Kommentar zum Infektionsschutzgesetz: Wenn Kritik maßlos wird

Harald Baumer

Berlin-Korrespondent der NN

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18.11.2020, 13:44 Uhr

Das Schlagwort ließ aufhorchen. Immer öfter war in den letzten Tagen und Wochen davon die Rede, dass der Deutsche Bundestag drauf und dran sei, eine Art "Ermächtigungsgesetz" zu beschließen. Unter dem Deckmantel der Corona-Pandemie, hieß es, verschafften sich Bundes- und Landesregierungen ein Instrument, die Bürgerinnen und Bürger nach Belieben zu gängeln.

Historischer Vergleich ist unerhört

Der damit verbundene historische Vergleich ist unerhört. Mit dem Ermächtigungsgesetz von 1933 schalteten Adolf Hitler und die NSDAP den Rechtsstaat aus. Sie bekamen die Gesetzgebung in die Hand und das auch noch nahezu unbefristet. Es handelte sich um einen wesentlichen Schritt zur Etablierung ihrer Gewaltherrschaft und den Einstieg in die schlimmste Phase der deutschen Geschichte.

Wer das neuformulierte Infektionsschutzgesetz damit in Verbindung bringt, der ist - man muss es leider so sagen – entweder nicht mehr ganz bei Trost oder verhetzt die Menschen absichtlich. Es geht darum, dass die im Falle einer nationalen Pandemie erlaubten Maßnahmen benannt und an gewisse Voraussetzungen geknüpft werden.

Großteil der Bürger ist einverstanden

Damit ist zwangsläufig auch eine Einschränkung der Grundrechte verbunden. Denn wer gegebenenfalls Ausgangssperren verhängt, ganze Wirtschaftszweige herunterfährt oder Kontaktverbote erlässt, der kommt mit der Verfassung in Konflikte. Das erleben wir in Deutschland ja nun schon seit März.

Ein Großteil der Bürger ist nahezu allen Umfragen zu Folge damit einverstanden und die Gerichte tragen die Maßnahmen in vielen, wenn auch nicht in allen Bereichen mit.

Nun wird das, was bisher ziemlich unklar über eine sogenannte "Generalklausel" im Infektionsschutzgesetz geregelt war, das wird klar und deutlich ausgesprochen. Wir verfügen über eine genauere Definition der epidemischen Lage. Außerdem gibt es nun die Pflicht zur Begründung und eine Befristung der Maßnahmen.

Über einige Aspekte kann und muss man reden. Zum Beispiel über die Frage, ob das Parlament bessere Mitwirkungsmöglichkeiten hätte erhalten müssen. In der Vergangenheit hatte man oft den Eindruck, sie seien nur noch zum Abnicken zuvor gefasster Beschlüsse da. Es ist anzunehmen, dass das Bundesverfassungsgericht mit der Frage der Parlamentsrechte konfrontiert werden wird. Auch das ist übrigens ein Zeichen dafür, dass unser Rechtsstaat funktioniert.

Gutes Recht, zu demonstrieren

Dass Tausende von Menschen in Berlin gegen das neue Gesetz demonstrieren, ist ihr gutes Recht (und übrigens ebenfalls ein Beweis für eine lebendige Demokratie). Dass sie das ohne Masken und unter Umgehung der Abstandsregeln tun, zeigt aber leider auch: Viele von ihnen, die andauernd über die Verletzung ihrer Rechte klagen, halten sich selbst nicht an geltende Bestimmungen. Das wirft ein schlechtes Licht auf sie.

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