Kommentar

Kommentar zu #allesdichtmachen: Kunst muss Politik kritisieren dürfen

Janina Lionello

nordbayern.de

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23.4.2021, 13:33 Uhr

Querdenker, Nazis, Verschwörungstheoretiker: Die Schubladen waren schneller geöffnet, als alle Clips überhaupt angesehen werden konnten. 53 Schauspieler haben sich in einer Video-Collage kritisch über Corona-Maßnahmen geäußert und damit einen Automatismus, ausgelöst, der in Zeiten von Social Media immer schneller greift: Sie würden das Leid Betroffener herunterspielen, sie würden Beifall von der falschen Seite bekommen.


Kommentar zu #allesdichtmachen: Zynismus, der niemandem hilft


Doch ist es nicht genau das, was zu den Kernaufgaben von Kunst in einer Demokratie zählt: Politik zu hinterfragen? Die Frage zu stellen, ob das, was gerade verordnet, beschlossen und verabschiedet wird, auch wirklich das Beste für das Wohl aller ist und dazu führt, dass möglichst viele Menschen gesund bleiben? Eine Diskussion darüber anzuzetteln, ob auch wirklich jeder einzelne der Grundrechtseingriffe, die im Moment geschehen, überhaupt einen Einfluss darauf hat, ob Menschen sich infizieren, erkranken oder sterben.

Leistung des Pflegepersonals wird nicht kleingeredet

Nichts anderes haben diese Schauspieler getan. Mit keiner Silbe haben sie behauptet, ihnen sei es egal, wenn Menschen elendig an einem Beatmungsgerät ersticken oder die wahnsinnig belastende und bewundernswerte Arbeit des Pflegepersonals kleingeredet. Genau das wird ihnen nun aber unterstellt und das ist nichts anderes als platter Populismus.

Denn dass sämtliche Grundrechtseingriffe auch wirklich dazu führen, dass Menschenleben gerettet werden, ist alles andere als bewiesen. Der zentrale Punkt ist dabei stets, dass das Ausweichverhalten nicht gemessen werden kann, da es im Verborgenen stattfindet.

Ansteckungen finden vor allem im privaten Bereich statt

Es ist also denkbar, dass sich Menschen, die sich eigentlich bei Kulturveranstaltungen oder in Restaurants mit guten Hygienekonzepten begegnet wären; die draußen Grillpartys veranstaltet hätten oder sich zum Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt getroffen hätten, stattdessen in größerer Zahl in Wohnungen versammelt haben. Die Polizeiberichte, die sicher nun einen Bruchteil der wirklich stattgefundenen “Corona-Partys” abbilden, sprechen jedenfalls dafür. Und hier ist die Studienlage tatsächlich relativ eindeutig: Ein Großteil der Übertragungen findet im privaten Umfeld statt.

Dass die Künstler sich dazu entschlossen haben, ihre Kritik in Zynismus zu verpacken, ist dabei der Gestaltungsfreiheit der Künstler selbst überlassen. Ob das dann das Humorzentrum eines jeden trifft, ist etwas anderes (Bei mir persönlich tun viele der Clips das nicht) und fällt ebenso unter künstlerische Gestaltungsfreiheit.

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