Keine klare Linie: Europa versagt im Syrien-Konflikt

Georg Escher

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13.4.2018, 11:04 Uhr
Von einer abgestimmten europäischen Haltung in der Syrien-Krise ist wieder einmal nichts zu sehen.

© Ammar Safarjalani/XinHua/dpa Von einer abgestimmten europäischen Haltung in der Syrien-Krise ist wieder einmal nichts zu sehen.

Die gute Nachricht zuerst: Donald Trump hat keine Raketen auf Syrien abfeuern lassen – noch nicht. Immerhin hätte so ein Schlag das Potential, den Konflikt mit Russland, der Schutzmacht des syrischen Regimes, noch weiter enorm zu eskalieren – mit unabsehbaren Folgen.

Die wenigen in seiner Regierung verbliebenen moderaten Kräfte haben den US-Präsidenten zumindest davon überzeugen können, sich vielleicht doch noch mit den wichtigsten Verbündeten abzustimmen, nicht zuletzt mit den Europäern. Das ist erfreulich. Doch was nutzt das, wenn sich die Franzosen, Briten und Deutschen wieder einmal nicht einig sind?

Überaus dünn

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat angeblich Beweise vorliegen, dass die syrische Regierung Chemiewaffen eingesetzt habe. Was er bisher dazu öffentlich gemacht hat, ist freilich überaus dünn. Weder über die eingesetzten Kampfmittel noch über die Art des Einsatzes hat er sich näher ausgelassen. Selbst wenn man einräumt, dass nicht alle Geheiminformationen preisgegeben werden sollen, das ist bisher wenig überzeugend.

Dass die Briten an der Seite Washingtons stehen, ist nicht weiter verwunderlich. London ist derzeit wegen des Giftanschlags auf den ehemaligen Doppelagenten Sergej Skripal auf britischem Boden ohnehin in einer scharfen Konfrontation mit Russland, das hier als Täter beschuldigt wird.

Bundeskanzlerin Angela Merkel allerdings hat inzwischen klargestellt, dass Deutschland sich nicht an einem möglichen Militärschlag beteiligen werde. Gleichwohl aber kündigte sie Unterstützung für mögliche Aktionen der USA, Großbritanniens und Frankreichs an. "Wenn die ständigen Vertreter im UN-Sicherheitsrat über das diplomatische Maß hinaus Schritte einleiten sollten, dann sind wir in der Sache selbst unterstützend tätig", erklärte sie in einer merkwürdig verschwurbelten Form.

Was denn nun?

Wie, ist Merkel nun für oder gegen einen Militärschlag? Sieht sie die Täterschaft der syrischen Armee als erwiesen oder nicht? Drängt sie statt auf militärisches Vorgehen doch mehr auf diplomatische Schritte, wie dies etwa Unions-Fraktionschef Volker Kauder tut? "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht wieder in einem Kalten Krieg mit immer neuen Brandherden landen", warnte er.

Die plausibelste Erklärung für Merkels Eiertanz ist, dass ein Militärschlag mit ihrem Koalitionspartner SPD nicht konsensfähig ist. Und militärisch werden die Deutschen für einen Angriff auf Einrichtungen der syrischen Armee ohnehin nicht zwingend gebraucht.

Wie dem auch sei, von einer abgestimmten europäischen Haltung ist wieder einmal nichts zu sehen. Dabei geht es hier nicht um eine Nebensächlichkeit. Ob der ohnehin erbarmungslose Krieg in Syrien auf die nächste Eskalationsstufe gehoben wird, hätte in jedem Fall massive Folgen.

Wieso sind die Europäer nicht in der Lage, gemeinsam und vernünftig zu reagieren? Nach wie vor bleibt richtig, was nacheinander drei UN-Sonderbeauftragte für Syrien gefordert haben: Einen Ausweg aus dieser militärischen Konfrontation kann nur eine Regionalkonferenz weisen, an der alle wichtigen Mächte beteiligt sind – auch der Iran, der ebenso wie Russland den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad stützt, auf Betreiben seines Erzfeindes Saudi-Arabien aber bisher von allen Gesprächen ausgeschlossen blieb.

Vorlegen, nicht nur behaupten

Gewiss, der wiederholte Einsatz von Giftgas in Syrien darf nicht straflos bleiben. Doch wer wann wo dafür verantwortlich war, ist bis heute nicht geklärt. Dass die syrische Armee in dieser ohnehin angeheizten Situation solche Angriffe startet und damit Militärschläge der USA geradezu provoziert, ist nicht schlüssig. Und wenn es so gewesen wäre (was trotzdem niemand ausschließen kann), müssten Beweise vorgelegt und nicht nur behauptet werden.

Niemand hat im übrigen dargelegt, inwiefern Raketenangriffe auf die syrische Armee den zugrundelegenden Konflikt beenden oder auch nur eindämmen könnte. Eine solche Konstellation verlangt eine klare Haltung, nicht aber ein verdruckstes Einerseits-Andererseits, wie es die deutsche Kanzlerin derzeit vorführt. Dass sich die europäischen Regierungen überhaupt darauf einlassen, wie US-Präsident Trump in diesem Konflikt agiert, dazu fällt einem sowieso nichts mehr ein.

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