Nationale Sicherheit
Trumps Regierung wegen Geheimchat-Affäre in Erklärungsnot
25.03.2025, 07:31 Uhr
Nach der dramatischen Sicherheitspanne der US-Regierung mit einem brisanten Geheimchat bemühen sich das Weiße Haus und die Beteiligten um Schadensbegrenzung. Präsident Donald Trump wies die Vorwürfe gegen sein Team zurück und nahm insbesondere seinen Nationalen Sicherheitsberater, Mike Waltz, in Schutz.
Trump attackierte stattdessen den Journalisten des US-Magazins „The Atlantic“, der das Sicherheitsversagen offengelegt hatte. Trump argumentierte zudem, es seien in der Gruppe überhaupt keine geheimen Informationen ausgetauscht worden.
Waltz soll laut dem „Atlantic“- Artikel dafür verantwortlich gewesen sein, dass der Chefredakteur des Magazins, Jeffrey Goldberg, Zugang zu der sensiblen Kommunikation rund um einen militärischen Schlag der USA gegen die Huthi-Miliz im Jemen erhielt. Goldberg wurde nach eigenen Angaben - wohl aus Versehen - in den Gruppenchat mehrerer Minister und ranghoher Regierungsmitglieder eingeladen und konnte dort Pläne über die bevorstehende US-Militäraktion im Jemen live mitlesen.
Dass ranghohe Regierungsmitglieder überhaupt sensible Informationen über die kommerzielle App Signal austauschen, sorgt für Empörung. Dass dort Details über einen bevorstehenden Militärschlag erörtert wurden - und versehentlich ein Journalist mit in die Gruppe aufgenommen wurde, sorgt für Fassungslosigkeit. Der bedeutsame Fehltritt schlägt hohe Wellen in den USA. Demokraten fordern personelle Konsequenzen.
Trump nennt Goldberg „Widerling“
Trump wischte all das beiseite, spielte die Panne herunter und ging stattdessen zum Gegenangriff über. Das „Atlantic“-Magazin sei ein gescheitertes Medium und der betreffende Journalist ein „Widerling“, der „schlecht für das Land“ sei, schimpfte der Präsident. Signal wiederum sei eine App, „die viele Leute benutzen“ und die Vorwürfe gegen Waltz seien ungerecht. „Er ist ein sehr guter Mann, und er wird weiterhin gute Arbeit leisten.“
Auch Waltz selbst versuchte, den schweren Fehltritt abzutun. „Es gibt viele Journalisten in dieser Stadt, die sich einen großen Namen gemacht haben, indem sie Lügen über diesen Präsidenten erfunden haben“, sagte er. Den Journalisten, der diese Geschichte verbreitet habe, habe er noch nie getroffen. „Ich kenne ihn nicht, habe nie mit ihm kommuniziert.“ Derzeit werde untersucht, „wie zum Teufel“ er in den Gruppenchat gekommen sei.
Angesichts der brisanten Inhalte hatte sich das Weiße Haus bereits davor bemüht, den Vorfall politisch umzudeuten. In einer E-Mail war von einem „koordinierten Versuch“ die Rede, vom Erfolg der Trump-Regierung abzulenken. Sprecherin Karoline Leavitt erklärte, entscheidend sei, dass „Terroristen getötet“ worden seien. Nach Angaben der Huthi kamen bei den Luftangriffen Mitte März mindestens 53 Menschen ums Leben.
Spitzenbeamte winden sich
Während das Weiße Haus abwiegelte, gerieten zwei Spitzenbeamte bei einer Anhörung vor dem Geheimdienstausschuss des US-Senats sichtlich in Erklärungsnot. Geheimdienstkoordinatorin Tulsi Gabbard und CIA-Direktor John Ratcliffe sahen sich scharfen Nachfragen der demokratischen Opposition ausgesetzt: Wie konnte ein Journalist überhaupt in die Gruppe gelangen? Warum nutzten Spitzenbeamte eine zwar verschlüsselte, aber privat betriebene App wie Signal für potenziell sicherheitsrelevante Kommunikation? Und wie geheim waren die Informationen, die dort geteilt wurden?
