"Illusorisch": Virologe Stöhr kritisiert aktuelle Corona-Strategie
22.1.2021, 17:17 UhrDer deutsche Virologe und Epidemiologe Klaus Stöhr war Leiter des Global-Influenza-Programms, SARS-Forschungskoordinator der WHO und hat bereits Regierungen weltweit beraten. Wie der Münchner Merkur berichtet, sei er zum jüngsten Corona-Gipfel von Bund und Ländern jedoch nicht eingeladen gewesen.
In einem am Freitag exklusiv veröffentlichten Interview des Blattes kritisiert der Virologe den aktuellen Kurs von Bund und Ländern in der Pandemiebekämpfung. Generell sei es richtig, jetzt im Winter, welcher die schwierigste Phase jeder Pandemie darstelle, die Maßnahmen anzupassen. Drei Punkte sieht er jedoch besonders kritisch.
Inzidenz von 50 im Winter sei "illusorisch"
Laut Stöhr sei eine Inzidenz von 50 im Winter "illusorisch, reines Wunschdenken". Auch mit einer Inzidenz von 130 bis 160, vielleicht 180, könne man gut umgehen. Er glaube zwar daran, dass die Maßnahmen Wirkung zeigen, jedoch könnten sie die Inzidenz nicht dauerhaft unter 50 halten. Der 61-Jährige verweist auf die Erfahrung der Nachbarländer: auch ein harter Lockdown habe die Inzidenz nicht dauerhaft unter 100 halten können.
Alle gleich zu behandeln werde nicht funktionieren
"Mit einem Gießkannenprinzip die gesamte Bevölkerung gleich zu behandeln, wird nicht funktionieren." Eine Pandemie betreffe Risikogruppen, im Falle von Covid-19 vor allem alte Menschen. In diesem Zusammenhang verstehe er nicht, wie eine Schließung von Schulen und Kitas das Infektionsgeschehen in Altenheimen eindämmen solle. Der Virologe fordert ein differenzierteres Vorgehen. Sonst verliere man die Zustimmung und Motivation der Bürger, welche immens wichtig sei.
Kommunikation mit der Bevölkerung sei essentiell
Darüber hinaus kritisiert Stöhr die Kommunikation der deutschen Politik. Diese habe beispielsweise lange Zeit an dem Versprechen festgehalten, dass Weihnachten wieder alles gut sein würde, was laut dem Virologen mitten im Winter sehr unrealistisch war.
"Zusätzlich zu den verordneten Maßnahmen brauchen wir Leute, die es schaffen, die Köpfe der Menschen zu erreichen." Eine Kommunikationsstrategie sei essentiell, um die Menschen auf dem Weg durch die Pandemie nicht zu verlieren.
Auch zu den aktuellen Virus-Mutationen äußert sich der Virologe gegenüber dem Münchner Merkur. Diese seien "kein Grund zur Panik", auch sie seien "beherrschbar".
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