Bayernkoalition "funktioniert hervorragend"
Geschäftsführer der Freien Wähler: Entlassung von Aiwanger sei "abwegiger Gedanke"
4.8.2021, 09:51 UhrHerr Dr. Mehring, wie ernst nehmen Sie die Aufforderung von CSU-Fraktionschef Kreuzer, ihr Vorsitzender und Wirtschaftsminister Aiwanger sollte sein Verbleiben im Kabinett überdenken?
Mehring: Ich gewichte höher, was der Regierungschef über die Zusammenarbeit unserer Bayernkoalition sagt. Markus Söder hat zu Recht konstatiert, dass unsere bürgerlich-liberale Koalition in Parlament und Staatsregierung hervorragend funktioniert. Diesen Eindruck teile ich.
Würde eine Entlassung Aiwangers durch den Ministerpräsidenten das Ende der Bayernkoalition bedeuten? Für wie realistisch halten Sie das?
Mehring: In einer liberalen Demokratie ist es eine Selbstverständlichkeit, dass jeder über seinen Körper selbst entscheidet. Dass der persönliche Impfstatus eines Ministers zu dessen Entlassung führen könnte, ist daher ein abwegiger Gedanke. Unabhängig davon steht unsere Bayernkoalition sicher auf dem soliden Fundament der erfolgreichen Zusammenarbeit von Freien Wählern und CSU. Die Grünen brauchen sich folglich keinerlei Hoffnungen zu machen - Schwarz und Orange werden bis 2023 und darüber hinaus gemeinsam die richtigen Weichen für unser Land und seine Menschen stellen.
Können Sie die Entrüstung von Söder, Kreuzer und andere aus der CSU über Ihren Vorsitzenden nachvollziehen?
Mehring: Ich wundere mich über die Emotionalität der Debatte - auf beiden Seiten. Schließlich war während der gesamten Pandemie selten klarer, was Politik jetzt tun muss: Allen Menschen ein freiwilliges Impfangebot unterbreiten, mit wissenschaftlichen Argumenten dafür werben und die Einschränkungen für Immunisierte sukzessive aufheben. Wer sich nicht impfen lassen kann oder will, muss stattdessen sein persönliches Risiko selbst tragen und per Test nachweisen, niemand anderen zu gefährden. Die Zauberformel "3G" - verstanden als Normalität für Geimpfte, Getestete und Genese - liegt für mich förmlich auf der Hand und macht den aktuellen Disput eigentlich überflüssig.
Trifft es zu, dass auch viele von den Freien Wählern nicht nachvollziehen können, warum sich Aiwanger nicht impfen lässt und dass er mit Begriffen wie "Apartheidsdiskussion" überzieht?
Mehring: Wir Freie Wähler sind in Bayern eine Volkspartei mit über 40.000 Mitgliedern, 15 Landräten und hunderten Haupt- und ehrenamtlichen Kommunalpolitikern. Das innerparteiliche Meinungsspektrum ist folgerichtig ähnlich groß wie in der Gesamtgesellschaft - oder der CSU, wo es jenseits des Kabinetts übrigens ebenfalls führende Kollegen gibt, welche eine Impfung für sich ablehnen. Als gemeinsamen Nenner erkenne ich in der FW-Familie gleichwohl die Einsicht, dass Impfen unser Tor zu Freiheit und Normalität ist, jedoch niemals erzwungen werden darf. Das entspricht nicht nur meiner persönlichen Sichtweise, sondern auch der Mehrheitsmeinung der Menschen in Bayern.
Ist es eine erfolgversprechende Strategie für die Bundestagswahl, im trüben Querdenker-Milieu fischen zu wollen?
Mehring: Nein. Wir sind eine bürgerlich-liberale Kraft, die durch kurzzeitigen Zuspruch von rechten Spinnern höchstens ihre Kernwählerschaft vergraulen würde. Deshalb war dies auch nachweislich zu keinem Zeitpunkt unser strategisches Ansinnen. Hätte Markus Söder die Angelegenheit nicht vor laufenden Kameras thematisiert, wüsste bis heute niemand über den Impfstatus von Hubert Aiwanger Bescheid. Ihm taktische Motive zu unterstellen, halte ich angesichts seines unfreiwilligen Outings für absurd.
Stimmen Sie dem Ministerpräsidenten zu, wenn er davon ausgeht, mit der Bundestagswahl werde alles sofort ruhiger werden?
Mehring: Wir Freien Wähler stehen an der Schwelle zu unserem erstmaligen Einzug in den Bundestag und der CSU droht - weil die Union auf den falschen Kanzlerkandidaten gesetzt hat - eine historische Pleite, für die sie nichts kann. Die Einschätzung von Markus Söder, dass ein erheblicher Teil der aktuellen Empfindsamkeit hierdurch begründet ist, teile ich daher vollumfänglich und freue mich ebenfalls auf die baldmöglichste Rückkehr zu rationaler und gemeinschaftlicher Sacharbeit.
Wie viel Prozentpunkte können die Freien Wähler der CSU bei der Bundestagswahl in Bayern abjagen?
Mehring: Ich hoffe natürlich, dass uns der Sprung über die 5%-Hürde gelingt. Die Stimmen dafür müssen meinetwegen aber nicht ausschließlich der CSU abgejagt werden. Ihr wünsche ich vielmehr ebenfalls ein ordentliches Ergebnis, sodass wir ab dem Herbst auch in Berlin so erfolgreich gemeinsam regieren können wie bislang in Bayern.