Flüchtlinge, Klima, Familien: Das sind Söders große Ziele

Ralf Müller, dpa

11.12.2018, 16:56 Uhr

Das gute Landtagswahlergebnis der Grünen und die von ihnen errungenen Direktmandate in bayerischen Großstädten haben in der Politik der neuen schwarz-orangenen Landesregierung ihre Spuren hinterlassen. Den Themen Klimaschutz, Energiewende, Umweltschutz und nachhaltige Mobilität widmete Ministerpräsident Markus Söder (CSU) den größten Teil seiner Regierungserklärung, die er am Dienstag im bayerischen Landtag unter dem Motto Bayern ist es wert" abgab. Oppositionsführerin Katharina Schulze von den Grünen konnte er trotzdem nicht überzeugen. Sie nannte Söders Klima- und Umweltpolitik "unambitioniert" und von "Zögern und Zaudern" geprägt.
 
In seiner dritten Regierungserklärung seit April hob Söder einmal mehr die familienpolitischen Leistungen des Freistaats hervor, für die eine "Familien-Milliarde" pro Jahr investiert werde. Mit Familiengeld der "weitgehenden" Kostenfreiheit aller Kindergartenjahre und der Subventionierung der Krippen- und Tagesbetreuung mit 100 Euro pro Kind und Monat ab 2020 summiere sich die Unterstützung eines Kindes bis zur Grundschule auf 12.000 Euro pro Jahr, betonte Söder. Das Landespflegegeld von jährlich 1.000 Euro sei schon 300.000 mal beantragt worden. Schulze sprach von "Geschenken mit zweifelhaftem Nutzen". Arme Familien, die von Kindergartengebühren befreit seien und bei denen das Familiengeld auf die Sozialhilfe angerechnet werde, hätten davon nichts. Den anderen wäre mit mehr Krippen, genügend Hort- und Kindergartenplätzen mit ausreichend Person mehr geholfen, meinte Schulze.

Schulterschluss mit Baden-Württemberg

Mit dem grün-schwarz regierten Nachbarland Baden-Württemberg möchte Söder die "Südschiene" wieder beleben. Auslöser dafür ist die durch den "Digitalpakt" ausgelöste neue Föderalismusdebatte, die - so Söder - vielleicht in eine neue Föderalismuskommission münden könnte. Baden-Württemberg sei der absolut geeignete Partner für eine "Föderalismusinitiative", so der CSU-Ministerpräsident. Bildungspolitik sei eine Urkompetenz der Länder. Für "umgerechnet zwei Tablets pro Klasse" müsse man nicht das Grundgesetz ändern und die Länder zu nachgeordneten Behörden des Bundes machen. Die Kinder seien die "Dummen" bei dieser "föderalen Prinzipienreitererei", meinte Grünen-Fraktionschef Schulze. "Wir brauchen die Grundgesetzänderung", betonte SPD-Fraktionschef Horst Arnold: "Die Blockadehaltung gegen die Grundgesetzänderung ist hochgradig unvernünftig". Zum Schutz des Klimas sollen die Treibhausgasemissionen in Bayern bis 2030 auf unter fünf Tonnen pro Einwohner und Jahr und bis 20050 auf unter zwei Tonnen reduziert werden, gab Söder als Ziel aus.

Der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung im Freistaat von derzeit 45 Prozent soll bis 2025 auf mindestens 70 Prozent gesteigert werden. Bayern sei für den nationalen Kohleausstieg, sagte Söder, aber die in der Kohlekommission diskutierten Ausgleichszahlungen von 60 Milliarden Euro seien der falsche Ansatz: "Der Norden hat den Wind, Ost und West Ersatzgeld für Kohle und wo bleibt der Süden?". Das "Autoland" Bayern soll nach dem Willen des Ministerpräsidenten zum "Elektroautoland" werden. Ziel sei es, dass bis 2030 70 Prozent der im Bundesland neu zugelassenen Autos elektrisch fahren, kündigte Söder an. Der klimafreundliche Diesel habe aber weiterhin Zukunft. Damit stieß der Ministerpräsident auf den entschiedenen Widerstand der Grünen. Wer den Diesel für zukunftsfähig halte, habe einiges nicht verstanden, meinte deren Fraktionschefin Schulze. Und auch der Ersatz von Verbrenner-Pkw durch E-Autos werde die Staus nicht reduzieren.

Quantensprung für Nahverkehr

Söder bekräftigte das Ziel eines 365-Euro-Jahrestickets für den Öffentlichen Personennahverkehr im Freistaat als "Quantensprung für den Nahverkehr in den Ballungsräumen". Auf dem Lande solle die Mobilität durch einen flächendeckenden Bayerntakt im Ein-Stunden-Rhythmus gestärkt werden. Für den besonders belasteten Großraum Münchens soll es neben der zweiten S-Bahn-Stammstrecke einen "S-Bahn-Ring um München herum" geben.