Während der teils hitzigen Anhörung wollte Gabbard nicht einmal direkt bestätigen, dass sie überhaupt Teil des Gruppenchats war. Ratcliffe hingegen räumte dies ein – und antwortete auf die Frage, ob neben ihm, Vizepräsident J.D. Vance, Verteidigungsminister Pete Hegseth, Außenminister Marco Rubio und anderen auch Gabbard in der Chatgruppe gewesen sei: „Ich glaube ja.“
Die Geheimdienstkoordinatorin versicherte mehrfach, dass in dem Chat keine als vertraulich eingestuften Informationen ausgetauscht worden seien. Ratcliffe betonte, seine eigenen Beiträge seien „völlig zulässig“ gewesen und hätten „keine Verschlusssachen“ enthalten. Doch als es um konkrete Inhalte ging, blieben beide vage.
Demokrat platzt der Kragen
Wie diese Darstellung mit dem „Atlantic“-Artikel zusammenpasst – wonach Hegseth am Morgen eines US-Luftschlags in der Chatgruppe einen detaillierten Einsatzplan geteilt haben soll – blieb offen. Weder Gabbard noch Ratcliffe wollten diese Schilderung bestätigen. Sie gaben an, sich an entsprechende Details nicht zu erinnern oder verwiesen an andere Stelle: Zuständig sei das Pentagon.
Dem demokratischen Senator Mark Warner platzte schließlich der Kragen. Es könne nicht beides stimmen – dass keine vertraulichen Informationen ausgetauscht worden seien und gleichzeitig jede Auskunft über die Inhalte verweigert werde. „Verblüffend“ sei zudem, dass niemand bereit sei, einen Fehler einzugestehen. Der Demokrat zeigte sich außerdem entrüstet über den Tonfall gegenüber europäischen Partnern im Chatverlauf.
Tiefe Verachtung für Europa
Tatsächlich zeigen die vom „Atlantic“ veröffentlichten Auszüge aus dem Gruppenchat eine bemerkenswerte Geringschätzung Europas. So wird etwa Vance mit den Worten zitiert: „Ich hasse es einfach, Europa wieder aus der Klemme zu helfen.“ Ein weiterer Teilnehmer, bei dem es sich um Hegseth handeln soll, antwortet: „Ich teile voll deine Abscheu vor dem europäischen Schmarotzen. Das ist erbärmlich.“
Ein Ziel der massiven US-Luftangriffe auf Huthi-Stellungen Mitte März war nach US-Angaben, die Schifffahrtswege wieder sicherzumachen. Der Nutzer, der Vance sein soll, äußerte daran zunächst Zweifel: Nur drei Prozent des US-Handels liefen über den Suezkanal, während der europäische Anteil bei 40 Prozent liege. Die amerikanische Öffentlichkeit könne den Einsatz womöglich nicht nachvollziehen.
Auch Trump sieht Europäer als Schmarotzer
Die vom Iran unterstützte Huthi-Miliz greift seit Beginn des Gaza-Kriegs vor rund eineinhalb Jahren immer wieder Schiffe im Roten Meer oder im Golf von Aden an. Die Passage durch das Rote Meer und den Suezkanal ist für Frachtschiffe dir kürzeste Verbindung zwischen Asien und Europa.
Vance und Hegseth spielten in dem Chat darauf an, dass Europa davon profitiere, wenn die USA die dortigen Schifffahrtswege sicherten. Auch Trump teilte später auf Nachfrage die Einschätzung, dass Europa schmarotze - allerdings nicht in einem Geheimchat, sondern ganz offen, bei einem Pressetermin.
Bei der Gruppenunterhaltung führender Regierungsvertreter über die Messenger-App Signal soll es um den - da noch bevorstehenden - Angriff auf die Huthi-Miliz im Jemen gegangen sein. Der Chefredakteur des renommierten US-Magazins „The Atlantic“, Jeffrey Goldberg, war nach eigenen Angaben versehentlich in die Gruppe aufgenommen worden und machte den Vorgang später publik. Ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, Brian Hughes, bestätigte, dass der Chatverlauf höchstwahrscheinlich authentisch sei. Er kündigte eine interne Prüfung an.
