Maaßen bei Lanz: "Es sind ja keine Flüchtlinge, das sind Migranten"

Marina Hochholzner

nordbayern.de

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18.12.2019, 16:13 Uhr

Markus Lanz hatte sich am Dienstag in seine Sendung unter anderem Hans-Georg Maaßen eingeladen. Dort ging es zunächst noch um Maaßens' Aus als Chef des Verfassungsschutzes. Dann um einige pikante Aussagen des Juristen. Und schließlich drehte sich das Gespräch um die Migration in Deutschland seit 2015. Ein Thema, das die beiden Männer letztlich heftig aneinander geraten ließ.

Bis zum November 2018 war Hans-Georg Maaßen Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, insgesamt sechs Jahre lang. Inzwischen engagiert er sich als Teil der Werte-Union. Dahinter steckt ein Zusammenschluss konservativer CDU-Mitglieder. Immer wieder tätigte er in der Vergangenheit Aussagen, die polarisierten. Markus Lanz stellte Maaßen genau dazu kritische Fragen.

Aber der Reihe nach. Das Gespräch mit Maaßen begann noch relativ ruhig, beinahe entspannt. Lanz erkundigte sich bei seinem Gast, was ihm nach dem Ende seiner Zeit an der Spitze des Verfassungsschutzes am meisten fehle.

"Fehler wurden nicht gemacht"

Maaßen vermisse die Informationen aus aller Welt, auf die er zugreifen könne, um sein Weltbild zu formen, antwortete er. Und gefahren zu werden und sich nicht um den Verkehr kümmern zu müssen, ergänzte er scherzhaft. Dennoch sei er froh, dass dieser Lebensabschnitt jetzt abgeschlossen sei, denn die Würde des Amtes sei auch eine Bürde. Und diese Bürde wiege sehr, sehr schwer.

"Haben Sie Fehler gemacht, Herr Maaßen?", fragte der Moderator daraufhin. Maaßen verneinte, merkte aber an, im Nachhinein würde man manches gern anders und besser machen.

Lanz ließ sich damit nicht so einfach abspeisen. "Sie haben aus Ihrer Perspektive also keinen Fehler gemacht?", hakte er nach. "Jetzt meinen Sie Chemnitz?", fragte der EX-Verfassungsschutz-Chef unschuldig nach. Daraufhin erläuterte er, Menschen würden eben Fehler machen, wie zum Beispiel bei der Kommasetzung.

Tatsächlich aber war der Vorfall der Grund für das Ende seiner Karriere beim Verfassungsschutz: Nach einem Mord in Chemnitz bezweifelte Maaßen im September 2018 öffentlich, dass es danach zu "rechtsextremistischen Hetzjagden" gekommen sei. Er stellte damals sowohl die Berichterstattung der Medien als auch die Aussagen führender Juristen infrage.

Realitätssinn ist Mutter aller Probleme

Innenminister Horst Seehofer (CSU) bat den Bundespräsidenten daraufhin, Maaßen mit sofortiger Wirkung in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen. Dieser behauptete in Lanz' Sendung, die Reaktionen auf seine Aussagen hätten ihn damals selbst überrascht.

Lanz jedoch glaubte ihm das nicht. Immerhin habe er ja mit der Bild ein Medium gewählt, das die breite Öffentlichkeit erreicht. Anschließend konfrontierte Lanz seinen Gast mit Horst Seehofers Aussage, die Migration sei die Mutter aller Probleme.

"Nein", sagte Maaßen, so sei es nicht. Seiner Meinung nach sei die Mutter aller Probleme, dass die Politik in Deutschland "mehr Wunschdenken verfolgt als Realitätssinn". Das würde er in der Migrationspolitik sehen, und in der Klimapolitik.

"1,8 Millionen Araber kommen ins Land"

Zu Beginn präsentierte der ehemalige oberste Verfassungsschützer ein paar Fakten. "2,07 Millionen Menschen haben wir aufgenommen seit 2012, nur als Asylsuchende", so der Jurist. Dazu kämen noch der Familiennachzug und die ganzen Leute, die illegal gekommen sind. Mit der Aussage, die Deutschen seien in der Lage, die alle zu integrieren, verkenne man die Realitäten, kritisierte er.

