktion

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13.7.2022, 11:05 Uhr
Kein Gas - kein Käse und keine Lösung in Sicht. (Symbolfoto)

© Philipp Brandstädter/dpa Kein Gas - kein Käse und keine Lösung in Sicht. (Symbolfoto)

Ein Stopp der Gaslieferungen aus Russland hätte in Deutschland schwere Folgen. Die als Konsequenz befürchtete Rationierung des fossilen Energieträgers träfe auch viele Unternehmen in der Lebensmittelbranche, darunter die Molkereien. "Wenn den Molkereien das Gas abgedreht wird, dann droht der Branche ein massiver Produktionsstopp", eklärt Milchexperte Ludwig Huber, Vorstandsvorsitzender des Molkereiverbandes Milch.Bayern e.V. gegenüber dem BR. Das Milch- und Käseangebot könnte somit spürbar einbrechen, weitere Preissteigerungen wären unvermeidbar.

Krisengipfel der deutschen Milchbranche

Wegen des drohenden Gas-Lieferstopps tagte deshalb bereits der Milchausschuss des Deutschen Bauernverbandes. Lebensmittelversorgung sei systemrelevant, wichtiger noch als Wärme, wichtiger als die Wohnung, die ein Grad kälter oder wärmer sei, warnte der Vizepräsident des Bayerischen Bauernverbandes, Günther Felßner, nach einem Treffen im mittelfränkischen Triesdorf. Würde der Gashahn zugedreht, werde schon zwölf Stunden später die Milch an den Höfen nicht mehr abgeholt und ein bis zwei Tage später gebe es keine Milchprodukte mehr in den Supermarktregalen.

Die Lebensmittelindustrie als kritische Infrastruktur

"Auch Molkereien müssen zur kritischen Infrastruktur gezählt werden und im Fall der Fälle weiter mit Gas versorgt werden", fordert Huber von der Politik, da es bisher keinerlei Signale diesbezüglich gegeben habe, auch in Hinblick auf die Lieferketten. "Uns hilft es nichts, wenn wir arbeiten können, aber die Verpackungsindustrie nicht, dann können wir unsere Produkte auch nicht verkaufen." Zur kritischen Infrastruktur werden die Bereiche Gesundheit und Energie, insbesondere Krankenhäuser sowie die generelle Stromversorgung gezählt. Ernährung gehört momentan nicht dazu.

Produktions-Stopp um jeden Preis verhindern

Sollte Russlands Präsident Wladimir Putin tatsächlich einen Gas-Lieferstopp anordnen, müsste Deutschland mit den Reserven in den Gasspeichern und Lieferungen aus anderen Ländern auskommen. Es ist jedoch mehr als zweifelhaft, ob damit alle Bereiche zur Genüge abgedeckt werden könnten. Falls nicht, müsste eine Priorisierung vorgenommen werden. Die Molkerei Berchtesgadener Land stellt deshalb bereits jetzt von Gas auf Öl um und setzt auf Notstromaggregate. Öltanks und ein Heizöllaster wurden bereits angeschafft. Mehrere Millionen Euro habe das gekostet, erklärte Bernhard Pointer, Geschäftsführer von Berchtesgadener Land in einem Bericht der Tagesschau. Auf eine mögliche Priorisierung bei der Gasversorgung will man sich hier lieber nicht verlassen. Weniger finanzstarke Molkereien sehen einem drohenden Gas-Aus hingegen nicht so gut vorbereitet entgegen.

Ministerium schiebt Verantwortung weiter

Für die kritische Infrastruktur ist in Deutschland das Bundeswirtschaftsministerium von Robert Habeck verantwortlich. Auf eine Anfrage des BR, was ein Gas-Stopp aus Russland generell für die Lebensmittel- und Ernährungsbranche in Deutschland, speziell die Molkereien, bedeuten würde, antwortete Habecks Ministerium nur vage. Die Lage sei ernst. Man müssen sie sehr genau beobachten. Es werde jeden Tag neu über das weitere Vorgehen entschieden. Derzeit könne die Menge an Gas am Markt beschafft werden. Es werde aktuell auch weiter eingespeichert. Mit Blick auf die Molkereien schiebt das Ministerium die Verantwortung weiter: "Ob Molkereien bei der Ausrufung der 3. Stufe des Notfallplans von einer eventuellen Gasreduzierung betroffen sind, können wir nicht sagen. Hier entscheidet allein die Bundesnetzagentur, die hierfür entsprechende Pläne entwickelt", hieß es in dem Schreiben.

Kein Gas, kein Käse, keine Lösung in Sicht

Tritt der Fall der Fälle ein, formuliert es die Bundesnetzagentur so: "Die in einer Mangellage zu treffenden Entscheidungen sind immer Einzelfall-Entscheidungen, weil die dann geltenden Umstände von so vielen Parametern (unter anderem Gasspeicherfüllmengen, Witterungsbedingungen, europäische Bedarfe, erzielte Einsparerfolge, et cetera) abhängen, dass sie nicht vorherzusehen sind. Daher bereitet die Bundesnetzagentur keine abstrakten Abschalte-Reihenfolgen vor." Wie die Tagesschau schreibt, wird die Bundesnetzagentur "also erst dann reagieren, wenn kein Gas mehr kommt." Den Betroffenen bleibt in einem solchen Fall wohl nur noch der Blick ins leere Käse-Regal.

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