Bundestagswahl

Kanzler Scholz? Der unsichtbare Dritte

Manuel Kugler

Redaktion Politik und Wirtschaft

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21.5.2021, 05:55 Uhr
Wird oft übersehen: Olaf Scholz.

© Soeren Stache, dpa Wird oft übersehen: Olaf Scholz.

Wer als SPD-Anhänger ins Träumen geraten will, dem sei das Buch "Höllenritt Wahlkampf" als Bettlektüre empfohlen. Darin beschreibt der Kampagnenmanager Frank Stauss den in seinen Worten "perfekten Wahlkampf": Geführt hat ihn die SPD, 2011 war das, in Hamburg. Die Partei holte aus der Opposition heraus die absolute Mehrheit in der Bürgerschaft. Dabei hatte es zuvor noch geheißen, viel zu farblos, viel zu spröde sei ihr Spitzenkandidat. Sein Name: Olaf Scholz.

Ein Mann für die ganz großen Herausforderungen

Zehn Jahre später begleiten ihn, inzwischen Kanzlerkandidat der SPD, noch immer dieselben Zuschreibungen. Doch es gibt auch diese andere Erzählung, wie sie damals verfing und dies womöglich nun wieder tut: In dieser Erzählung ist Scholz der erfahrene und verlässliche Krisenmanager. Ein Mann für die ganz großen Herausforderungen also.

Das jüngste ZDF-Politbarometer sieht Scholz bei der Frage nach dem am besten für das Kanzleramt geeigneten Kandidaten dann auch deutlich vor Armin Laschet - und gleichauf mit Annalena Baerbock. Bloß bekommt das zwischen Baerbock-Hype und Baerbock-Hass kaum jemand mit. Olaf Scholz, der unsichtbare Dritte unter den Kandidaten, er schleicht sich, still und leise, ans Kanzleramt heran.

Ohnehin war die sozialdemokratische Vision einer Gesellschaft, die alle mitnimmt, einer Gesellschaft, in der jeder seinen Platz findet, ja nie so aus der Zeit gefallen, wie es mancher Zyniker glauben machen wollte. Wahr ist: Aus der Zeit gefallen waren die Diskussionen, die mancherorts an der SPD-Basis geführt wurden, wo auch fast 20 Jahre später mehr Zeit mit der Frage verbracht wurde, ob die Einführung von Hartz IV denn nun richtig war, statt sich ernsthaft damit auseinanderzusetzen, wie die Grünen als linke Kraft eigentlich an der SPD vorbeiziehen konnten.

Von Joe Biden lernen

Geschichte sind die Flügelkämpfe sicher nicht, viele Parteilinke hadern mit Olaf Scholz. Doch das, was gerade in den USA passiert, dürfte ihnen zumindest Anlass geben, ihre Zweifel am Kandidaten für sich zu behalten. Denn dort ist es mit Joe Biden ausgerechnet ein Mann der Mitte, der die radikalste Reformagenda seit Roosevelts "New Deal" auf den Weg bringt. Möglich ist das genau deshalb: weil er ein Mann der Mitte ist, gänzlich frei von jedem Radikalismusverdacht. Auch Olaf Scholz lässt keinen Zweifel, dass er sich spätestens mit Beginn der Corona-Pandemie von der Idee verabschiedet hat, mit einer schwarzen Null ließe sich eine bessere Zukunft herbeisparen.


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Scholz im Kanzleramt, kann das wirklich sein? Es ist, zugegebenermaßen, ziemlich unwahrscheinlich. Allein die Möglichkeit dürfte der SPD aber bei der Mobilisierung helfen. Denn, das haben Wahlforscher immer wieder gezeigt: Einen sicheren Verlierer, den wählt niemand gern. Und einmal nicht wie der sichere Verlierer aussehen, das ist inzwischen schon was für die SPD.

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