Der tägliche Flächenverbrauch, der 2017 erneut auf zwölf Hektar angestiegen ist, soll bis 2030 auf fünf Hektar reduziert werden, kündigte Söder an: "Wir sind viel ökologischer als manche glauben". Allerdings sei die Landesregierung aus CSU und Freien Wählern überzeugt, dass Nachhaltigkeit besser mit Kooperation statt mit Konfrontation gelinge. Man werde nicht nachlassen, bis CSU und Freie Wähler verstanden hätten, dass eine intakte Natur mit Freiwilligkeit allein nicht zu erhalten sei, meinte Schulze. Was die Auseinandersetzung um die Skischaukel am Riedberger Horn im Allgäu betreffe, so würden die Änderungen im Alpenplan rückgängig gemacht, bekräftigte Söder: "Wir haben gelernt". In der Landwirtschaft solle der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduziert werden, "aber nicht mit Verboten, sondern mit modernster digitaler Technik".

Söder habe eine Chance verpasst

Die für die CSU bislang besonders wichtigen Themenbereiche Sicherheit und Migration handelte Söder in seiner Regierungserklärung eher pflichtgemäß ab. Dabei bekannte er sich zur erst kürzlich wieder ins Leben gerufenen bayerischen Grenzpolizei und kündigte die Aufstockung der Polizeitruppe des Landes um 3.000 auf 45.000 Beamte bis 2023 an. Bayern werde als erstes Bundesland ein eigenes Opferschutzgesetz beschließen, kündigte Söder an. In der Migrationspolitik hätten sich Grenzpolizei, Ankerzentren und das Landesamt für Pflege bewährt, betonte Söder. Für das laufende Jahr rechnet der Ministerpräsident mit 22.000 neuen Asylanträgen in Bayern. Im gleichen Zeitraum hätten 15.000 Asylbewerber das Land wieder verlassen.

Im nächsten Jahr will Söder sich in Afrika über die Ursachen von Flucht und Migration informieren. "Damit viele Menschen sich gar nicht erst auf den gefährlichen Weg der Flucht machen, ist die Bekämpfung der Fluchtursachen vor Ort eine gemeinsame internationale Aufgabe", sagte der CSU-Politiker am Dienstag in seiner Regierungserklärung im Landtag in München. "Deshalb wird mich meine erste große Auslandsreise im kommenden Jahr auch nach Afrika führen."

Würden andere Parteien die Blockade gegen die Anerkennung von Ländern wie Marokko, Tunesien und Algerien als sichere Drittstaaten aufgeben, "könnte die Zahl noch höher liegen", sagte Söder. AfD-Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner warf Söder "Selbstgefälligkeit" vor. Er begnüge sich mit der "Befriedigung unzähliger Partikularinteressen". Ansonsten ging es der AfD-Politikerin hauptsächlich um die Migrationspolitik. Söder habe die Chance verpasst, Nein zum UN-Migrationspakt zu sagen und damit "das bayerische Volk im Stich" gelassen. Bayern, so Ebner-Steiner, solle in eine "multiethnische Besiedlungszone" umgewandelt werden. "Eine solche krude Melange rechter Verschwörungstherien" habe der Landtag noch nicht gehört, reagierte der Vorsitzende der FDP-Fraktion Martin Hagen auf die Rede der AfD-Politikerin.

Politik der Vernunft

Der Vorsitzende der Freien Wähler Florian Streibl verteidigte den Koalitionsvertrag mit der CSU gegen den Vorwurf, es handele sich um ein bloßes "Weiter so". Die Erklärung enthalte viele Kernforderungen der Freien Wähler, die mittlerweile Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden hätten, so Streibl. Mit Blick auf die künftige parlamentarische Arbeit warb der Fraktionsvorsitzende für eine "Politik der Vernunft", die sich nicht mit Grundsatzdiskussionen aufhalte. Wie die Freien Wähler dies aus der Kommunalpolitik gewohnt seien, wolle man sich auch in der Staatsregierung nicht von parteipolitischen Egoismen leiten lassen, erklärte Streibl.

Söder habe viele hübsch verpackte Geschenke unter den Weihnachtsbaum gelegt, bei deren Auspacken jedoch "Enttäuschung vorprogrammiert" sei, sagte SPD-Fraktionschef Horst Arnold. Angesichts der hohen Kosten in den Ballungsräumen könne man beispielsweise von kostenfreier Kinderbetreuung nicht reden. Klimaschutz in die Verfassung aufzunehmen, höre sich gut an, aber in dem Päckchen sei kein Konzept zu finden. Einige von Söders Geschenke "eignen sich nur zum Schrottwichteln", meinte Arnold. Den Freien Wählern bescheinigte der SPD-Politiker, in einer "Spezl-Koalition" angekommen zu sein. Damit enttäuschten sie ihre Wähler "auf der ganzen Linie.


Eine "Wirtschaftspolitik mit Weitblick" vermisste FDP-Fraktionschef Hagen. Bayern hätte dringend eine kraftvolle Wirtschafts- und Innovationspolitik benötigt, so der FDP-Politiker: "Bekommen hat es (Wirtschaftsminister) Hubert Aiwanger". Dem nehme man nur die Rolle als "Wirtshausminister" ab. Bayern sei es leid, immer wieder "die gleiche eitle Selbstbeweihräucherung zu hören", so Hagen.

 

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