Als nächstes konfrontierte der Moderator seinen Gast mit einem weiteren seiner Zitate: Bei einer Rede vor der Werte-Union in Heidelberg hatte Maaßen gesagt, er sei nicht vor 30 Jahren in die CDU eingetreten, "dass dann irgendwann 1,8 Millionen Araber ins Land kommen".

Warum ein Mann mit Maaßens Intelligenz so einen undifferenzierten Satz äußere, wollte Lanz wissen. Der Jurist berief sich auf das Asylgrundgesetz, Paragraf 16a: 2,07 Millionen Asylsuchende kamen nach Deutschland, obwohl um das Land herum sichere Drittstaaten seien. Und 16a, Absatz 2, Satz 1 Grundgesetz sage, Asylrecht genieße nicht, wer aus einem sicheren Drittstaat kommt.

Rettungsschiffe seien "Shuttleservice"

Lanz bezeichnete daraufhin Maaßens Aussage als "AfD-Sprech", ja, er kenne sogar einige Leute aus der AfD, die würden das so gar nicht sagen. Der konterte, dass man inzwischen überspitzen müsse, um öffentlich wahrgenommen zu werden. Besucher seiner Veranstaltungen würden ihm das bestätigen: "Endlich sagt mal einer, was ich auch sagen will. Aber ich traue mich nicht mehr, das zu sagen", sei das allgemeine Feedback.

Nun kam es zum hitzigen Teil der Debatte. Maaßen wiederholte einen seiner Tweets, in dem er die Rettung von Migranten im Mittelmeer als "Shuttleservice" bezeichnete. Außerdem sollten die Geretteten nicht "Flüchtlinge" genannt werden, denn dies sei der Status von anerkannten Asylsuchenden. Außerdem seien sie Opfer von Schleusern, und keine Schiffbrüchigen.

Lanz warf Maaßen vor, mit seiner Wortwahl Ressentiments zu befeuern. Vor allem das Wort Shuttleservice für Flüchtlinge entsetzte den Moderator. Maaßen berichtigte ihn: "Aber es sind ja keine Flüchtlinge, Herr Lanz. Das sind Migranten." Er warf den klassischen Medien vor, gezieltes "Framing" zu betreiben, um eine bestimmte Weltsicht zu transportieren - etwa durch die falsche Verwendung des Begriffs "Flüchtlinge". Lanz konterte, dass auch Maaßen durch seine Aussagen Framing betreibe.

"Muss billige Tricks verwenden"

Maaßen verteidigte seine Wortwahl. "Wir sind in Deutschland leider an einem Punkt, wo man solche billigen Tricks verwenden muss", argumentierte er. Anschließend debattierten er und Lanz zusammen mit dem Journalisten Olaf Sundermeyer über die Rolle der Medien nach dem Mord in Chemnitz: Maaßen zufolge war es damals schlichtweg falsch, die Vorgänge als "Hetzjagden" zu bezeichnen.

Auf Maaßens Behauptung hin, der öffentlich-rechtliche Rundfunk wolle mehr Meinung machen als Tatsachen bringen, entgegnete Sundermeyer, der Jurist würde mit seinem Verhalten die Spaltung der Gesellschaft voranzutreiben, das Klima im Land anheizen, und "allen "Lügenpresse"-Rufern Vorschub leisten".

"Bürger haben sich radikalisiert"

Letztlich äußerte Maaßen seine Bedenken für die Zukunft: Was 2015 war, also Leute, die Angriffe auf Asylunterkünfte begingen, könne sich jederzeit wieder ereignen. "Und ich habe Angst, wir sind nicht drauf vorbereitet. Bürger aus der Mitte haben sich radikalisiert."

"So wie Sie", feuerte Lanz zurück. Und damit ließ der Moderator es auch im Großen und Ganzen auf sich beruhen und wandte sich kurz darauf seinen anderen Gästen zu: Schriftstellerin Freya Klier, Alpinist Dani Arnold und eben Olaf Sundermeyer.

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