Kommentar: Merkels Rückzieher war ehrlich, tapfer und auch nötig

Andre Fischer

E-Mail zur Autorenseite

24.3.2021, 16:35 Uhr
Kanzlerin Angela Merkel hat gestern im Bundestag ihren Fehler eingestanden: Eine Osterruhe wird es nicht geben.

© Jens Schicke via www.imago-images.de, imago images/Jens Schicke Kanzlerin Angela Merkel hat gestern im Bundestag ihren Fehler eingestanden: Eine Osterruhe wird es nicht geben.

Hinterher wissen viele, was man hätte besser machen müssen. Als Bundeskanzlerin Angela Merkel im Herbst vor der zweiten Welle und vor wenigen Wochen vor der dritten Welle mit dramatischen Worten warnte, konnte sie sich mit einem harten Lockdown bei den Ministerpräsidenten nicht durchsetzen. Jetzt wird der Kanzlerin vorgeworfen, dass das falsch war. Der am Dienstagmorgen kurzfristig für Ostern anberaumte, auf wenige Tage beschränkte Stillstand, wurde von etlichen Beteiligten geradezu lächerlich gemacht.

Ramelow lästert

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow lästerte über die Nacht zum Dienstag, er habe sechs Stunden auf den Bildschirm geschaut und sich gefragt, was hier eigentlich passiere. Er hätte wohl besser einmal nachfragen sollen. Innenminister Horst Seehofer machte sich für die Kirchen stark, obwohl das Virus solche Ausnahmen nicht kennt. Andere wiederum haben die Bild-Zeitung darüber informiert, was in der Runde genascht wird. Nicht allen Beteiligten ist offenbar klar, dass ihre Beschlüsse erhebliche wirtschaftliche Folgen für das Land insgesamt und für viele einzelne Betroffene haben.


Österreich erwägt härteren Lockdown


Dass Merkel angesichts der ungelösten Probleme bei der Umsetzung die Verantwortung für den nicht haltbaren Beschluss zur Osterruhe auf sich nimmt, ist ehrlich, tapfer und auch nötig. Wenn das erste Verwaltungsgericht die Osterruhe gekippt hätte, dann wäre der Schaden noch viel größer. Allerdings fragt man sich schon, wie groß der juristische und arbeitsrechtliche Sachverstand in dieser politischen Runde, die sicherlich auch noch von Experten unterstützt wurde, war. Wenn es nicht so ernst wäre, dann ist das Stoff für eine Komödie: Die gesammelte föderalistische Politikspitze aus Union, SPD, Grünen und Linken erkennt die Umsetzungsprobleme nicht. Vielleicht hätten sie weniger naschen und mehr aufpassen sollen.

Vertrauen erschüttert

Die Kehrtwende bei der Osterruhe wird allerdings die Akzeptanz von Corona-Beschlüssen weiter untergraben, denn die Bürger zweifeln noch mehr als bisher an der Kompetenz der handelnden Personen, die die Pandemie erfolgreich bekämpfen.

Die neue Beschlusslage verändert allerdings nicht die Gefahren, die von dem Virus ausgehen. Das mutierte Virus ist aggressiver, befällt verstärkt auch Jüngere und die Behandlungszeit der Betroffenen ist länger als bei den Patienten der ersten Welle. Alle, die mit dem Finger hämisch auf die Entscheider zeigen, können den Sachverhalt nicht ändern. Auch die zu beurteilenden Zahlen der Virologen werden nicht besser.


Die zurückgenommene Osterruhe passt in die Pannenreihe von zu spät ausgesprochenen Lockdowns, nicht gut genug verhandelten Verträgen mit der Pharmabranche, verzögerten Maskenlieferungen und fehlenden Tests. Ein solches Missmanagement hilft nur den Extremisten.

Verwandte Themen