Demokratische Politiker reagieren entsetzt
Der demokratische Senator und Militärexperte Jack Reed erklärte, „wenn diese Geschichte wahr ist, stellt sie eines der ungeheuerlichsten Versäumnisse in Bezug auf die operative Sicherheit und den gesunden Menschenverstand dar, die ich je gesehen habe“. Militäroperationen müssten mit äußerster Diskretion und über genehmigte, sichere Kommunikationswege abgewickelt werden, denn es gehe um das Leben von Amerikanern. „Die Nachlässigkeit, die das Kabinett von Präsident Trump zeigt, ist erstaunlich und gefährlich. Ich werde sofort Antworten von der Regierung einfordern.“
Die frühere demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton postete den „Atlantic“-Artikel auf X und schrieb dazu: „Das soll wohl ein Scherz sein.“ Der damalige Präsidentschaftskandidat - und heutige Präsident - Donald Trump hatte ihr im Wahlkampf 2016 immer wieder vorgeworfen, E-Mails über einen privaten Account verschickt und damit Sicherheitsregeln missachtet zu haben.
Üblicherweise gibt es strenge Regularien dazu, wie die US-Regierung mit vertraulichen und streng geheimen Informationen umzugehen hat, die die nationale Sicherheit betreffen. Das gilt umso mehr für konkrete Pläne zu Militäreinsätzen im Ausland. Die Signal-App ist laut „Atlantic“ von der US-Regierung generell überhaupt nicht für den Austausch vertraulicher Informationen zugelassen.
Militärische Einsatzpläne und Flammen-Emojis
Goldberg beschreibt in seinem Artikel detailliert den Austausch zwischen den Beteiligten im Chat – mit exakten Uhrzeiten und Originalzitaten. Diskutiert wurden demnach sowohl die militärische Taktik als auch die politische Kommunikation rund um den geplanten Schlag gegen die Huthi-Miliz im Jemen. Als Gruppenmitglieder führte Goldberg unter anderem Vizepräsident J.D. Vance, Verteidigungsminister Pete Hegseth, Außenminister Marco Rubio sowie weitere Kabinettsmitglieder und hochrangige Regierungsbeamte auf.
In Goldbergs Artikel fällt auch der teils informelle Ton der Chat-Protagonisten im militärischen Kontext auf. Der Journalist schrieb, Trumps Nationaler Sicherheitsberater Michael Waltz, der ihn in die Gruppe aufgenommen haben soll, habe etwa Emojis eingesetzt, um Zustimmung und Kampfgeist zu signalisieren: eine geballte Faust, eine US-Flagge und ein Flammen-Symbol.
Besonders brisant: Zwei Stunden vor Beginn der Attacken am 15. März soll Hegseth selbst im Chat detaillierte Angaben zu Zielen, Waffensystemen und dem zeitlichen Ablauf der Operation gemacht haben. Kurz darauf begannen tatsächlich Luftangriffe gegen Stellungen der Huthi-Miliz im Jemen, die von den USA kurz zuvor wieder als ausländische Terrororganisation eingestuft worden waren. Spätestens an diesem Punkt kam Goldberg, der zunächst sehr skeptisch gewesen sein will, nach eigenen Angaben zu dem Schluss, dass es sich bei dem Gruppenchat nicht um einen aufwendig inszenierten Fake handelte.

„Niemand hat Kriegspläne getextet“
Hegseth bestritt den „Atlantic“-Bericht später vehement. „Niemand hat Kriegspläne getextet“, antwortete er am Flughafen in Hawaii auf eine Reporter-Frage nach seiner Landung. Der frühere TV-Moderator des rechtskonservativen Sender Fox News verunglimpfte Goldberg als „betrügerischen und diskreditierten sogenannten Journalisten“, der es sich zum Beruf gemacht habe, eine Kampagne gegen die Regierung zu fahren und immer wieder Falschmeldungen zu verbreiten.
Hegseths Schmähungen widersprachen den Äußerungen des Sicherheitsrats-Sprechers Hughes, der den Chatverlauf als höchstwahrscheinlich authentisch bezeichnet hatte. Trump selbst hatte zuvor erklärt, er habe von dem Gruppenchat noch nicht gehört, sei aber ohnehin „kein großer Fan“ des „Atlantic“-Magazins. Er teilte auch einen Tweet seines Vertrauten Elon Musk, indem der regelmäßig gegen kritisch berichtende Medien austeilende Tech-Milliardär lästerte, der beste Ort zum Verstecken einer Leiche sei die Seite zwei des „Atlantic“ - weil dort nie jemand hinschaue.
