Kommentar

Krawall-Kampagnen: Wenn der Wahlkampf nur noch Kampf ist

Alexander Jungkunz

Chefpublizist

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13.08.2021, 16:49 Uhr
Harte Attacken: So sehen die Plakate der Anti-Grünen-Kampagne aus.

© Oliver Berg, dpa Harte Attacken: So sehen die Plakate der Anti-Grünen-Kampagne aus.

Sechs Wochen noch bis zur Bundestagswahl. Und allmählich kommt selbst dieser bisher kaum sichtbare Wahlkampf in Fahrt. Zu oft allerdings in abstoßender Art: als Wahl-Krampf der brutalen Art.

Unsägliche Kampagne

Und da geht es leider nicht nur um die unsägliche Kampagne gegen die Grünen. Die ist derart holzhammer-mäßig und schamlos, dass sie auf viele eher abstoßend wirken dürfte.

"Öko-Terror" und "Wohlstandsvernichtung" werfen die AfD-nahen Organisatoren der Aktion den Grünen vor, würden diese in die Regierungsverantwortung kommen. Darf man mal daran erinnern, dass eben diese Grünen die Partei sind, die an den meisten Landesregierungen (elf von 16) beteiligt sind? Und dort für ihre Anhänger oft viel zu kompromissbereit mitregieren, ohne "Wohlstandsvernichtung"?

Wo Argumente wenig helfen

Aber Argumente helfen wohl wenig gegen hemmungslose Stimmungsmache. Die findet ihre Adressaten. Denn die kennen Aggression und Hass aus dem Netz, wo die verbale Vernichtung politischer Gegner längst Alltag ist.

Es wäre verheerend, wenn sich die Demokraten dieser Tonlage annähern. Ein paar Ausreißer (oder sind es gar keine Ausreißer?) in diesem Wahlkampf deuten dies an: Auch Friedrich Merz attackierte die Grünen - mit nachweislich falschen Behauptungen. Sie würden "Einwanderer einladen", zum Beispiel.

Blamables SPD-Video

Auch die SPD leistete sich eine Kampagne, die blamabel war: In einem Video griff sie Armin Laschet und dessen Staatskanzleichef Nathanael Liminski heftig an - er gehöre zu den „erzkatholischen Laschet-Vertrauten, für die Sex vor der Ehe ein Tabu ist“. Die Sozialdemokraten zogen den Film aus dem Verkehr. Glaubensfragen nämlich sind Privatsache, kein Thema für ernsthaften, seriösen Wahlkampf.

Von dem erleben wir noch zu wenig. Demokraten ringen um die besseren Ideen, um Konzepte für die Zukunft. Wenn sie sich gegenseitig niedermachen, beschädigen sie sich selbst. Und das haben sie schon zu oft getan; da wäre also Wiedergutmachung angesagt. Auch beim höchst komplexen Thema Wahlrechtsreform.

Verkorkste Wahlrechtsreform

Da haben CDU, CSU und SPD 2020 eine Möchtegern-Verbesserung auf den Weg gebracht, die aber keine ist. Nach wie vor besteht die Gefahr, dass der kommende Bundestag wegen Überhangmandaten sogar noch größer wird als der aktuelle - 900 Parlamentarier (statt der eigentlich vorgesehenen 598) könnten es werden.

Das Bundesverfassungsgericht hat der Großen Koalition und ihrer Reform nur auf den ersten Blick grünes Licht gegeben. Karlsruhe hat aber die Kritikpunkte der Opposition im Blick. Nicht auszuschließen, dass da nach der Wahl im endgültigen Urteil eine Abfuhr für Union und SPD kommt. Es wäre eine absehbare Blamage für Parteien, die an einem sichtbar ungerechten Wahlrecht festhielten, weil sie - und vor allem die CSU - davon profitierten.

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