Erlanger Arzt: Corona auch für junge Patienten gefährlich

Christina Merkel

Hochschule & Wissenschaft

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19.8.2020, 05:30 Uhr
Erlanger Arzt: Corona auch für junge Patienten gefährlich

© Stefan Hippel

Die Jüngste war noch keine 30. Dabei dachten viele zu Beginn der Pandemie, dass Covid-19 vor allem für Ältere gefährlich ist. Aber immer öfter kommen auch junge Patienten auf die Intensivstation und müssen beatmet werden. "Wir waren selbst überrascht", sagt Mario Schiffer, Direktor der Medizinischen Klinik 4 am Uniklinikum Erlangen und Professor für Innere Medizin. Sein Team kümmert sich um Kranke, bei denen die Nieren versagen. "Viele nehmen die aktuelle Situation noch immer viel zu locker", sagt er.


Hotspots? Spahn nimmt große Familienfeiern in den Blick


Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) warnt seit Tagen davor, dass sich im Moment besonders viele jüngere Leute mit dem Coronavirus anstecken. Im Durchschnitt sind die Infizierten inzwischen 34 Jahre alt. Im April lag dieser Wert noch bei 50 Jahren. "Das ist das niedrigste Durchschnittsalter seit Beginn der Pandemie", erklärt Spahn.

Gerade private Feiern und Partys zählten aktuell zu den größten Gefahrenquellen für eine Ansteckung in Deutschland, sagt der Minister. Die Richtwerte dazu sind unterschiedlich. Bayern erlaubt private Feiern mit bis zu 100 Leuten in Innenräumen. In anderen Bundesländern sind sogar mehrere Hundert Teilnehmer zugelassen.

Die meisten Jüngeren, die sich anstecken, entwickeln zwar nur leichte Symptome, aber immer wieder gibt es auch schwere Fälle. "Wir wissen nicht warum", sagt Schiffer. "Das kann im Moment niemand vorhersagen." Besonders tückisch: Manche seiner Patienten unter 40 Jahren hatten Risikofaktoren, von denen sie vorher gar nicht wussten, wie etwa eine unentdeckte Autoimmunerkrankung, Diabetes oder Herz- Kreislaufvorerkrankungen.

Hohes Risiko für Raucher

Andere trifft es schwerer, weil sie Asthma haben, übergewichtig sind oder rauchen. "Studien zeigen, dass das Rauchen ein zusätzlicher Risikofaktor ist, weil die Lunge dadurch vorgeschädigt wird", erklärt Schiffer. "Bei Rauchern ist das Enzym ACE-2 häufiger in der Lunge vorhanden als bei Nichtrauchern, daran binden die Viren und können so einfacher in die Körperzellen eindringen."

Der Klinikdirektor kann nicht verstehen, warum gerade Jüngere die Gefahr durch Corona oft unterschätzen. "Deshalb ist es richtig, dass Clubs noch nicht wieder öffnen dürfen, denn Feiern in geschlossenen Räumen sind im Moment einfach eine zu große Gefahrenquelle." Auch Partys im Freien sind keine sichere Alternative, wenn die Gäste Hygieneregeln missachten, sich trotzdem umarmen und eng beieinandersitzen. "Wenn die Feier-Stimmung da ist und wenn Alkohol im Spiel ist, werden die Leute häufig leichtsinnig", sagt Schiffer.

"Wissen noch viel zu wenig"

Generell beobachtet der Arzt eine "Corona-Müdigkeit" bei vielen Menschen. "Wir haben insgesamt immer noch relativ wenige Patienten hierzulande, deshalb kennen viele gar keinen Betroffenen." Wer jemanden kennt, der ins Krankenhaus musste, unterschätzt Covid-19 nicht mehr.

Auch für ihn als Arzt ist das eine Situation, die Schiffer so noch nicht erlebt hat. "Über Covid-19 wissen wir immer noch viel zu wenig – es ist eine neue Krankheit und wir müssen noch viel darüber lernen." Bei schweren Fällen zerstört die Krankheit das Lungengewebe, das dann vernarbt bleibt. Viele schwerkranke Patienten haben ein akutes Nierenversagen und die Nierenfunktion muss durch Dialyse ersetzt werden.

"Mit 40 Grad Fieber geht keiner in die Disko"

Neurologische Störungen wie der Geschmacks- und Geruchsverlust bleiben manchmal wochenlang bestehen. Auch medizinisches Personal kann sich infizieren, wenn keine entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden. "Niemand ist davor geschützt", sagt Schiffer. "Die Zahlen aus den USA zeigen uns, dass zunehmend Unter-40-Jährige intensivmedizinisch betreut werden müssen."

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